Smaller Default Larger

„Ich male immer noch so, wie mir der Pinsel gewachsen ist.“ Gabriele Münter
Fast vierzehn Jahre war Gabriele Münter mit Wassily Kandinsky zusammen. Das "Russenhaus" im Voralpenort Murnau, das sie 1909 kaufte, wurde zum künstlerischen Zentrum des "Blauen Reiters". Hier traf sich das Paar unter anderem mit Franz Marc und August Macke. Trotz bewegter Zeiten – 1. Weltkrieg, Exil, Trennung von Kandinsky – ging Münter konsequent ihren Weg und schuf ein beeindruckend vielfältiges Werk. Gudrun Schury erzählt unterhaltsam und kenntnisreich eine Lebensgeschichte, die Gabriele Münter nicht zur Muse stilisiert, sondern als außergewöhnliche Frau und geniale Künstlerin zeigt. 

 

Ich Weltkind 

Autor: Gudrun Schury
Verlag: Aufbau Verlag
Erschienen: 12. März 2012
ISBN: 978-3351033941
Seitenzahl: 328 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Inhalt, Stil und Sprache

Gudrun Schury legt eine Biographie von Gabriele Münter vor, die im Klappentext als "unterhaltsam erzählt" beworben wird. Das stimmt auch, zumindest für den kurzen Teil, der Kindheit, Jugend und ihr Leben beschreibt, bis sie Kandinsky trifft. Danach wird es zäh. Nur das Schlusskapitel und der letzte Satz versöhnen wieder etwas. Schade, dass die Autorin diesen Stil nicht durchgehalten hat, das Lesen wäre ein Vergnügen gewesen. Stattdessen verstrickt sie sich in fruchtlose Argumentationen ob Bilder biographisch interpretiert werden dürfen und ob es statthaft ist zu sagen, Münter habe intuitiv gemalt. Weder das eine noch das andere lässt sie gelten. Jeder, der nicht ihre Meinung teilt - und das sind irgendwie alle, egal ob nun Zeitzeugen oder spätere Biographen -, wird abgefertigt. Wenn es um die "intuitive", als "weiblich" verunglimpfte, Malweise geht, ignoriert sie sogar Aussagen der Porträtierten selbst (z.B. "Ich komponiere nicht. Ich sah etwas, was mir gefiel, notierte und malte es." Seite 174). Dabei übersieht Schury, dass das Wort "intuitiv" erst einmal wertneutral ist und die (Ent)Wertung erst im Kontext erfolgt - und ihr Bemühen, Münters Art zu malen so darzustellen, als würde sie der "analytischen" Vorgehensweise der Männer entsprechen, dazu führt, Münters ureigene Begabung wieder zu negieren, obwohl sie ja das Gegenteil erreichen möchte. Darüber hinaus hebt die Autorin immer wieder fast schon penetrant darauf ab, dass Münter eine eigenständige Künstlerin ist und keinesfalls nur Kandinskys Anhängsel. Das erscheint mir, obwohl nur interessierter Laie, doch inzwischen Konsens zu sein. Dazwischen gestreut sind unangemessen oft langatmige Beschreibungen von Gemälden (inklusive der Malweise), die nicht oder nur schwarz-weiß abgebildet werden. Wer diese nicht bereits kennt, ist aufgeschmissen.

Auch der Aufbau ist nicht immer ganz durchsichtig, obwohl sie chronologisch vorgeht, stürmt die Autorin oft ein paar Jahre voraus, um dann wieder zeitlich zurück zu gehen, und so weiß man nicht immer auf Anhieb in welchem Jahr man sich gerade befindet. Dem Leben mit Kandinsky wird natürlich ein großer Teil des Buches gewidmet, denn hier entsteht ihre Kunst, befruchtet durch ihn und andere expressionistische Maler. Während Schury den (privaten) Niggligkeiten unter den Künstlern unnötig viel Raum einräumt, erfährt man nicht, wie die Malerin zu den Nazionalsozialisten stand. Die Autorin meint zwar, dass Münter sich zumindest zeitweise anbiederte, indem sie sich u.a. mit zwei Gemälden von Baggern an einer von den Nazis organisierten Ausstellung zum Straßenbau beteiligte - anbiedert deshalb, weil sie sonst solche Motive nicht gemalt hätte -, es gibt aber "Bauarbeit" von 1912, das diese Behauptung widerlegt, und Schury als Kunsthistorikerin müsste das Bild kennen. Aus diesem Grund halte ich diese Aussage für wenig stichhaltig. Überhaupt ist auffällig, dass sie immer mal wieder passend macht, was nicht passen will, siehe weiter oben meine Ausführungen zum Malstil Münters.

Alles in allem missbraucht Schury die Person Gabriele Münter, um ihre Meinung zu bestimmten Themen (u.a. Feminismus) unter die Leute zu bringen. Wo ein Essay fürs Fachpublikum gereicht hätte, schreibt sie eine Biographie. Dass es gerade Gabriele Münter sein muss, liegt wohl daran, dass sich deren Todestag zum 50. mal jährt. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.


Aufmachung des Buches
Das Hardcover besitzt einen grünen festen Einband, dessen Cover ein Selbstbildnis von Gabriele Münter dominiert. Darunter auf weißem Grund Name der Autorin und Titel des Buches. Leider erinnert das Cover doch sehr an das der zuvor erschienen Romanbiographie von Stefanie Schröder "Im Bann des Blauen Reiters: Das Leben der Gabriele Münter".
Einige Farbtafeln in der Mitte des Buches werden noch durch schwarz-weiß gedruckte Abbildungen von Münters Gemälden (in den Text eingefügt) ergänzt. Ein paar private Fotos lassen sich auch finden. Abgeschlossen wird das Buch durch den üblichen wissenschaftlichen Apparat. An die Art und Weise wie der Nachweis der Zitate erfolgt, konnte ich mich bis zum Schluss nicht gewöhnen: Statt durchzunummerieren, wird die Seitenzahl angegeben und das Zitat durch den kursiv gedruckten Satzanfang gekennzeichnet, danach folgt dann der Hinweis auf den Ursprung. Das ist wenig Benutzer-freundlich.


Fazit
Eine Biographie, die die Welt nicht gebraucht hat, denn Gabriele Münter wird sie nicht gerecht.


1 5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Bilder einsehbar bei artnet (auch "Bauarbeit")

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo