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Rainer Wekwerth klein


Direkt im Anschluss an mein Interview mit Stefanie Taschinski habe ich auch Rainer Wekwerth einige Fragen zu seinem neuen Buch "Das Labyrinth erwacht" stellen können. Dieses überaus nette und witzige Gespräch gewährt einige interessante Einblicke in den Roman, das Leben als Autor und die Abgründe der Menschheit.

Hinweis: Das Interview enthält Spoiler zum Buch "Das Labyrinth erwacht"!


Hallo Rainer! Wie du zum Schreiben gekommen bist und über "Damian" hast du uns bereits 2010 in einem Interview einiges erzählt, weshalb ich mich in diesem Interview auf dein neuestes Werk "Das Labyrinth erwacht" konzentrieren möchte. Was erwartet den Leser? Was macht dieses Buch so besonders?

In erster Linie Spannung, aber es erwartet ihn auch menschliche Dramatik. Ich denke, das Thema gibt es einfach her: Sieben Jugendliche, die in einer fremden Umgebung aufwachen, keinerlei Erinnerungen mehr an ihr früheres Leben haben und dann gleich eine Nachricht finden, in der ihnen gesagt wird, dass sie sich in einer fremden Welt befinden, aus der sie nur entkommen können, wenn sie Tore erreichen. Dann ist schon mal der erste Schock, dass es nur sechs Tore gibt, die einen weiterführen, aber es sind sieben Jugendliche. Und so wird es auch in jeder weiteren Welt sein, die sie durchlaufen müssen (insgesamt werden es sechs Welten sein). Und das ist die Dramatik: Das Überleben wird immer auf Kosten eines anderen gehen. Da ist natürlich die spannende Frage: Wie verhält man sich im Angesicht seines eigenen möglichen Todes? Wird man zum Tier, das über Leichen geht, das keine Rücksicht kennt? Oder gewinnt die Menschlichkeit?
Man kann auch auf keine Erfahrungen zurück greifen. Es ist ja nur das vorhanden, was in der Persönlichkeit jetzt da ist. Und ich denke, das war vor allen Dingen für mich als Autor eine große Herausforderung, das zu erforschen. Diese sieben unterschiedlichen Charaktere, wie verhalten sich die? Die Dynamik, die sich daraus ergibt, war sehr spannend.


Wie kommt man darauf, sieben Jugendliche in eine doch sehr lebensfeindliche Welt zu stecken und ums Überleben kämpfen zu lassen?

Das hat eigentlich ganz simpel mit einer meiner Figuren begonnen, mit Jeb. Ich dachte mir, dass Jeb aufwacht – die Figur hatte ich einfach im Kopf – und in einer fremden Umgebung ist. Er weiß nicht mehr, wer er ist und wo er ist. Das hatten wir aber schon so oft und war mir auch zu wenig. Dann dachte ich, dass Jeb nicht alleine sein darf. Gruppendynamik kann nur entstehen, wenn mehrere Personen da sind, die auch unterschiedlich sind. Und dann wollte ich einfach den Druck erhöhen. Der Druck war: Es gibt nur sechs Tore, obwohl sie sieben sind, und das wird auch zukünftig immer so sein. Weiterer Druck: Sie haben nur 72 Stunden. Weiterer Druck: Sie erfahren, dass sie sich vor ihren eigenen Ängsten fürchten sollen. Weiterer Druck: Sie werden von unbekannten Wesen verfolgt.
Ich wollte halt eine ungemeine Drucksituation aufbauen – sowohl räumlich, aber auch innerlich und zeitlich – und dann sehen: Was ist die Wahrheit? Wie verhält sich wer?


Also quälst du deine Figuren schrecklich gerne?

(Im Hintergrund ist das Lachen von Stefanie Taschinski zu hören, die mit am Tisch sitzt und mir meine POPkörner-Bücher signiert.)

Nein, aber ich glaube, dass Figuren – wie Menschen – ein Schicksal haben. Es ist einfach so: eine Figur wird für den Autor so lebendig, dass sie wirklich in meinem Kopf existiert. Die ist für mich genauso wichtig wie Menschen, die ich kenne. Und es tut mir weh, ihnen weh zu tun. Aber ich muss es tun, es ist ihr Schicksal. Sie haben ihr Los, sie müssen ihr Schicksal erfüllen, und ganz ehrlich, klingt blöd: Ich bin traurig, wenn Figuren sterben. Das ist mein ernst! [lacht]


Die sieben Jugendlichen sind sehr individuell und dreidimensional ausgearbeitet. Wie versetzt du dich in so unterschiedliche Charaktere hinein?

