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Ein mittelalterlicher Minnesänger und eine moderne junge Frau, das „andere“ Paar aus dem Mythos um Tristan und Isolde, ein zauberisch begabter Kater und die Eltern des Hexers Geralt – in diesen Erzählungen verknüpfen sich Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft auf brillante Weise.
Und die Welt, die wir zu kennen glaubten, ist plötzlich eine andere …

 

Etwas endet etwas beginnt 

Originaltitel: Cos sie konczy, cos sie zaczyna
Autor: Andrzej Sapkowski
Übersetzer: Erik Simon
Verlag: dtv
Erschienen: 03/2012
ISBN: 978-3-423-21353-0
Seitenzahl: 427 Seiten

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Die Idee, Stil und Sprache
Dieser Band enthält acht Kurzgeschichten Andrzej Sapkowskis, die er zum Teil für polnische Anthologien schrieb und die hier zusammengefasst wurden. Überwiegend im Bereich der Fantasy angesiedelt, tendieren einige in Richtung Horror, Science-Fiction oder Mythologie. Fast jede der Geschichten folgt einem eigenen Stil, mal schwer und anspruchsvoll, mal humorvoll und flüssig zu lesen. In den Erzählungen versteht es Sapkowski, spannende und actionreiche Szenen durch verdichtete, kompakt formulierte Satzführung zu unterstreichen und das Tempo voranzutreiben. Er verwendet in seinen Geschichten hauptsächlich die Perspektive der dritten Person, teils als ein über den Dingen schwebender Erzähler, teils geht er auch nah heran und ermöglicht so Einblicke in Gedanken und Gefühle  Einzelner. Wechseln hierbei die Stimmen oder Perspektiven (z.B. bei „Die Musikanten“), so wird dies durch Kursivschrift oder andere Schriftbilder deutlich herausgestellt.
Zudem wird jede Kurzgeschichte von einem Vorwort eröffnet, in dem der Autor von ihrer Entstehung erzählt, teilweise auch aus dem Nähkästchen plaudert und Quervergleiche zieht. In diesen Anekdoten lernt der Leser Sapkowski, seine Interessen, Vorlieben und Ansichten besser kennen. So schreibt er im Vorwort zu „Die Musikanten“ auf Seite 65 beispielsweise: „Und dann kam Stephen King mit seinem Friedhof der Kuscheltiere. Ob Sie es glauben oder nicht, aber als ich diesen Roman durchgelesen hatte – und das war ziemlich spät in der Nacht –, löschte ich irgendwie ungern das Licht“.

Die Kapitel in „Der Weg, von dem niemand zurückkehrt“ sind kurz und verführen den Leser dazu, gleich das nächste und übernächste zu beginnen, was zu einem hohen Lesetempo führt. Die Sprache ist, passend zum Umfeld, altertümlich gehalten und – typisch Sapkowski – mit heute eher unbekannten Begriffen wie Hundsfötten, Wagenrunge, Gläfe, Kaldaunen, Kanker oder Pelargonie versehen. Dabei trifft man auf ungewöhnliche Wesen wie Murmelmenschen, Krahlinge oder der Knoch, aber auch Menschen spielen natürlich mit.

In „Die Musikanten“ arbeitet Sapkowski mit kurzen Wortwiederholungen, mit nur aus wenigen Worten bestehenden Sätzen bzw. Satzteilen, um der Geschichte Nachdruck und die bedrohliche Atmosphäre eines Horrorszenarios zu verleihen. Den Dialogen mit den Polizisten Nejman und Zdyb sowie dem Anwalt Checlewski kann man zwar von der Zuordnung her folgen, doch fiel es mir schwer, den verwirrenden Inhalt zu erfassen, zu unbestimmt erschien der Gesprächszweck. Die Motivationen, Pläne und Ziele der Charaktere erscheinen undeutlich und subtil, und erst zum Ende ergibt der Plot ein stimmiges Gesamtbild.
Ähnlich mystisch und philosophisch gibt sich auch „Tandradei“, in dem Sapkowski durch fließende Übergänge Wirklichkeit, Träume und Mythik miteinander zu vermischen scheint. Ähnlich undurchsichtig ist auch die Protagonistin Monika. Der Sprachstil ist schwer, wuchtig und benötigt Aufmerksamkeit beim Lesen. Besonders die Träume sind wirr, springen in den Sätzen von Dialog zu Dialog und hinterlassen mit ständigen Wiederholungen einen quereren Eindruck. Gleichzeitig kommt die Verführung, die Hand des Bösen zu ergreifen, immer stärker heraus und baut eine bedrohliche, düstere Stimmung auf, während zwei Strophen aus „Under der linden“ Walthers von der Vogelweide eine nicht unbedeutende Rolle spielen.

„Im Bombentrichter“ geht Sapkowski nach eigenen Angaben in den Bereich der Science-Fiction, obwohl ich mich dieser Einstufung nicht anschließen würde. Viele Begriffe im Fließtext werden mit Sternchen gekennzeichnet und in Fußnoten erläutert, die man für das Verständnis zwar nicht zwingend lesen muss, beim Nachlesen aber den Fließtext immer wieder unterbrechen.
Völlig anders ist der Stil in „Etwas endet, etwas beginnt“, einer Kurzgeschichte, die bereits vor der Saga um den Hexer Geralt geschrieben wurde. Auf fröhliche, humorvolle und sehr unterhaltsame Art geschrieben, lässt der Autor hier eine Grosszahl derjenigen auftreten, die später in der Saga Rollen in verschiedenen Abschnitten spielen. Die Handlungen und Dialoge in diesem Plot sind nicht ganz ernst zu nehmen – Sapkowski selbst bezeichnet die Szenerie in dem entsprechenden Vorwort gar als Scherz – und treiben dem Leser allzu oft ein breites Grinsen ins Gesicht.
„Der goldene Nachmittag“ scheint eine Version von „Alice im Wunderland“ zu sein, allerdings aus Sicht der Grinsekatze. Der Text liest sich heiter, gipfelt in einem spannenden Showdown und endet mit einem überraschenden Abschluss. Sapkowski greift hier zu tollen Formulierungen, so beispielsweise auf Seite 290: „Die Muskeln unter seiner Haupt spielten die Neunte Sinfonie, die Augäpfel erglühten in höllischem Feuer. Er riss das Maul auf eine Weise auf, die mir sehr schmeichelte.

Sehr kurzweilig, allerdings vom Ablauf auch durchschaubar liest sich „Ein Vorfall in Mitschief Creek“, eine Kurzgeschichte, die in Neuengland nach den Hexenprozessen von Salem spielt und Anleihen an den dortigen Ereignissen nimmt. Sie nimmt zunächst ruhig Fahrt auf, findet dann aber ihren Höhepunkt in einem spannenden Ende. Den Abschluss dieses Buches bildet schließlich „Maladie“, mit der Sapkowski Bezug auf die Arthus-Saga und auf den Mythos um Tristan und Isolde nimmt, diese jedoch zu Gunsten von Branwen und dem Ritter Morholt in Nebenrollen abdrängt.


Figuren
Viele Wesen und Charaktere treten in den acht Kurzgeschichten auf. Sie erhalten im Rahmen der Kürze mehr oder weniger stark ausgeprägte Hintergründe. Die Hauptfiguren kommen dabei deutlicher zur Geltung, so dass man sie sich gut vorstellen und mit ihnen identifizieren kann, während die Nebencharaktere – mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt – gesichtslos und blass bleiben, für ihre kurzen Auftritte reichen die Beschreibungen jedoch aus.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch orientiert sich in der Gestaltung an Sapkowskis bekannter “Hexer Geralt“-Saga. Das grundsätzlich seidenmatt gehaltene Cover weckt durch Prägungen und den zurückhaltenden Einsatz von Spotlack Aufmerksamkeit, das Coverbild mit dem Schiff im letzten Licht des Tages passt zwar zum Buchtitel als solchem, ohne allerdings etwas mit der gleichnamigen Kurzgeschichte zu tun zu haben; eher ließe es sich „Maladei“ zuordnen. Eine etwas umfangreichere Inhaltsbeschreibung erhält man, wenn man das Buch aufschlägt, allerdings ist sie nicht ganz korrekt, führt sie doch aus, es gäbe einen alternativen Schluss für die „Hexer Geralt“-Saga, was Sapkowski selbst jedoch nachdrücklich bestreitet.


Fazit
Acht Kurzgeschichten ganz unterschiedlicher Art und verschiedener Thematiken des polnischen Fantasy-Autoren Andrzej Sapkowski laden dazu ein, dem Leser kurzweilige Unterhaltung zu bieten. Fans der „Hexer Geralt“-Saga werden genauso fündig wie Horror- oder Mythologie-Anhänger.


4 Sterne


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