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1856 im kleinen Eifeldorf Reetz wird die achtjährige Fine nach dem Tod der Eltern das Pflegekind der Schwarzen Marjann, die im Mittelalter noch als Hexe gegolten hätte.
In jenen Tagen erschüttert eine Reihe grausamer Morde das Dorf, denen ausnahmslos junge Frauen zum Opfer fallen.
Der schreckliche Tod der jungen Lisbeth, die man mit durchschnittener Kehle gefunden hat, berührt Fine sehr, und sie beginnt, neugierige Fragen zu stellen.
Zum Zeitpunkt von Lisbeths Tod verschwand Hannes, der Sohn der Schwarzen Marjann, von einem Tag auf den nächsten. Die Dorfbewohner glauben, dass er Lisbeths Mörder ist, doch Marjann beteuert, dass ihr Sohn auf der Suche nach einem besseren Leben nach Amerika ausgewandert sei, so wie es zu jener Zeit viele taten.
Verdächtigungen und Misstrauen breiten sich im Dorf aus. Der Landjäger hat seine Not damit, den Spuren des mordenden Unholds zu folgen.
Auch die wissbegierige Fine stellt zahlreiche Erkundigungen an, und erst als das nächste Mädchen einen schrecklichen Tod stirbt, beginnt sie zu ahnen, dass sie sich damit in große Gefahr begibt.
Nadja Quint hat einen atmosphärisch dichten Thriller geschrieben, der den Leser in eine längst vergangene Zeit mitnimmt, in der Armut und Entbehrung das Leben in der Eifel prägten.

 

Das Maedchengrab 

Autor: Nadja Quint
Verlag: kbv
Erschienen: März 2013
ISBN: 978-3942446815
Seitenzahl: 236 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die achtjährige Fine und ihr sechsjähriger Bruder Basti werden durch den Tod ihrer Eltern zu Waisen und Mündeln der Gemeinde, einem kleinen Dorf in der Eifel. Während Basti zu einem Bauernpaar kommt, wird Fine von der „schwarzen Marjann“ aufgenommen, die allein lebt, seit ihr Sohn Hannes 1851 nach Amerika ausgewandert ist. Genau zu dieser Zeit wurde die fünfzehnjährige Lisbeth ermordet und so lag für die Dorfbewohner der Verdacht nahe, dass Hannes etwas mit ihrem Tod zu tun hatte. 
Als Fine durch Zufall das Grab des Mädchens auf dem Friedhof entdeckt, will sie unbedingt mehr über diese Geschichte erfahren, und während der folgenden 7 Jahre stellt sie immer wieder neugierige Fragen. Als dann plötzlich 2 weitere Mädchen-Morde geschehen, geht ihr auf, dass sie selbst das nächste Opfer werden könnte.

Einerseits versteht es die Autorin durchaus, ihre Geschichte spannend zu erzählen, andererseits unterlaufen ihr dabei leider immer wieder recht grobe Fehler – siehe „Stil und Sprache“. Auch Fines Nachforschungen und Entdeckungen – auf die hier nicht direkt eingegangen werden soll, um die Lösung nicht zu verraten – sind teilweise schwer nachvollziehbar oder sogar unwahrscheinlich. Das Ganze ist zu wenig durchdacht, um tatsächlich glaubhaft und schlüssig zu sein.

Stil und Sprache
Nadja Quint schildert die Handlung aus Sicht von Josefine (Fine), die der Leser vom 8ten bis zum 15ten Lebensjahr begleitet. Mit viel Lokalkolorit beschreibt sie das harte Leben in einem kleinen Bauerndorf in der Eifel, Mitte des 19. Jahrhunderts, wo Armut und Hungersnot bereits viele Einwohner zum Auswandern nach Amerika veranlasst haben und die Übrigen sich auch mühen und plagen, den kargen Böden etwas abzugewinnen. Die Sprache liest sich leicht und flüssig und ist der damaligen Zeit angepasst, manchmal allerdings etwas zu romantisch-poetisch.

