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Rick, achtzehn, Ostdeutscher, arbeitslos, leidenschaftlicher Comiczeichner, hat keine hochfliegenden Träume: nur eine Lehrstelle als Gärtner und ein nettes Mädchen. Doch in dem verlorenen Kaff Storlitz bei Berlin kommt das einem Sechser im Lotto gleich. Auf einmal fällt Rick dieser Sechser in den Schoß. Und er merkt zu spät, dass er an höchst dubiose Bedingungen geknüpft ist. Ein Nazimitläufer wider Willen – der Stoff, aus dem ein deutscher Held ist? Wie viel Gewalt erlaubt die Notwehr? Und wie schmutzig darf man sich die Hände machen beim Griff nach dem Glück?

 

Cherryman jagt Mr White 

Autor: Jakob Arjouni
Verlag: Diogenes
Erschienen: Juni 2012
ISBN: 9783257241679
Seitenzahl: 167 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Rick schreibt in seiner Gefängniszelle auf Bitten des Kriminalpsychologen, Dr. Layton, seine Beweggründe und Gedanken zu seiner Tat auf, weswegen er nun in Untersuchungshaft sitzt. Es sind sehr offene, teilweise recht kindlich wirkende Briefe, in denen Rick seine Kindheit und Jugend in Storlitz beschreibt. Er ist sehr naturverbunden, liebt die Tiere und hat auch Respekt vor seiner Tante Bambusch, die ihn großzieht, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall kurz nach der Wende ums Leben gekommen sind. Er beschreibt, wie vier Jungs aus seinem Dorf ihn immer wieder drangsalieren. Er wird immer mehr in die Enge getrieben. Die Jungs lauern ihm auf, erpressen ihn, im Grunde von Kindergartentagen an. Sie sorgen dafür, dass sein geliebter Kirschbaum im Garten eingeht, schleudern seine kleine Katze gegen die Wand, als er nicht pünktlich seine „Beiträge“ für sie zahlt, bedrohen seine Tante. Rick hingegen versucht ihnen auszuweichen, schafft sich seine Comic-Helden. Und genau diese vier haben dann plötzlich etwas ganz Besonderes für ihn: Nach einem Jahr Warten stellen sie ihm eine Lehrstelle bei einer Gärtnerei in Berlin in Aussicht. Die einzige Bedingung, die daran geknüpft ist, ist, dass er ihrem Anführer, Pascal, und dessen „Heimatschutz“ zu Diensten ist. Wie weit er für diesen Deal gehen muss und wohin ihn am Ende das Ganze treibt, ist Inhalt des Buches und wird sehr beeindruckend vom Autor wiedergegeben.


Stil und Sprache

Der Autor wählt eine ungewöhnliche Erzählperspektive. Er lässt seine Hauptfigur, den 18-jährigen Rick, ausschließlich in Briefen zu Wort kommen, verfasst im Gefängnis, auf seine Verurteilung wartend. Der Leser erahnt schnell, was hinter dem Ganzen stecken könnte, und doch ist es faszinierend, den Ausführungen des Jungen zu folgen, seinen teilweise noch recht kindlichen Ansichten und dann auch wieder seinen reflektierten Gedanken, Schlüssen und Entscheidungen. Der Autor schreibt sensibel, glaubwürdig in der Sprache des Jungen. Es wirkt auf den Leser sehr authentisch. Die Gedanken des Jungen stehen im Vordergrund, aber auch die beschriebenen Situationen fesseln. Man fühlt sich Rick sehr verbunden, auch wenn man seinen Gedankengängen nicht immer Verständnis entgegenbringen kann und man sich schon fragt, wie es soweit kommen konnte. Schön beschrieben sind seine inneren Zwänge, seine Unschlüssigkeit zu handeln, dann aber auch wieder seine fast romantische Beziehung zur Welt, seine Liebe zu Marilyn, sein freundschaftliches Handeln dem kleinen 2-jährigen Ninu gegenüber. Es sind zwei Welten, die da frontal aufeinander prallen und die der Autor sehr schön in bildhafter Sprache vermittelt, hier und da auch deutlich überzogen.


Figuren

Im Zentrum steht Rick, der durch die Ich-Perspektive in seinen Briefen sehr deutlich dem Leser vor Augen geführt wird. Er steht im Mittelpunkt, wird sowohl als Täter wie als Opfer beschrieben und erweckt in beide Richtungen auch sehr starke Emotionen. Er ist eine Figur, die wirklich zum Diskutieren einlädt, die viel Widersprüchliches auch aufzeigt und die ganze Geschichte damit füllt.

Die vier Jungs der rechtsradikalen Clique werden doch sehr stereotyp beschrieben: arbeitslos, herumgammelnd, betrunken, ohne Ziele, leicht von rechtsradikalem Gedankengut zu begeistern und für alles zu haben, gewalttätig, ohne Skrupel, aber auch orientierungslos, unzufrieden mit sich selbst. Einer der Vier ist geistig zurückgeblieben; sie haben auch voreinander keinen Respekt.
Auf der anderen Seite lernt Rick Marilyn kennen, verliebt sich in sie. Sie planen sogar eine gemeinsame Zukunft. Im Park treffen sie sich und beschäftigen sich zusammen auch mit den kleinen Ninu, der sie gleich ins Herz schließt und immerzu auf sei wartet.

Die Figuren wirken schablonenhaft, sind leicht zu durchschauen und sicherlich auch überzeichnet. Dennoch - oder vielleicht auch gerade deshalb - ist es so faszinierend, diese Geschichte zu verfolgen.


Aufmachung des Buches
Es ist ein kleines Taschenbuch mit insgesamt 167 Seiten, aufgeteilt in kleine Kapitel, jeweils einen Brief umfassend. Das Cover zeigt das grüne und rote Ampelmännchen aus Ost-Zeiten, das mich auch auf dieses Buch neugierig gemacht hat.


Fazit
Es ist ein Roman, den es zu lesen lohnt. Er ist vor allem Jugendlichen zu empfehlen, wirklich auch „eine ideale Schullektüre“, wie es auf der Rückseite des Buches vermerkt ist. Der Stoff regt zum Nachdenken und auch Diskutieren an, wirkt dabei aber keinesfalls belehrend, sondern in seiner besonderen Art des Erzählens bewegend und faszinierend.


4 5 Sterne


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