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Kategorie: Interviews mit Illustratoren

Axel Scheffler 2


Der Kinderbuch-Illustrator Axel Scheffler begeistert seine kleinen wie großen Fans schon seit Jahrzehnten mit seinen liebevoll zu Papier gebrachten Zeichnungen. Besonders durch den "Grüffelo" ist er - gemeinsam mit der Autorin Julia Donaldson - vielen ein Begriff. Seit 1986 lebt und arbeitet er in London. Auf der Frankfurter Buchmesse hat er der Leser-Welt einige Fragen zu seiner Arbeit, seinen Lieblingsfiguren und einigem mehr beantwortet.


Hallo Herr Scheffler. In einem Gespräch mit der FAZ haben Sie gesagt, dass Sie "weder Illustrator geworden sind, um reich noch um berühmt zu werden." Warum dann?

Weil ich gerne Kinderbücher zeichne.


Es ist bestimmt ein unglaubliches Gefühl zu wissen, dass unzählige Kinder abends mit den von Ihnen illustrierten Büchern ins Bett gehen bzw. gebracht werden. Was bedeutet Ihnen dieses Wissen?

Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Ich werde leicht schwindelig, wenn ich mir vorstelle, wie viele Kinder in Großbritannien oder Deutschland abends den Grüffelo lesen. Insofern denke ich die meisten Tage nicht darüber nach.


Sie arbeiten mit verschiedenen Kinderbuchautoren zusammen, insbesondere jedoch mit Julia Donaldson, deren eingängige Reime und leise Moral Sie schätzen. Wie ist es zu dieser - wie ich finde grandiosen - Zusammenarbeit gekommen?

Ein Verlag hat uns zusammengebracht. Julia hat einen Text geschrieben, ursprünglich als Lied für die BBC, "My house is a squash and a squeeze", und irgendjemand hatte ihr vorgeschlagen daraus ein Buch zu machen. Sie ist zu einem Verlag gegangen und dann wurde ein Illustrator gesucht und der Verlag hat uns zusammen gebracht.


Die Zusammenarbeit hält ja jetzt schon viele Jahre an. Sie zeigen in Ihren Bildern, was Julia Donaldson in Ihren Texten meint, vielleicht auch ein bisschen mehr. Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Illustrator und Autor?

Wir arbeiten jetzt seit 20 Jahren zusammen. Es ist aber nicht so, wie viele Leute sich das vorstellen, dass wir uns die Geschichten zusammen ausdenken, sondern Julia denkt sich den Text aus, schreibt ihn, schickt ihn an den Verlag und der Verlag schickt ihn weiter an mich. Wir haben während der Arbeit eigentlich keinen direkten Kontakt. Alles wird über die Lektorin gefiltert.


Schränkt es Sie denn auch teilweise ein, dass Sie Ihre Illustrationen den Texten des Autors anpassen müssen? Oder sind Sie vielmehr froh über den gesteckten Rahmen?

Da ich selber keine Geschichten schreiben kann, bin ich froh, dass ich jemanden habe - eine geniale Schriftstellerin wie Julia Donaldson. Ihre Geschichten sind bisher immer so verschieden, dass ich mich nicht langweilen und beklagen kann, dass es irgendwie immer dasselbe ist. Ich bin sehr glücklich, mit ihr zusammen zu arbeiten.


Ist es Ihnen schon passiert, dass Sie zu einem Kinderbuch, das Sie illustrieren sollten, gar keine Ideen hatten, wie Sie das umsetzen sollen?

Ich habe schon Texte abgelehnt, die mich nicht inspiriert haben oder wo ich keine Lust hatte. Aber eigentlich fallen mir Bilder in der Regel ein und ich habe ja auch die Chance, nein zu sagen, wenn das nicht der Fall ist. Wenn ich ja gesagt habe, weiß ich auch ungefähr, was ich zu zeichnen habe.


Sie gehen bei der Ausgestaltung Ihrer Arbeiten auf die Wahrnehmung der Zielgruppe – in erster Linie Kinder – ein. Fällt es Ihnen manchmal auch schwer, sich in Kinder hinein zu versetzen?

Ich denke eigentlich während der Arbeit - wie die meisten Illustratoren - nicht sehr viel über die Zielgruppe nach, sondern mach die Bilder so, wie sie mir in den Kopf kommen. Es gibt dieses Klischee vom "Kind bleiben", vielleicht ist da was dran. Aber es ist eben, wie ich mir die Geschichten dann vorstelle. Ich weiß natürlich, dass ich an einem Kinderbuch arbeite und es ist mein Job, insofern ist die Zielgruppe präsent. Aber es ist nicht so, dass ich jeden Tag oder bei jedem Bild denke, "wie mache ich das jetzt, dass es Kindern gefällt?".


Sie nehmen kindliche Vorlieben - auch wenn sie nicht explizit darüber nachdenken - ernst, räumen liebevollen Details Platz ein in Ihren Bildern und laden Kinder damit zum Suchen und Entdecken ein. Haben Sie sich den neugierigen Blick eines Kindes bewahren können?

Vielleicht ist da was dran, ja. Ich weiß, dass Kinder sich gerne Details angucken und kleine Sachen entdecken.


Und woher wissen Sie, worüber Kinder lachen können?

Ich habe eine fünfjährige Tochter [lacht] Aber die ist jetzt natürlich noch nicht so lange da in meinem Leben. Ich weiß nicht genau, worüber Kinder lachen können. Auch wenn ich mir damit vielleicht widerspreche.


