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Das satirische Porträt von nichts weniger als der gesamten modernen Welt – einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts!

Wyatt Gwyon wächst als Priestersohn unter der rigiden Obhut seiner Tante in der Provinz Neuenglands auf und entwickelt ein zeichnerisches Talent. Schließlich landet er Ende der vierziger Jahre im New Yorker Greenwich Village, wo er aus Not zu einem genialen Kunstfälscher wird. Doch er kopiert nicht etwa die alten Meister, sondern erfindet neue »Originale« und arbeitet damit korrupten Händlern und Hehlern in die Hände. Um ihn herum gibt es ein ganzes Heer an Künstlern, Kunstexperten, Schriftstellern, Geistlichen, Forschern und Politikern, die sich alle in einem Netz aus Lügen an der Fälschung der Welt beteiligen. Mit diesem sprachgewaltigen, amüsant und wild wuchernden Epos, das 1955 in den USA erschien, ist William Gaddis ein großer Wurf gelungen, ein Zeitroman über eine bodenlose, auf Lug, Trug und Schein aufgebaute Welt, ein Paukenschlag von einem Buch, das zu den bedeutendsten Meisterwerken der Literatur zählt und als Schlüsselroman der Moderne gilt.

 

Die Faelschung der Welt 

Originaltitel: The Recognitions
Autor: William Gaddis
Übersetzer: Marcus Igendaay
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt
Erschienen: April 2013
ISBN: 978-3421045195
Seitenzahl: 1232 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Schon beim Lesen des Klappentextes kommt einem unweigerlich die Geschichte um den Kunstfälscher Beltracchi in den Sinn. Allein die Idee, alte Meister nicht nur zu kopieren, sondern neue Werke im Stile der alten Meister zu malen, zeugt von einem brillanten Kopf.

Die Deutsche Verlagsanstalt legt nun diesen grandiosen Roman von William Gaddis erneut auf. „Die Fälschung der Welt“ ist Gaddis Erstling, 1955 in den USA erschienen, und erzählt die Geschichte des Priestersohns Wyatt Gwyon, der von einer Notlage in die nächste gerät. Zunächst stirbt seine Mutter als er fünf Jahre alt ist, durch die Behandlung eines falschen Arztes, dann überlässt sein Vater, Reverend Gwyon, die Erziehung des Sohnes seiner strenggläubigen Schwester, schließlich verbietet die Tante ihm jegliches Malen und Zeichnen und bereitet ihn auf den verhassten Lebensweg als Priester vor. Nachdem Wyatts Tante stirbt, entflieht er seiner Heimat und lässt sich in Paris nieder, um sich in der brotlosen Kunst des Malens am Montmartre zu verdingen.

Gleichwohl ist es nicht einfach, die ausufernde Geschichte ohne große Verluste zu komprimieren. Allein die Vielfalt der Figuren, über fünfzig an der Zahl, deren Geschichten zum Teil lesenswert sind und auf verschlungenen Pfaden in irgendeiner Weise zusammenhängen, sind ein Mahlstrom aus der Undurchschaubarkeit von Tätern und Opfern, Verrat und Täuschung. Die Geschichten verwirren sich unentwegt ineinander, aber nicht die Entwirrung ist wichtig, sondern die Verworrenheit selbst.


Stil und Sprache
Gaddis ist ein großartiger Erzähler, der es seinen Lesern nicht leicht macht. Unter Kaskaden endlosen Gemurmels, in einer Fülle von Perspektiven und unterschiedlichster Redestile, einem plötzlichen Wechsel des Tonfalls, wo Zynismus und Anerkennung, Gefühlskälte und Anteilnahme Seite an Seite stehen, wähnt man sich in einem Dschungel: ringsum ein Dickicht und drin ein Verlorener - der Leser.

Hin und wieder beschleicht einen das Gefühl, Gaddis hat alles, was er bei seinen enorm gründlichen und mehrere Jahre andauernden Recherchen aufspürte, in dieses Buch hineingestopft. Anders sind die vielen, zum größten Teil religiösen Anspielungen nicht zu erklären und nur mithilfe des im Netz zu findenden Readers zu entschlüsseln.

