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Exotisches Laos, rätselhafte Todesfälle und die originellste Ermittlerfigur des Krimigenres

Dr. Siri Paiboun hatte bislang eigentlich nur mit lebenden Patienten zu tun. Doch nun wird er mit seinen 72 Jahren noch zum einzigen Leichenbeschauer von ganz Laos ernannt - als letzter verbliebener Genosse mit medizinischem Hintergrund. Es bleibt ihm keine Wahl, als sich ohne jedes Fachwissen, aber mit der Unterstützung zweier ebenso unqualifizierter Assistenten, an seinem ersten Fall zu versuchen: Frau Nitnoy, die Gemahlin eines Parteibonzen, ist bei einem Essen des Frauenverbands plötzlich verstorben, und Dr. Siri argwöhnt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuging. Mit Hilfe eines alten französischen Lehrbuchs, vor allem aber mit viel Witz und Intuition, macht er sich daran, die Sache unter die Lupe zu nehmen. Prompt gerät Dr. Siri selbst in Gefahr, doch zum Glück kann er auf zahlreiche Helfer zählen, wie seinen alten Freund und Parteigenossen Civilai, die Chemielehrerin Oum und die Sandwichverkäuferin Tante Lah, die Dr. Siri jeden Mittag mit ihren Köstlichkeiten versorgt - und ein Auge auf ihn geworfen hat ...

 

  Autor: Colin Cotterill
Verlag: Manhattan
Erschienen: 12/2008
ISBN: 978-3-442-54642-8
Seitenzahl: 314 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Dr. Siri Paiboun ist 72 Jahre alt, lebt in Laos und wird im Zuge der kommunistischen Revolution 1975 zum amtlichen Leichenbeschauer bestimmt. Ohne Fachwissen, dafür mit zwei Assistenten und uralten französischen Lehrbüchern ausgestattet, tritt er einen Job an, den er nicht haben will und dem er sich auch nicht gewachsen fühlt.
Eines Tages wird die Ehefrau eines Parteifunktionärs eingeliefert, die bei einem Bankett scheinbar grundlos tot umgefallen ist. Dr. Siri nimmt die Ermittlungen auf und stellt schnell fest, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Er gerät in einen Strudel aus politischen Intrigen, weiteren Toten, übersinnlichen Wahrnehmungen und Anschlägen auf sein Leben, aus dem er sich nur mühsam befreien kann.


Stil und Sprache
Man nehme einen exotischen Schauplatz, ein fremdes Gesellschaftssystem und einen Ermittler im Rentenalter, der von Toten träumt, aber ansonsten mitten im Leben steht, und fertig ist ein wunderbarer Roman, der zwar als Krimi daherkommt, aber weitaus mehr ist. Colin Cotterill zeichnet sehr anschaulich ein junges kommunistisches System im Jahre 1976, in dem Telefone Teufelswerk sind und alle öffentlichen Gebäude swimmingpoolblau gestrichen werden, weil keine andere Farbe da ist. Dabei ist er unglaublich ironisch und stellt das System auf eine Weise bloß, die sympathisch und auch durchaus mitfühlend ist. Von Anfang an fühlt man sich heimisch in Laos und begleitet Dr. Siri durch die Hauptstadt Vientiane. Trotz der so ganz anderen, ärmlichen Lebensumstände, die geschildert werden, wird kein Mitleid geheischt, sondern Dr. Siri nimmt sein Leben, wenn auch mit reichlich Sarkasmus, als gottgegeben hin und schnell ist man als Leser der gleichen Meinung und kann beruhigt daran teilhaben. Natürlich lebt das Buch von der erzeugten Atmosphäre, aber der Krimi darin und seine Auflösung (Ja, natürlich schafft es auch Dr. Siri mit seinen beschränkten Mitteln, den Fall zu lösen) steht dahinter nicht zurück und macht es zu einem echten Lesevergnügen. Sogar die Erfahrungen im Dschungel mit Geistern, Dämonenaustreibungen und Wachträumen nimmt man Dr. Siri ab, ohne dass es irgendwie störend oder abgedreht wirkt. Vielmehr lässt sich das Buch durchgehend flüssig und angenehm lesen, die selbstironischen Sprüche von Dr. Siri und seinen Mitstreitern reizen immer wieder zum Lachen.


Figuren
Dr. Siri ist sicher kein Durchschnittsermittler, mit 72 bereits deutlich im Rentenalter, gegen seinen Willen in einem Job, den er weder wollte noch fachlich ausfüllen kann, und dann noch mit zwei Assistenten gesegnet, die man bestenfalls als eifrig bezeichnen kann: Herr Geung hat das Down-Syndrom, aber teilweise mehr Fachwissen als Dr. Siri selbst, und die übergewichtige Krankenschwester Dtui ist zwar manchmal etwas unbedarft, aber oft auch ziemlich pfiffig. Zu dritt lehnen sie sich gegen die teilweise haarsträubenden Regeln und Zwänge der kommunistischen Gesellschaft auf, dass es nur so kracht. Dabei ist man besonders Dr. Siri als Leser schnell sehr nahe, er hat eine recht traurige Lebensgeschichte, durch die er sich aber nicht unterkriegen lässt, sondern vielmehr alles tut, um in seinem begrenzten Rahmen glücklich zu sein.

Auch über die vielen Nebenfiguren wird einiges erzählt, besonders optisch sind sie alle etwas Besonderes, aber Hauptakteur ist und bleibt Dr. Siri, und das ist auch gut so. Zu Anfang muss man als Europäer allerdings mit den ungewohnten asiatischen Namen aufpassen, die sind in der Tat gewöhnungsbedürftig.


Aufmachung des Buches
Es handelt sich um ein gebundenes Buch, auf dem Cover ist eine in türkis und blau gehaltene einfache Zeichnung einer Berglandschaft mit einigen stilisierten Figuren und einem Flugzeug zu sehen. Das Cover hat einige Bezüge zur Handlung und ist sehr ansprechend, auch weil es aus der Masse der sonstigen Buchcover heraussticht.

Es gibt 24 Kapitel, deren jeweilige Überschrift zum einen zur Handlung passend, aber oft auch auf den ersten Blick etwas schräg ist (Das Hämatom der Friseuse, Der Hühnerzähler). Sehr schön!


Fazit
Ein rundum empfehlenswerter Roman, nicht nur für Krimiliebhaber. Allein durch die Wahl des Schauplatzes Laos unheimlich interessant und neu, ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall für Dr. Siri!


5 Sterne


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