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J.R.R. Tolkien - kaum ein Autor hat einen solchen Kultstatus erreicht, seine Werke und die darin geschaffenen Welten fesseln Generationen. Sehen wir unberührte Hügellandschaften, denken wir an das Auenland. Färben sich die Blätter im Herbst golden, erinnert uns dies an Lothlórien. Und der Ruf der Möwen entführt uns in Gedanken in die "Unsterblichen Lande".
Tolkiens Mittelerde begegnet uns als eine alte Welt, die uns auf unbestimmte Weise vertraut ist. Christopher Snyder entführt den Leser auf Tolkiens Reise nach Mittelerde und enthüllt die historischen, literarischen und biographischen Quellen seiner Inspiration - von den nordischen Mythen und Sprachen über das europäische Mittelalter bis zu den Einflüssen der Inklings und C.S. Lewis'.

 

Tolkiens Reise nach Mittelerde 

Originaltitel: The Making of Middel-earth
Autor: Christopher Snyder
Übersetzer: Marcel Aubron-Bülles, Dr. Frank Weinreich (Kapitel 5)
Verlag: Heel Verlag
Erschienen: 9. Dezember 2013
ISBN: 978-3868528268
Seitenzahl: 337 Seiten


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe    
Die Veröffentlichungen zu Tolkien und speziell zu seiner Schöpfung, genannt Mittelerde, sind zahlreich und einen Überblick zu behalten fällt schwer. Nun legt Snyder ein weiteres Buch vor. Die Zielgruppe desselben ist klar umrissen - jeder, der den "Hobbit", den "Herrn der Ringe" und das "Silmarillion" gelesen hat und nun mehr darüber erfahren möchte, woher Tolkien sein Wissen nahm, um Mittelerde, seine Bewohner und deren Geschichte zu kreieren. Eine gute Textkenntnis sollte vorhanden sein.

Das Buch gliedert sich in 5 Kapitel:

  1. Das Handwerk erlernen
  2. Tolkiens Mittelerde
  3. "Hin und zurück"
  4. Die Erzählungen des Dritten Zeitalters
  5. Das Lied Ilúvatars

Dem Hauptteil wurden noch insgesamt 4 Anhänge beigefügt:

  1. Ungeheuer und ihre Kritiker
  2. Mittelerde und die Medien
  3. Tolkieniana
  4. Die moralischen Werte Mittelerdes

Die relevanten biographischen Eckdaten werden kurz genannt, sowie ihre mutmaßlichen Einflüsse auf Tolkiens Schaffen. Danach wendet sich der Autor den diversen Quellen zu, aus denen Tolkien, auch nach seinen eigenen Angaben, schöpfte. Dabei fasst der Autor lediglich den Inhalt der diversen Schriften der anerkannten Tolkienspezialisten wie Carpenter, Shippey, Drout oder Flieger zusammen und gibt ihn undiskutiert wieder. Der Autor kann natürlich nicht alle Facetten der Tolkien-Forschung aufführen, aber das Wichtigste wird genannt. Wer sich mit den Hintergründen noch nicht beschäftigt hat, erfährt viel Neues und z.T. auch Erstaunliches. Alle Tolkien-Interessierte allerdings, die bereits die Biographie von Carpenter und / oder die Bücher von Shippey kennen, werden enttäuscht sein. Auffällig ist, dass Snyder schon fast krampfhaft versucht Tolkien nachzuweisen, dass er sich nicht nur an den nordischen Sagen und dem "Beowulf" orientiert hat, sondern auch an den Sagen rund um König Arthur. Es gibt Übereinstimmungen, die aber eher allgemeiner Art sind und so nicht wirklich überzeugen. Vor allem ist die Beweisführung zu der Gleichsetzung von Arthur und Aragorn nicht stichhaltig, und die Behauptung Faramir und Lanzelot seien sich ähnlicher, als gemeinhin ersichtlich, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen. Aufdringlich finde ich auch die Versuche des Autors, C.S. Lewis' Einfluss auf seinen Freund Tolkien höher zu veranschlagen als dies aus meiner Sicht der Fall war.

Während Snyder in den ersten beiden Kapiteln noch die Balance zwischen der nordischen, der antiken und der christlichen Kultur halten kann, nehmen die christlichen Inhalte ab Kapitel 3 immer breiteren Raum ein. Ein Umstand, den ich mir nicht erklären kann, außer man nimmt an, dass es dem Autor persönlich wichtig ist zu zeigen, dass Tolkien, bei aller Passion für das Nordische, doch ein guter gläubiger Katholik geblieben ist. Aber das zweifelt ja auch niemand an.

