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Leipziger Buchmesse setzt Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus in den Fokus

„tranzyt. kilometer 2013: Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus“: So lautet der Titel des internationalen Programmschwerpunktes auf der Leipziger Buchmesse im März. Im zweiten Jahr werden erneut Autoren aus der Region Ostmitteleuropa einem literaturinteressierten Publikum vorgestellt. In rund 20 Lesungen und Veranstaltungen an vier Messetagen präsentieren sich 24 Autoren.

„Unser Ziel ist es, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass es in Polen, der Ukraine und in Belarus großartige Literaturen gibt, wunderbare Autoren und Bücher, die übersetzt und natürlich vor allem gelesen werden sollten“, erklärt Martin Pollack, Kurator des Programmschwerpunktes. „Bisher sind gerade die Literaturwelten der Ukraine und Belarus ein weißer Fleck im deutschen Sprachraum, eine große Unbekannte in Bezug auf Kultur und Literatur. Umso wichtiger ist es, den Programmschwerpunkt kontinuierlich fortzusetzen.“

Von allen Übersetzungen, die jährlich auf dem deutschen Buchmarkt erscheinen, belegen die Titel aus dem angelsächsischen Raum mit einem Anteil von 70 bis 75 Prozent seit Jahren den ersten Platz, gefolgt vom französischen und italienischen. Der russische Sprachraum liegt mit zwei Prozent vor allen anderen osteuropäischen Sprachen. Der Marktanteil der Bücher aus den polnischen und ungarischen Literaturen liegt bei unter einem Prozent.   

Identität, Feminismus, Zensur: tranzyt mit anregenden Themen

Auf der Leipziger Buchmesse werden die zum Teil noch unbekannten Literaturen zum zweiten Mal in Folge vorgestellt. Zu den Themen, die in Autorengesprächen, Lesungen und Diskussionsrunden vorgestellt werden, gehören „Auf der Suche nach der Identität“, „Feministische Offensive – oder Defensive?“ und „Die vielen Gesichter der Zensur“.

  • „Auf der Suche nach der Identität“ - Was macht die Identität eines Landes, eines Volkes aus? Die Kultur? Die Religion? Die Literatur? Die Sprache? Wird die Identi-tät durch die Abgrenzung von den Nachbarn definiert, die oft Bewohner desselben Landes sind? Gehören die Ukraine und Belarus, ebenso wie Polen, historisch und kulturell zu Ostmitteleuropa? Oder sind sie als Teile des russischen Kulturbereiches zu betrachten? Naturgemäß spielen Autoren und ihre Werke in diesem Diskurs eine wichtige Rolle. Zwei Stimmen in dieser Diskussion sind der belarussische Phi-losoph und Autor Valancin Akudovic und der ukrainische Schriftsteller und Kulturkritiker Mykola Rjabtschuk, auch im Westen für seine brillanten Analysen des Geschehens in der Ukraine bekannt.

  • „Feministische Offensive – oder Defensive?“ Frauen spielten und spielen eine wichtige Rolle in den Literaturen Polens, der Ukraine und Belarus‘, als Autorinnen, aber auch als Thema. Gibt es Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Frauenliteratur in den drei Ländern? Oder überwiegen die Unterschiede? Gibt es länderübergrei-fende Projekte? Mit welchen Reaktionen müssen Autorinnen rechnen, die typische Frauenthemen wählen und das Patriarchat kritisieren? Immer öfter sind Frauen die führenden Kräfte bei Protesten, wie die ukrainische Gruppe FEMEN beweist (oder Pussy Riot in Russland). Gibt es in Polen und Belarus ähnliche Protestbewegun-gen? Wie schlagen sich diese Erscheinungen in der Literatur nieder? An der Dis-kussion nehmen die polnische Autorin Olga Tokarczuk (2002 Auszeichnung mit dem Brücke Berlin-Preis, 2008 gemeinsam mit Ingo Schulze Auszeichnung mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis) sowie die ukrainische Schriftstellerin, Journalis-tin und Übersetzerin Natalka Sniadanko teil.

  • „Die vielen Gesichter der Zensur“ ist der dritte Schwerpunkt im Rahmen von tranzyt. kilometer 2013. „Einschränkungen der schöpferischen Freiheit durch Druck von außen gehören für Autoren und Künstler in autoritären Staaten wie Be-larus und zunehmend auch in der Ukraine zum Alltag. Auch in Ländern wie Polen müssen Schriftsteller mit Interventionen von außen rechnen, wenn auch seltener und weniger offen. Die Formen dieser Einflussnahme sind vielfältig. Aber mindes-tens ebenso kreativ sind die Antworten, die Künstler auf diese Herausforderungen finden“, erklärt Martin Pollack. Auf der Leipziger Buchmesse wird darüber disku-tiert, mit welchen Formen der Zensur und Beeinflussung Autoren und Künstler in Belarus, der Ukraine und vielleicht auch in Polen zu kämpfen haben. Welche Stra-tegien entwickeln Künstler gegen die neuen Formen der Zensur? Wie schaffen sie es, sich diesem Druck zu entziehen? Welche Rolle spielt dabei das Internet? Wie weit kann Polen den beiden östlichen Nachbarn intellektuelle Freiräume anbieten? Welche Bedeutung kommt der Selbstzensur zu? Diese Fragen werden von der deutsch-polnischen Kuratorin und Autorin Anda Rottenberg, der ukrainischen Au-torin und Übersetzerin Kateryna Mishchenko und dem belarussischen Journalisten Viktar Marcinovic beantwortet.

An vier Messetagen erleben die Besucher im Forum OstSüdOst in der Messehalle 4 ein spannendes Programm. Weitere Autoren sind Ostap Slyvynsky (Ukraine) und Artur Klinau (Belarus). Lyrisch und musikalisch zugleich wird es am Messesamstag ab 21 Uhr auf der Hinterbühne des Centraltheaters. Es treten die Poetry-Slammer Bas Böttcher und Bohdan Piasecki (Polen) auf sowie die Lyrikerin Valzhyna Mort (Belarus) und der Dichter Serhij Zhadan (Ukraine). Musikalisch umrahmt wird der Abend von der ukrainischen Ska- und Punk-Rock-Band Perkalaba.

„Das Programm ist kulturell und politisch äußerst spannend, nicht nur für Literaturliebha-ber, sondern auch für deutsche Verleger, Buchhändler und Übersetzer“, erklärt Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse. „Was im vergangenen Jahr erfolgreich begann, wird nun fortgesetzt. Langfristig soll auf dem deutschen Büchermarkt mehr und mehr Literatur aus den drei Ländern zu entdecken sein“, ergänzt Zille.


Über Martin Pollack

Martin Pollack ist Autor, Übersetzer und Träger des Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2011. Der Österreicher beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den literari-schen Landschaften in Mittel- und Osteuropa. Er berichtete als Korrespondent des Spie-gels aus Warschau, schrieb zahlreiche Essays und greift immer wieder die jüngste euro-päische Geschichte in seinen Romanen auf. Zudem übersetzt er aus dem Polnischen und vermittelt zwischen Autoren und deutschen Verlagen.

tranzyt ist ein Projekt der Leipziger Buchmesse, der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Rinat Ahmetov Stiftung „Rozvytok Ukrajiny“, der Allianz Kulturstiftung, dem Lemberger Verlegerforum und dem Polnischen Buchinstitut Krakau und dem Goethe-Institut Minsk. Koordiniert wird das Programm von der Kulturmanagerin Kateryna Stetsevych.

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