Ich glaube, weil in jedem etwas von mir steckt. Ich bin so zuverlässig wie Jeb – so betrachten mich meine Freunde und meine Familie –, einfach ein ehrlicher, zuverlässiger Mensch. Ich bin aber auch ein bisschen wild und ungezähmt wie Leon. Natürlich habe ich auch negative Charaktereigenschaften, da kommt vielleicht Kathy zum Tragen. Mit Tian: So ein bisschen zurückhaltend, schüchtern. Mary: So ein bisschen das verschreckte Kind, das auch noch immer da ist. Und so sind alle Figuren auch ein Teil von mir und tragen Elemente von mir mit.

Und ich sage ja: Selbst wenn Figuren wie Kathy sterben, bin ich traurig. Es ist vielleicht blöd, aber es hätte anders kommen können, hätte sie andere Entscheidungen getroffen. Obwohl ich die ja eigentlich treffe. [lacht]


Weißt du immer, wie die einzelnen Figuren handeln werden, oder wurdest du beispielsweise von Kathys Kaltblütigkeit selbst überrascht?

Ich schreibe ein Konzept, bevor ich überhaupt mit der Roman-Arbeit beginne. Und gerade bei einer Trilogie ist ja ganz wichtig, worauf man hinaus will. Der Spannungsbogen muss ja nicht nur in den einzelnen Bänden stimmen, sondern über die ganze Trilogie hinaus. Ich weiß also, was passiert.
Mich überrascht die Extremität, mit der manche Figuren reagieren. Ich habe dann zwar schon vor, dass Kathy sich wie ein Biest benimmt, aber dass sie manchmal ... Meine Lektorin hat das wunderbar ausgedrückt: "Kathy ist eine richtige Bitch!". [lacht] So war sie eigentlich nicht geplant – sie sollte hart rüberkommen –, aber so hat sie sich einfach entwickelt. Und das heißt nicht, dass ich meinen Stoff nicht unter Kontrolle habe, aber das ist auch das, wo die Figuren praktisch dann das Ruder in die Hand nehmen und ein Stück weit alleine gehen.


Fällt es dir leichter, dich in jemand sympathischen wie Jeb hineinzuversetzen oder macht es dir mehr Spaß, dann doch ein bisschen fies und gemein zu sein wie Kathy?

Die Bösen machen mir mehr Spaß. Ich liebe zum Beispiel Leon. Leon ist einfach wild, unangepasst und wir alle wären doch gerne in bisschen wild und unangepasst. Er macht, was er will, er sagt das auch ganz klar: "Wenn ihr nicht schnell genug seid, bleibt ihr zurück. Ich kümmere mich um keine von euch."
Und unsere Erziehung gibt uns vor: Wir bringen alte Damen über die Straße, wenn was runter fällt, heben wir es auf, wir öffnen Frauen die Tür ... Und wir mögen Menschen, die unangepasst sind. Und da ist man als Autor natürlich auch viel freier. Jeb handelt ja innerhalb moralischer Grenzen, die einfach in ihm drin sind, und das ist nicht so aufregend wie eine Kathy oder ein Leon.


Obwohl Leon eine unheimliche Wandlung durchmacht. Von "Ihr seid mir alle egal" nimmt er sich mit der Zeit ja doch einer sehr schwachen Figur an. War das auch so geplant?

Ne, eigentlich nicht. Ich wollte Leon eigentlich viel länger viel härter agieren lassen. Ich wollte schon, dass er sich später ein wenig ins Team einfügt, weil auch er erkennen muss, dass er auf die anderen angewiesen ist, aber irgendwie hat Leon Zuneigung zu Mary gefasst. Am Anfang war es, weil Jeb gesagt hat, dass er auf sie aufpassen soll, und dann ist da einfach mehr draus geworden. Ich glaube, weil sie auch der komplette Gegensatz zu seiner Welt ist, aus der er stammt. Er kann sich das nicht eingestehen, aber ich glaube ... Ja, schauen wir mal ... [lacht] Da bahnt sich was an.


Eine Frage, die du dir beim Schreiben des Buches wahrscheinlich selbst durch den Kopf gegangen ist, lautet: Würdest du – wenn du durch eines der Portale gehen müsstest, um aus einer grausamen Welt herauszukommen  den anderen den Vortritt lassen oder wie weit würdest du gehen, um selbst zu überleben?