Die Anhänge erscheinen mir weitgehend überflüssig, denn sie passen nicht mehr zum Titel (und Anspruch) des Buches "Tolkiens Reise nach Mittelerde". In Anhang 2  wird zum Beispiel seitenlang der Herr-der-Ringe-Film von Peter Jackson besprochen und außer bereits Bekanntem (z.B. Besetzung) und allerhand Trivialitäten rund um die Dreharbeiten erfahren die Leser weit weniger zum Film, seinen Machern und  seiner Machart, als wenn sie sich die Anhänge der DVDs (Spezial Extended Edition) ansehen würden.

Snyder schreibt flüssig und gut verständlich, vermeidet Fachbegriffe, oder erläutert diese. Da gibt es nichts zu meckern. Das Buch ließe sich flott weglesen, würden sich nicht die Druckfehler nach ca. dem 1. Drittel häufen, und gegen Ende so zahlreich werden, dass sie den Lesefluss hemmen. Zudem sind Zahlen auffällig häufig falsch – z.B. begann John Howe 1080 an einem Tolkien-Kalender mitzuarbeiten (Seite 236). Howe muss ein Elb sein. Und ausgerechnet in einem der wichtigsten Dialoge des  Herr-der-Ringe-Films heißt es "... und mein Stamm liegt in Trümmern" – wie aus "Stadt" allerdings "Stamm" werden kann, erschließt sich mir nicht wirklich. Ein paar Stilblüten erheitern eher: Mal wird aus Nachdichtung Nachrichtung (Seite 59) oder aus Lieferfristen werden Liederfristen (Seite 115). Das Rechtschreibprogramm lässt grüßen. Dennoch muss gesagt werden, dass die Übersetzer Weinreich und Aubon-Bülles einen guten Job machen, und für Fehler des Autors, wie z.B. dass es in Moria Uruks gibt, oder die Druckfehler nicht verantwortlich gemacht werden können. Es erstaunt allerdings, dass sie, als ausgewiesene Tolkien-Kenner, "die", anstatt "das" Kalevala, wie mans gewohnt ist, übersetzen. Es gibt auch Fehler bei einer Tabelle (Seite 199) und so denke ich, dass dieses Buch mit heißer Nadel gestrickt wurde, damit es noch rechtzeitig zum Start des 2. Hobbit-Films erscheinen kann. Das Einhalten von Fristen ist wichtig, darunter sollte aber die Sorgfalt nicht leiden.

 

Aufmachung des Buches
Das Cover des Schutzumschlags (identisch mit dem des Hardcovers) stimmt durch seine Gestaltung bereits sehr schön auf das Thema ein. Auch sonst hat der Verlag an nichts gespart – stabiler Einband, Fadenheftung und sepiafarbenes, festes Papier können sich sehen lassen. Das Layout ist ebenfalls erstklassig. Viele Seiten verfügen über Schmuckleisten, deren Vielfalt überrascht. Und zwischen den Text werden immer wieder "handschriftliche" Zitate eingestreut. Selbst die grün hinterlegten Kästen, die einzelne Aspekte erklären oder hervorheben, sind mit Ornamenten geschmückt. Auch die reichliche Ausstattung mit Abbildungen mittelalterlicher Werke und alter, sowie gegenwärtiger Fotos ist hervorzuheben.
Das Buch schließt mit einer Tolkien-Zeitleiste (deren Richtigkeit ich nicht überprüft habe), dem wissenschaftlichen Apparat, Bibliographie und Quellen, dem Register sowie, Text- und Bildnachweisen ab.


Fazit 
Die Bewertung fällt mir schwer, denn einerseits bietet das Buch einen guten, wenn auch nicht vollständigen, Überblick zum Stand der Forschung, andererseits ist die Gewichtung der Themen nicht so ausgewogen wie es wünschenswert wäre. Dazu kommen die vielen Druckfehler, für die ich einen Punkt abziehe, weil sie den Lesefluss hemmen. Die hervorragende Ausstattung macht diesen Makel leider nicht mehr wett.
Mein Fazit lautet deshalb: als Einstieg gut geeignet, und hoffentlich verführt es die Leser dazu, sich anderen Werken zu Tolkien, z.B. von Carpenter oder Shippey, zuzuwenden.


3 5 Sterne


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