Die Dialoge zwischen den Geschwistern und auch zwischen Fine und den Erwachsenen muten aber zeitweise etwas seltsam an und zwar dort, wo es um die Ausdrucksweise der Kinder im Verhältnis zu ihrem Alter und Bildungsstand geht.
Dass der erst zehnjährige Basti zur Geschichte des ersten Mordes meint: (Zitat S. 55) „ … es muss ja gewichtige Gründe geben, dass alle im Dorf schweigen […] wenn die Polizei so lange gesucht und nichts gefunden hat, dann war es doch am ehesten ein Raubmord durch einen Fremden“ ist nur ein Beispiel dafür. Auch Fines Gedanken und Sprache wären eher einem mehrere Jahre älteren Mädchen angemessen. Bei der Fünfzehnjährigen würde manches ja noch angehen, aber Fine drückt sich schon als Achtjährige sehr „gewählt“ aus und das erscheint oft aufgesetzt und unglaubwürdig.

Des Weiteren sind der Autorin auch mehrere Logikfehler unterlaufen:
So heisst es z.B. auf Seite 14, Marjanns Mann wäre beim Überfall auf eine Postkutsche erschossen und ihr mit "geschwärztem Gesicht" nach Hause gebracht worden, nur ein paar Seiten später wird aber erzählt, dass er gehenkt und auf dem Schinderacker verscharrt wurde.
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass der Onkel aus Amerika so plötzlich auftaucht. Da die Kinder nicht einmal von seiner Existenz wussten, ist es unerklärlich, wie er überhaupt vom Tode ihrer Eltern erfahren hat. Zudem ist seine lange Reise im Jahre 1863 eher unwahrscheinlich, da sich Amerika mitten im Bürgerkrieg befand. Basti erzählt Fine, dass es (Zitat S. 147) „ … bis vor ein paar Jahren in Florida noch Sklaven gegeben hat […] jetzt sind sie zwar frei und man zahlt ihnen einen geringen Lohn " ... Die Sklaverei wurde aber erst 1865 aufgehoben.
Für die eigentliche Handlung spielen diese Episoden zwar keine wichtige Rolle, dem aufmerksamen Leser dürften sie jedoch negativ auffallen.

Der Kriminalfall tritt anfangs gegenüber der Beschreibung von Fines täglichem Leben etwas in den Hintergrund. Erst gegen Ende überschlagen sich mit zwei weiteren Morden die Ereignisse. Die Auflösung lässt allerdings zu wünschen übrig, da weder Täter noch Motiv wirklich befriedigen können, genauso wenig, wie die sehr „an den Haaren herbeigezogene“ Liebesgeschichte, die noch schnell auf den letzten Seiten untergebracht wurde.

 
Figuren
Wie schon erwähnt, macht die Hauptperson Fine einen sehr viel reiferen Eindruck, als man es nach den geschilderten Altersangaben erwarten würde. Warum Nadja Quint dem nicht von vornherein Rechnung getragen hat, ist nicht gut nachvollziehbar. Fines Gedanken und Gefühle, ihr Umgang mit ihrem Vormund und die Pläne und Ziele, die sie als Schulabgängerin hat und mit großer Selbstsicherheit vertritt, entsprechen einfach nicht einer – zu der Zeit – Zwölfjährigen, selbst wenn man berücksichtigt, dass sie Mitte des 19. Jahrhunderts in diesem Alter schon ihren Lebensunterhalt verdienen musste. Für ihren Bruder Basti – 2 Jahre jünger als sie – gilt in etwa das Gleiche.
Andererseits handelt Fine aber auch des Öfteren sehr naiv und unüberlegt, z.B. wenn sie trotz der Bedrohung durch einen umherstreifenden Mörder nachts allein durchs Dorf spaziert.

Die erwachsenen Akteure sind dagegen recht gut in ihrem jeweiligen Umfeld und ihrer Stellung geschildert.

 
Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuches zeigt einen Friedhof mit altertümlichen Grabkreuzen, die teilweise im Nebel verschwinden. Darüber reckt ein entlaubter Baum seine dürren Äste. Auf der dunklen Mauer im Vordergrund steht der Name der Autorin und der Titel. Das Ganze macht einen düster-bedrohlichen Eindruck und lässt eine spannende Handlung erhoffen.
Auf einen kurzen Prolog von 1851 folgen 20 – nicht numerierte, verschieden lange – Kapitel, deren Überschriften auf den jeweiligen Inhalt hinweisen.

Fazit
„Das Mädchengrab“ hätte eigentlich alles, was ein gutes Buch braucht – eine spannende Geschichte, schöne Sprache und interessante Figuren - aber es gibt einfach zu viele Ungereimtheiten, die nicht so recht ins Bild passen und den Gesamteindruck erheblich trüben. Hier wäre mehr möglich gewesen.


2 5 Sterne


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