Smaller Default Larger

Götter, Ungeheuer und die Begierde der Menschen stellen die Beharrlichkeit des Odysseus auf die Probe bei seiner Reise zurück nach Ithaka, in seine Heimat, sein Haus, wo ihn Frau und Kind erwarten.

Jahre vor ‚300‘ von Frank Miller, haben Pérez Navarro und Martín Saurí mit ‚Die Odyssee‘ die Herrlichkeit einer klassischen Epoche wieder auferstehen lassen – in schwarzweißen Bildern, die bereits Geschichte geschrieben haben.

 

Die Odyssee 

Originaltitel: La Odisea
Autor: Martín Saurí
Übersetzer: Bernd Leibowitz
Illustration: Pérez Navarro
Verlag: Ehapa Comic Collection
Erschienen: Mai 2012
ISBN: 978-3-7704-3542-5
Seitenzahl: 68 Seiten + 4 Bonusseiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Diese Comic Adaption des spanischen Autoren-Zeichner-Teams Navarro und Sauri entstand bereits Anfang der Achtziger, ist aber - genau wie Homers knapp zweitausend Jahre alte Vorlage - gänzlich zeitlos in Sprache und Optik. Mit der prachtvollen Hardcover-Neuauflage bietet sich jenen, die Homers Klassiker der mystischen Sagen- und Abenteuerliteratur noch nicht kennen, die wohl schönste Gelegenheit ihre Wissenslücke zu schließen und gleichzeitig in einem künstlerisch gehaltvollen, ästhetischen Schwarz-Weiß-Bilderrausch zu versinken.

Im Episodenstil erzählt, erwartet Odysseus und seine Gefährten ein lebensgefährliches Abenteuer ums nächste, als sie aus dem trojanischen Krieg heimkehren wollen. Es sollen für Odysseus 10 lange Jahre des Umherirrens werden, bis er wieder sicher auf seiner kleinen Heimatinsel Ithaka eintrifft. Was die inhaltliche Umsetzung im Vergleich zur antiken Vorlage angeht, muss ich leider passen, weil ich selbst die Gelegenheit nutzte, auf diese Weise erstmals in ‚Die Odyssee‘ hinein zu schnuppern. Ich fand Navarros Erzählstruktur verständlich und fühlte mich auf anspruchsvollem Niveau gut unterhalten.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Martín Saurís kontraststarke Zeichnungen in Schwarz-Weiß stehen für sich und lassen sich keinem gängigen Comicstil zuordnen. Vielmehr orientieren sie sich eng an klassischen Zeichnungen und Plastiken der griechischen Antike. So sind die Figuren allesamt sehr köperbetont gezeichnet und wirken stark plastisch, fast zum Greifen nahe. Lediglich in leichte Baumwolltücher gewickelt (die Männer) oder in hauchdünne, durchsichtige plissierte Stoffe gekleidet (die Frauen), kommt bei den Männern jeder Muskel und jede Sehne zum Vorschein, bei den Frauen jede Rundung. Das alles wirkt unheimlich ästhetisch und schön, aber auch sinnlich und erotisch.

Die Dynamik bleibt bei diesem Stil aber größtenteils auf der Strecke. Wie durch Zauberhand in ihrer Bewegung für alle Zeit erstarrt, wirken viele Szenen. In Kombination mit einer üppigen, berauschenden Bildkomposition fühlte ich mich an Gemälde der Renaissance erinnert. Die mediterrane Vegetation wird genauso stimmungsfördernd in die Bilder mit einbezogen wie das Meer, wobei Letzteres oft zu einem erbitterten Gegner für Odysseus wird. Gewaltige Wellen mit aufschäumender Gischt türmen sich furchteinflößend in den Panels auf. Da die mutigen Männer aus Ithaka während ihrer Irrfahrt durch die Ägäis nicht selten den Zorn der Götter auf sich ziehen und mit so manchem grausamen mystischen Ungeheuer zu kämpfen haben, sind die Szenen auch voller Gewalt, doch sie erinnern ebenfalls an besagte Gemälde und haben mit den bluttriefenden Bildern heutiger Comics nur wenig gemein.

So starr die Bilder oft wirken mögen, ist die Panelanordnung das genaue Gegenteil davon. Ineinanderfließend, überdeckend, mal umrahmt und mal offen zeigt sich die Bildfolge, und auch in der Größe ist vom kleinen Bild bis zum einseitigen Format alles vertreten.

Besonders gut gefällt mir die altmodische, stellenweise gar poetisch anmutende Sprache, die zum Inhalt nicht besser passend könnte. Auszug von Seite 9: „Arete, ich beschwöre dich, deine Gatten und eure Gäste, auf die die Götter herablächeln mögen – hilf mir, in meine Heimat zurückzukehren. Zu lange schon irre ich fern der Meinen umher!“ Deshalb ein großes Lob an Übersetzer Bernd Leibowitz. Im Schriftbild unterscheiden sich Erzähl- und Dialogtext dahingehend, dass der Dialogtext nüchtern in typischer Comic-Manier mit Großbuchstaben daherkommt und für den Erzähltext ein kursives Schriftbild mit Groß- und Kleinbuchstaben gewählt wurde, das an die altdeutsche Schrift erinnert.


Aufmachung des Comics
Verlegt ist der Comic bei der Ehapa Comic Collection in feinstem Hardcover mit matten, festen Umschlagdeckeln, illustrierten Vor- und Nachsatzblättern und 4 Seiten Bonusmaterial, bestehend aus Comic-Skizzen und Fotos der beiden Macher, Pérez Navarro und Martín Saurí.
Auch die zwei Umschlagillustrationen auf dem vorderen und hinteren Buchdeckel sind eine wahre Augenweide. Trotzdem finde ich sie durch ihre Kolorierung irreführend, denn der gesamte Innenteil ist schwarz-weiß.


Fazit
Die Comic-Adaption der ‚Odyssee‘ hier in edlem, zeitlosem Gewand. Martín Saurís Schwarz-Weiß-Illustrationen aus den frühen Achtzigern sind eher comicuntypisch und orientieren sich an der klassischen Zeichenschule. Sie sind deshalb nicht nur für Comic- sondern auch für Kunstliebhaber ein Augenschmaus. Wer Homers Werk noch nicht kennt, sollte bei diesem Schmuckstück unbedingt zuschlagen, um seine Wissenslücke zu schließen.


4 5 Sterne


Hinweise
Diesen Comic kaufen bei: amazon.dealt

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo