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Angenommen, wir wollten etwas beweisen, etwas Wichtiges.
Angenommen, wir wollten beweisen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt ...

Zwei Leben. Zwei Jahrhunderte. Und eine Vergangenheit, die nicht ruht.

Als Rebecca für die Sommerferien in den stillen Küstenort Winterfold kommt, setzt sie Ereignisse in Gang, die aufwühlender sind als alles, was sie je gewagt hat zu denken.

 

Weisse Kraehe 

Originaltitel: White Crow
Autor: Marcus Sedgwick
Übersetzer: Renate Weitbrecht
Verlag: dtv
Erschienen: Februar 2012
ISBN: 978-3-423-24884-6
Seitenzahl: 279 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Eine falsche Entscheidung, die John Case im Rahmen seines Dienstes als Kriminalinspektor trifft, zwingt zur Flucht, um in den nächsten sechs Wochen an Englands Küste Ruhe und Frieden zu finden. Als Rebecca mit ihrem Vater aus Greenwich nach Winterfold kommt, hält sich ihre Begeisterung in Grenzen. Einst eine florierende Hafenstadt mit mehreren Tausend Einwohnern, ist inzwischen zu einem Dreieck aus drei Straßen geschrumpft. Was nicht das Meer verschlungen hat, ist von der Sechzehnjährigen schnell erkundet. An einer beschaulichen Lichtung mit sagenhaftem Ausblick lernt der Teenager die ebenfalls sechzehnjährige Ferelith kennen. Die Fremde wirkt unergründlich, sonderbar, scheint gar von einer Aura des Unbehaglichen umgeben. Während sich Rebecca, Kilometer von ihren heimischen Freunden entfernt, einsam fühlt und auch ihren Vater gerade einmal zu den Mahlzeiten antrifft, freunden sich die Mädchen an. Ferelith berichtet von der Geschichte Winterfolds, erzählt vom Hunger des Meeres und unheimlichen Begebenheiten. Darüber hinaus weckt sie Entdeckerlust und verführt zu Mutproben. Aus Spaß wird Ernst! Die Unternehmungen werden riskanter, verlangen Rebecca viel Vertrauen ab, das schlussendlich enttäuscht wird. Auf den Spuren der Vergangenheit wiederholen sich die Ereignisse, die Gefahr hat ungeahnte Folgen …

Wahre Vorfälle bilden den Hintergrund einer aufregenden und bewegenden Geschichte. Marcus Sedgwick erzählt sie abseits ausgetretener Pfade und fesselt nicht zuletzt durch seine unkonventionelle Herangehensweise ans Geschehen. Eine interessante Idee in gelungener Umsetzung!


Stil und Sprache
Der bekannte Jugendbuchautor Marcus Sedgwick legt mit „Weiße Krähe“ einen Gothic Thriller vor, der ungewöhnliche Wege einschlägt. Eingebettet in die Fragestellung nach Gottes Existenz, bewegen sich einundneunzig Kapitel zwischen Gut und Böse, Engel und Teufel. Inspiration schöpfte der Verfasser dieser atmosphärischen Geschichte aus Überlieferungen um die rückläufige Entwicklung des Küstenstädtchens Dunwich in der Grafschaft Suffolk, den Erkenntnissen eines Experiments des Wissenschaftlers Dr. Beaurieux und schließlich einem Zitat des Psychologen und Philosophen William James. Gibt es ein Leben nach dem Tod? In drei ineinanderlaufenden Handlungssträngen spiegeln sich die Möglichkeiten wider. In dritter Person Singular verfolgt Marcus Sedgwick Gedanken und Taten der Figur Rebecca, überschrieben sind diese mit Angaben zu Wochentag und Datum, jedoch ohne Jahreszahl. Aus erster Person Singular erlebt der Leser die Vorkommnisse aus der Perspektive der gleichaltrigen Ferelith, gekennzeichnet durch englischsprachige Überschriften. Ergänzt wird die dargestellte Gegenwart mit Tagebucheinträgen eines Geistlichen aus der Vergangenheit, geschrieben im Jahre 1798.