Das ist natürlich die Frage, die ich mir als Autor auch stelle oder die sich auch jeder Leser stellen muss. Was würdest du in der gleichen Situation tun? Ganz ehrlich? Ich hoffe, dass ich wie Jeb wäre und von meiner Veranlagung bin ich so – einfach hilfsbereit und zuverlässig –, aber wenn es dann ums eigene Leben geht, ist es dann doch wieder anders, oder? Vielleicht erwacht dann der reine, blanke Überlebenswille. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich auf Kosten anderer retten würde, aber vielleicht wäre ich auch nicht ganz unfroh, wenn es jemand anderes erwischt und ich dadurch eine Chance habe. Aber ich hoffe natürlich, ich wäre wie Jeb.


Der zweite Band der Trilogie ist bereits für diesen Sommer angekündigt. Liegt das Manuskript schon fertig beim Verlag oder hängt dir deine Lektorin noch im Nacken?

Ist schon geschrieben, ist jetzt gerade im Lektorat – wird zweimal lektoriert, das heißt, wie gehen alles nochmal durch, versuchen es noch dichter, noch spannender zu machen – und ich glaube auch, dass Band 2 noch mal mehr an Dramatik gewinnt. Das liegt auch daran, weil es jetzt auch den wirklich interessanten Figuren an den Kragen geht.


Du hast vorhin schon gesagt, dass es insgesamt sechs Welten sind, durch die die Jugendlichen gehen müssen. Im ersten Buch wurden zwei Welten behandelt und ich vermute, dass es so weitergeht, also jedem Buch der Trilogie zwei Welten des Labyrinths vorbehalten sind. Weißt du, was die Jugendlichen noch alles erwarten wird?

Ja, und zwar ganz ungewöhnliche Welten. Ich behaupte zum Beispiel, dass niemand auch nur im Ansatz erraten kann, wie die erste Welt im dritten Buch ist. Oder die vierte Welt. Es soll ja auch keine Wiederholung sein, ich will ja nicht immer das gleiche Schema ablaufen lassen. Sondern es muss jedes Mal eine andere, neue, aber größere Herausforderung sein. Nur so bleibt das Lesevergnügen erhalten. Sonst hätte ich ja mein ganzes Pulver schon in Band 1 verschossen und das kann ja nicht sein und soll auch nicht sein.


Das heißt, du weißt auch schon, welche Gefahren alle auf die Jugendlichen warten?

Ich weiß auch, wer am Schluss überlegt. Selbst meiner Tochter habe ich es nicht verraten, die mich Tag und Nacht bearbeitet. [lacht]


Wann können wir den dritten Band in den Händen halten?

Der dritte Band erscheint im Juli 2014. Dann wird sich das alles aufklären. Es ist kein Spiel, dahinter steckt kein Computerspiel. Ich denke, dass die Auflösung überraschend sein wird.


Gleich liest du auf der Leseinseln Fantasy aus "Das Labyrinth erwacht". Wie wichtig ist dir dieser direkte Kontakt mit deinen Lesern?

Wie schon die Stefanie Taschinski gesagt hat: Sehr wichtig. Lesungen sind die einzige Möglichkeit, mit den Lesern direkt in Kontakt zu kommen und auch mal die Reaktion zu bekommen, wie sie auf bestimmte Textstellen reagieren. Ich stelle manchmal zum Beispiel fest, dass ich denke, eine Textstelle ist knapp geschrieben, aber wenn ich es lese, ist es doch ein bisschen langatmig und ich überspringe Sätze. Das merke ich mir natürlich dann, wenn ich zukünftige Bücher schreibe. Aber es ist wichtig, die Reaktion – gerade bei Kindern und Jugendlichen, die sind ziemlich ungnädig; Erwachsene setzen sich hin und lassen das über sich ergehen, aber Kinder und Jugendliche sind ungnädig, die zeigen das sofort mit Gestik, Mimik, ob es ihnen gefällt oder nicht. Daraus kannst du viele Rückschlüsse ziehen. Die fangen dann an rumzurutschen, holen ihr Handy raus oder machen sonst was.
Andere Kontakte haben wir ja nicht. Wir hocken das ganze Jahr in einem kleinen Zimmer vor dem Computer und das sind die Leute, von denen wir Leben. Wir müssen wissen, was die wollen und was die denken.


Dann hoffe ich, dass gleich keiner rumrutscht oder am Handy spielt und wünsche dir viel Spaß bei der Lesung! Und: Danke für das Interview.

Ich danke dir!

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