Die vielen Künstlerpartys, in denen die Oberflächlichkeit seiner unzähligen Gäste zu einem metastasierenden Albtraum werden und den Leser verzweifeln lassen, demonstrieren grandios die Zerstückelung des vielgepriesenen amerikanischen Traums. Die scheinbar belanglosen, nicht enden wollenden und nervenstrapazierenden Gespräche auf diesen Partys lösen den unwiderstehlichen Wunsch aus, ein paar Zeilen zu überfliegen. Diesen Impuls sollte man sofort wieder unterdrücken, auch wenn vermeintlich nichts Substantielles geschieht, streut Gaddis immer wieder Details ein, die entweder vorherige Konflikte lösen oder neue beginnen lassen. Er ist ein Meister der tiefgründigen Oberflächlichkeit.


Figuren
Die Hauptfigur Wyatt kehrt einige Jahre später Paris den Rücken und zieht nach New York. Dort lernt er den mit allen Wassern gewaschenen Geschäftsmann Recktall Brown kennen und beginnt seine Fälscherkarriere. Mithilfe von anerkannten Kunstkritikern, geldgierigen Geschäftsleuten und Galeristen bringen sowohl der reale Fälscher Beltracchi als auch der fiktive Fälscher Wyatt ihre Werke an den Mann. Nur mit dem Unterschied, dass Beltracchi damit Millionen verdient und Wyatt leer ausgeht. Die Welt will betrogen werden, so das Resumee dieses Buches, und sie macht es den Fälschern dieser Welt sehr leicht.
Umso tiefer Wyatt in die Fälschungen verstrickt ist, umso mehr gerät er in einen Strudel einer multiplen Persönlichkeitsspaltung.

Wyatts Freund Otto muss sich mit einem Plagiatsvorwurf für sein Theaterstück auseinandersetzen.  Er notiert sich immer wieder vermeintlich kluge Sätze seiner Freunde und arbeitet sie in seinem Stück Wort für Wort ein, die von ihnen zwar erkannt aber nicht wiedererkannt werden. Die Gleichzeitigkeit einer Erkennung und einer unbestimmten Reflexion überfordert seine Freunde.

Desweiteren begegnen wir der drogensüchtigen Esme, dem Komponist und Muttersöhnchen Stanley, dem pädopilen Anselm, Max, Arne, Maud, Agnes Deigh, Mr Pivner, Hannah, Frank Sinisterra, und, und, und. Manche bleiben, manche sehen wir nie wieder.

Neben dem großangelegten Thema der Fälschung der (westlichen) Welt, geht es auch um diejenigen, die nicht mehr über ihr eigenes Leben bestimmen, sondern durch die neue Bohème New Yorks fremdbestimmt sind. Fast alle sind süchtig nach Drogen, Erfolg, Anerkennung, Macht. Die manchmal verbissene Monomanie, die obsessive Fixierung aufs Körperliche und die Misanthropie lösen oftmals eine Sprachwut und haarsträubende Predigten der Figuren aus.  Doch sind die Monologe und Dialoge fern von unstrukturiertem Geplapper. Durch die Dynamik der teils heftigen Wortwechsel, teils amüsanten Plaudereien erhält der Leser ein lebendigeres, dreidimensionaleres Bild der Figuren als durch eine schlichte Beschreibung. Nicht nur eine ausdrucksvolle Sprachmelodie, sondern auch ein ausgeprägter Sinn für Dramaturgie zwischen einer Ergriffenheit und einer friedlichen Stille zeigen einen raffiniert inszenierten Text.


Fazit
Das Buch ist eines der vielschichtigsten und schwierigsten Romane überhaupt. Es gleicht einem Marathon und nur der Trainierte wird mit diesem Wälzer ans Ziel gelangen. Dafür ist er am Ende ein Gewinner, denn dieser fast sechzig Jahre alte Roman ist aktueller denn je.


4 Sterne


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