Was harmlos beginnt, gewinnt durch Details zu Schauplätzen und Personen schnell an unheimlicher Atmosphäre. Viele Andeutungen und Hinweise entwickeln einen gespenstischen Sog, hinter die Kulissen blicken zu wollen. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz und im flüssigen Schreibstil in einfacher Sprache gehalten. Zusammen mit dem regelmäßigen Wechsel der Perspektive gewinnt das Geschehen rasch an Tempo, bis die Gesamthandlung schließlich in einem erschreckenden wie auch melancholischen Showdown eskaliert. Ein Plot, der es in sich hat und nachhaltig die Gedanken des Lesers beschäftigt! In einer anhängenden Anmerkung werden die Beweggründe des Autors zur Erstellung der Geschichte und der Titelwahl verdeutlicht.


Figuren
Rebecca Case ist ein aufgeweckter Teenager. Nach dem Tod der Mutter bilden Vater und Tochter ein gutes Team. Als John Case in Verruf gerät, leidet jedoch auch die Beziehung der beiden zueinander. Ist er Schuld am Tod eines Mädchens? Die Frage belastet Rebecca, mehr noch der vorübergehende Verlust ihrer Freunde und die Erkenntnis, dass sich ihr fester Freund längst einem anderen Mädchen zugewendet hat. Sie fühlt sich einsam, wird schwermütig. In diesem Moment trifft sie auf die elfengleiche Ferelith, die voller Geheimnisse steckt. Sie ist ein Sonderling, lebt abseits des gesellschaftlichen Dorfgeschehens und sticht nicht nur optisch aus der Menge heraus. Ferelith ist intelligent, hat bereits mit vierzehn Jahren die Schule verlassen. Krankheit und Tod der Mutter, sowie der Verlust des Vaters stellen ein hartes Los für das junge Mädchen dar. Dunkel ist nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihr Gemüt. An dieser Stelle sei auch der Dorfpfarrer Winterfolds erwähnt, der Frömmigkeit predigt, jedoch allzu leicht den verlockenden Sünden des Bösen erliegt. In vermeintlich lauterer Absicht verrichtet er das Werk des Teufels. Und dennoch bleibt ihm eine zufriedenstellende Botschaft aus dem Jenseits verwehrt.

Mit Hilfe nur weniger tragenden Rollen transportiert Marcus Sedgwick eine komplexe Geschichte. Düster und von Misstrauen geprägt, verzweifelt und gar aussichtslos folgen die Charaktere dem Lauf der Dinge. Allesamt auf der Suche nach Antworten …


Aufmachung des Buches
„Weiße Krähe“ erscheint als großformatige Klappenbroschur bei dtv. Das Covermotiv ist eine Kombination aus Landschaft, fliegenden Krähen und der Augenpartie einer jungen Frau. Vorherrschende Farben sind Schwarz, Grün und deren Abstufungen. Mittels des verwendeten Used-Looks entsteht der Eindruck von Nostalgie. Der Schriftzug des Buchtitels in Großbuchstaben fügt sich passend ins Gesamtbild ein. Im Inneren erwarten den Leser weitere Schmankerl. Unterschiedliche Schriftarten, diverse Illustrationen und teils die Optik von Tagebuchseiten werten das Buch zusätzlich auf. Rückseite und Innenklappen verweisen auf den Romaninhalt und weitere Titel des Autors.


Fazit
„Weiße Krähe“, eine Geschichte abseits des Mainstreams, weiß die Leser von Anbeginn zu fesseln. Marcus Sedgwick gelingt es, eine Spannungskurve mit sofortiger Wirkung zu erzeugen, die bis zum Schluss stetig ansteigt. Abwechslungsreich spornt er den Rätselspaß an und appelliert gleichwohl an Emotionen. Eine Lektüre, die auf ungewöhnliche Weise die Frage nach Gut und Böse und nicht zuletzt nach der Existenz Gottes in den Raum stellt. Es steht jedem Leser frei, sich ein eigenes Urteil zu bilden.


4 5 Sterne


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