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New York, 1899: Hier begegnen sich Chava und Ahmad, eine Frau aus Ton und ein Mann aus Feuer, deren Schicksal seit Jahrhunderten unauflöslich verknüpft ist.

Chava ist ein Golem, zum Leben erweckt von einem skrupellosen Rabbi. Sie kann Wünsche und Sehnsüchte der Menschen um sich herum spüren. Als ihr Meister stirbt, muss sie sich allein in New York zurechtfinden. Ahmad ist ein Dschinn, der eingeschlossen in einer Kupferflasche auf Umwegen nach Manhatten gelangt. Seine Neugier und seine Leidenschaft sind ihm schon einmal zum Verhängnis geworden. In der Welt der Menschen suchen sie nach Liebe und Freundschaft und müssen sich gegen einen übermächtigen Gegner zur Wehr setzten.

 

Golem und Dschinn 

Originaltitel: The Golem and the Jinni
Autor: Helene Wecker
Übersetzer: Anette Grube
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen: August 2013
ISBN: 978-3-455-40367-1
Seitenzahl: 623 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die Handlung der Geschichte beginnt im Jahr 1899, als Otto Rotfeld, ein nicht besonders ansprechender Mann, beschließt nach Amerika auszuwandern. Da er mit den Frauen um sich herum nichts anfangen kann, bittet er einen alten Rabbi ihm einen, nach seinen eigenen Vorstellungen „programmierten“,  weiblichen Golem als Gefährtin anzufertigen.
Als Rotfeld seinen Golem während der Schiffsreise zum Leben erweckt, aber kurze Zeit später auf hoher See stirbt, ist die Lehmfrau ohne ihren Meister vollkommen überfordert. In New York angelangt, verzweifelt und desorieontiert, wird sie von dem schwerkranken Rabbi Meyer, der ihr wahres Wesen erkennt, unter die Fittiche genommen. Er nennt sie Chava und hilft ihr, auch ohne einen Meister zurechtzukommen. Ungefähr zur selben Zeit wird am anderen Ende der Stadt zufällig ein Dschinn von dem Kupferschmied Arbeely aus seiner langen Gefangenschaft befreit. Mit der Hilfe des Schmieds lernt auch er, sich recht und schlecht seiner neuen Umgebung anzupassen und nennt sich fortan Ahmad.
Eines Nachts begegnen sich der Golem und der Dschinn und jeder von ihnen spürt im anderen eine ungeheure Einsamkeit und Sehnsucht. Obwohl sie auch in ihren Meinungen so unterschiedlich wie in ihrer Körperlichkeit aus Lehm und Feuer sind, beginnt sich eine tiefe Verbundenheit zwischen den Beiden zu entwickeln. Noch ahnen Chava und Ahmad nicht, dass ihr Leben eine weitere  Gemeinsamkeit hat. Doch es gibt jemanden der davon weiß und alles dafür tun würde, die Beiden in seine Gewalt zu bekommen.

Die Idee wurde einfühlsam und interessant umgesetzt und zeigt die Schwierigkeiten von zwei völlig Fremden, die in New York im Jahr 1899 stranden und sich sowohl in Kultur, Rasse als auch Wünschen und Bedürfnissen von allen anderen unterscheiden.


Stil und Sprache
Das Buch präsentiert sich als ein sehr sanfter, gut aufgebauter und sich permanent weiterentwickelnder, historischer Fantasyroman, der um das Jahr 1899 herum spielt, als viele hoffnungsvolle Europäer nach Amerika einwandern. Die Geschichte wird aus der Perspektive des „Allwissenden Erzählers“ in der dritten Person erzählt. Die verschiedenen Handlungsstränge, von denen einer mit der Erschaffung der Golemfrau Chava und ein anderer mit der Befreiung des Dschinns Ahmad beginnt, werden mit kleinen Rückblenden in das Leben des Dschinns vor seiner Gefangennahme und anderen, für die Story relevanten Situationen bereichert. Immer wieder wird auch auf die Sichtweise der anderen Figuren eingegangen, sodass sich eine komplexe Geschichte mit Figuren, die im Lauf der Handlung permanent wachsen, entwickeln kann. Einige nicht immer ganz so schlüssige Szenen werden von der Gesamtheit der Geschichte mühelos überspielt, sodass sie nicht wirklich ins Gewicht fallen.
Die Schauplätze und Interaktionen der Figuren sind so detailliert beschrieben, dass man sich die Leute und die Stadt zu dieser Zeit gut vorstellen kann. Viele Kleinigkeiten, die wie nebenbei in der Geschichte platziert sind, machen sie lebendig und bunt.

Die Probleme, mit denen die Chava und Ahmad konfrontiert sind, das Heimweh, ihre Sehnsüchte und der Versuch, um keinen Preis aufzufallen, wurden einfühlsam und gut nachvollziehbar dargestellt und erklären dadurch viele ihrer Handlungen.
Nachdenkpotential hat die Frage, wie man wohl selbst mit einem Wesen umgehen würde, von dem man weiß, dass es völlig anders und wesentlich gefährlicher ist, als alle Menschen um ihn herum. Egal, ob es ein Geschöpf mit so unglaublichen Kräften wie ein Golem ist, der Führung sucht aber nicht erhält, ein einst unabhängiger Freigeist, gefangen in einem „minderwertigen“ Körper, aus dem er sich nicht befreien kann oder ein Mensch, der immer wieder geboren wird und der, obwohl klug und mächtig, sein Leben in Not und Elend fristet.

Leser, die eine gut konstruierte, und fein verflochtene Fantasygeschichte suchen, finden in diesem Buch viel Interaktion zwischen den Figuren und eine sich gemächlich, aber zielstrebig entwickelnde Handlung. Sehr actionreiche Szenen sind allerdings kaum zu finden.


Figuren
Chava, die Frau aus Lehm, wird zu Beginn der Geschichte zum Leben erweckt und so kann der Leser von Beginn an genau mit verfolgen, wie aus einem unsicheren, nach einem Meister suchenden Geschöpf eine selbstständige, meist beherrschte Frau wird, die lernt, das Beste aus ihrem Schicksal zu machen.

Ahmad ist das genaue Gegenteil der schüchternen Golemfrau. Der Dschinn ist heißblütig, unbeherrscht und arrogant. Seinen absoluten Widerwillen, in einem Menschenkörper gefangen zu sein und einen Großteil seiner Kräfte verloren zu haben, macht es ihm ebenso schwer sich in seiner neuen Umgebung gut einzufügen, wie seine ausgeprägten Charakterzüge. Doch auch in dieser Hinsicht lernt er in der Geschichte viel dazu. Ahmad hilft Chava auch oft durch seine Neugier und Furchtlosigkeit zu einer neuen Sichtweise, und auf der anderen Seite lernt der Dschinn durch das grundsätzlich freundliche, pragmatische Wesen des Golems viel dazu.

Rabbi Meyer ist ein guter Mensch, der einerseits stolz darauf ist, dass sich sein Schützling Chava in die Gemeinschaft einzufügen lernt, andererseits aber das Zerstörungspotential fürchtet, das in der Golemfrau lauert. Im Bestreben, das Beste für Chava zu wollen, pendelt er zwischen dem Bedürfnis, sie zu einem selbstständigen Leben anzuleiten und ihrer Zerstörung hin und her. Vor allem, als ihm bewusst wird, dass er sehr krank ist.

Der polnische Rabbi Yehudah Schaalman sucht verzweifelt die Formel nach dem ewigen Leben und geht buchstäblich über Leichen, um sein Ziel zu erreichen. Obwohl er gleichzeitig ein mächtiger Magier ist, hat er es noch nicht geschafft, den Tod zu überlisten, den er mehr als alles fürchtet. Doch er arbeitet daran.

Alle Figuren stehen vor ihren eigenen Problemen und müssen sich situationsbedingt früher oder später ihren Ängsten und Verantwortlichkeiten stellen. Sie haben klare Ziele, die im Buch gut erkennbar sind und sind daher alle mit einem klaren Grund und verständlichen Wünschen für ihre Handlungen ausgestattet und charakterisieren sich laufend selbst.
So kann man sich als Leser gut in die Protagonisten einfühlen und ihre Bedürfnisse und Aktionen nachvollziehen.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Das schwarzweiße Coverbild mit der golden Schrift und verzierten Ecken wirkt dezent und zurückhaltend und der goldgedruckte Rückseitentext auf schwarzem Grund macht neugierig und gibt einen kurzen Einblick in die Handlung. Auf der vorderen Innenklappe des Covers ist eine etwas genauere Einführung in die Geschichte, auf der rückwärtigen Innenklappe ist eine bebilderte Kurzvita der Autorin zu finden. Die Geschichte teilt sich in 29 Kapitel deutlich abgegrenzte Kapitel, die ihrerseits in weitere, kleinere Abschnitte gegliedert sind. Ein Epilog und eine Danksagung runden den Roman gut ab.


Fazit
.„Golem und Dschinn“ ist eine faszinierende und tiefgehende Story, die das Leben einer Golemfrau und eines Dschinns einmal aus ihrer Sicht und deshalb aus einer völlig anderen Perspektive zeigt. Leser, die eine gut verflochtete, sich immer weiterentwickelnde Geschichte erwarten, werden viel Spaß mit dem Buch haben. Bücherfreunde, die einen actionreichen Fantasyknaller erwarten, könnten von der Lektüre allerdings etwas enttäuscht sein.


4 5 Sterne


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