Wenn man mehrere Ihrer Werke kennt, kann man kleine Details aus dem einem Buch in einem anderen wieder erkennen. So ist auf der Satteldecke des Ritterpferds in „Zogg“ der Grüffelo als Wappen zu sehen. Was reizt Sie an diesen Spielereien?

Ich habe es nicht erfunden, dass es solche kleinen Verweise auf andere Bücher gibt, das haben andere Illustratoren auch schon gemacht. Ich habe irgendwann mal damit angefangen - aber, wie gesagt, so originell ist die Idee nicht -, und jetzt ist es so, dass es zu einem Spiel geworden ist und dass die Kinder und Erwachsenen auch fragen und nach dem Grüffelo suchen. Insofern werde ich wahrscheinlich damit weiter machen müssen.


Haben Sie eigentlich eine Lieblingsfigur unter den von Ihnen Geschaffenen?

Hm, gute Frage. Ich mag eigentlich die etwas skurrileren Figuren, wie zum Beispiel "Räuber Ratte" oder "Stockmann" lieber als die mehr realistischen. Ich mag die Märchenfiguren lieber als die, die näher an der Realität dran sind.


Kürzlich ist "Superwurm" von Julia Donaldson und Ihnen erschienen. Das ist ja auch mal wieder eine ganz neue Idee, einen Wurm zum Superhelden zu machen. Können Sie uns kurz erzählen, worum es in dem Buch geht?

Der Superwurm hat jede Menge Super-Eigenschaften und ist sehr hilfreich, wenn andere Gartenbewohner in Not sind oder ihnen nicht einfällt, was sie gerade spielen sollen. Dann ist Superwurm immer zur Stelle. Eines Tages wird Superwurm von zwei Bösewichtern, einer Eidechse und einer Krähe - im Deutschen ist es des Reimes Willen, glaube ich, ein Rabe -entführt. Ja, und mehr kann ich eigentlich nicht verraten. Das ist das Drama: Er wird gekidnappt - oder gewurmnappt -, doch da die meisten Bilderbücher gut ausgehen, braucht man sich nicht so viele Sorgen um den Superwurm zu machen.


Wie lange haben Sie an dem "Superwurm "gearbeitet, bis diese zu Ihrer Zufriedenheit die Worte Julia Donaldsons visualisiert haben?

Den habe ich, glaube ich, in Rekordzeit von vier oder fünf Wochen illustriert, Anfang dieses Jahres.


Und wie gehen Sie bei der Ausarbeitung Ihrer Bilder vor? Mit welchen Materialen arbeiten Sie?

Ich mache zunächst ganz kleine Skizzen mit Bleistift oder Filzstift und dann planen wir - wenn ich "wir" sage, meine ich das Team von Lektorin, Designerin und mir - ungefähr das Design des Buches, damit wir wissen, wo die Bilder hinkommen, und wir bestimmen, wo kleine und große Bilder hinkommen. Dann erstellen die für mich einen Dummy, indem sie die Bilder vergrößern, sodass ich weiß, wie viel Platz ich habe, um die Zeichnung zu machen.
Danach mache ich die Bleistiftzeichnung nochmal groß, die Skizzen immer detaillierter, dann packe ich die auf meinen Leuchttisch und paus sie durch auf Aquarellpapier. Das mache ich wieder mit Bleistift, dann ziehe ich mit der Feder die schwarzen Striche und male das Ganze mit Wasserfarben und Buntstiften an. Also ganz konventionell, ich benutze keinen Computer. Alles Handarbeit.


Ihr Zeichenstil ist unverkennbar - die Art der Ausarbeitung, die Mimik der Tiere und Menschen, die Leuchtkraft der Farben. Würden Sie dennoch manchmal gerne auch mit einem anderen Stil experimentieren?

Ja, würde ich gerne, aber mir fehlt die Zeit und die Muße, dann auch mal was neues auszuprobieren. Und die Verlage möchten natürlich auch das haben, was sich sehr gut verkauft in England und überall sonst. Die möchten mehr von dem gleichen. Ich hätte die Chance, wenn ich es wirklich wollte, auch was anderes auszuprobieren. Aber es fehlt die Zeit zum Experimentieren.


Arbeiten Sie derzeit schon an einem neuen Kinderbuch?

Ich arbeite im Moment an einem Geschichtenbuch für meinen deutschen Verlag und dann arbeite ich an dem nächsten "Pip and Posy"-Buch - das sind eine kleine Maus und ein kleines Kaninchen - für einen englischen Verlag, aber die erscheinen in Deutschland ja auch. Und dann mache ich jetzt Schwarz-Weiß-Zeichnungen für Geschichten von Philip Ardagh auch für ältere Kinder, die werden nächstes Jahr in Deutschland dann auch bei BELTZ & Gelberg erscheinen.

Axel Scheffler
Und was lesen Sie selbst gerne?

Oh, alles Mögliche. Eigentlich weniger Belletristik, aber viele Sachbücher, verschiedene Zeitungen und Publikationen, aber es fehlt mehr und mehr die Zeit, wirklich zu lesen. Im Urlaub oder auf irgendwelchen Bahnreisen ist immer die beste Gelegenheit.


Herr Scheffler, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Interview und wünsche Ihnen noch viel Spaß auf der Frankfurter Buchmesse!

Vielen Dank!