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„Ich hatte immer eine Leidenschaft für die Malerei. Als Kind malte ich jeden Donnerstag und Sonntag und träumte die übrige Woche davon. Ich besaß zwar auch, wie viele Kinder, eine Brownie Box, aber ich benutzte sie nur von Zeit zu Zeit, um Photoalben mit Schnappschüssen aus den Ferien anzufüllen. Erst sehr viel später fing ich an, etwas verständnisvoller durch den Apparat zu blicken. Meine kleine Welt begann sich auszuweiten, und die Zeit der Ferienphotos war vorbei.“
(Henri Cartier-Bresson)

 

Meisterwerke  Autor: Henri Cartier-Bresson
Übersetzer: unbekannt
Fotograf: Henri Cartier-Bresson
Verlag: Schirmer/Mosel
Erschienen: 2004
ISBN: 978-3-8296-0149-8
Seitenzahl: 125 Seiten


Stil, Bilder- und Textdarstellung
Nach kurzen Erläuterungen zur Entstehung des Bildbandes – als Monographie zum 96. Geburtstag des Fotokünstlers – startet das Buch zunächst mit einem 12-seitigen Essay von Henri Cartier-Bresson selbst. In diesem 1952 entstandenen und bekannten Text geht er auf den „entscheidenden Augenblick“ ein. Nach diesem Artikel folgen insgesamt 52 von Cartier-Bressons Fotografien, durchweg in Schwarzweiß. Jede von ihnen ist auf der rechten Seite angeordnet und wie in einem Passepartout – inklusive eines illustrierten Schattens, aufgeworfen durch die gedachte Schnittfuge des Rahmens – dargestellt. Auf der linken Seite lenkt nichts von den Aufnahmen ab, die volle Konzentration kann bei dem Bild verweilen, sodass es dazu einlädt, es lange und intensiv zu betrachten. Um die Wirkung nicht zu (zer)stören, wurde – bis auf die Nummer der Bildtafel sowie Angaben zum Entstehungsort und –jahr, auf jegliche weitere Erläuterung verzichtet.

Die Fotografien sind zwischen 1932 und 1999 entstanden und erstrecken sich damit über einen Zeitraum von 67 Jahren. Sie fangen nicht selten Gedanken, Zeitgeist und Ansichten unterschiedlicher Epochen ein, teilweise eingebettet in die kulturellen Eigenheiten ihres Entstehungsortes. Sehr verschieden sind die Bildinhalte, die gelegentlich die reine Betrachtung eines Ortes, wie z.B. „Ile de la Cité“ auf Seite 59 wiedergeben, zumeist aber Menschen zum Motiv haben. Sie verkörpern Emotionen, die von Einsamkeit und Nachdenklichkeit über Lebensfreude und Neugierde bis hin zu Ernst und Aufmerksamkeit reichen. Viele dieser Aufnahmen – und hier wird Cartier-Bressons Beruf als Fotoreporter offenbar – erzählen eine kurze Geschichte aus dem Leben der Portraitierten oder des Entstehungsortes.

So vielfältig wie die Motive ist auch Henri Cartier-Bressons Bildsprache. Inhaltlich wird der Betrachter mit dem Fotografen nicht immer konform gehen, denn nicht jedes seiner Werke trifft den persönlichen Geschmack, zu eigen oder auch abstrakt sind manche dieser Arbeiten. So meinte ich bei der Bildtafel 51 eine entfernte Ähnlichkeit zu Helmut Newton zu erkennen, was aus meiner Sicht nicht unbedingt ein Kompliment für einen Fotografen ist, auch bei der 52. Tafel fragte ich mich, warum dem Betrachter diese Aufnahme als „große Kunst“ verkauft wird. Völlig herausgelöst aus einem erläuternden Kontext kann es zudem schwierig sein, manche Fotos zu verstehen, zu interpretieren oder ggfs. sogar zu akzeptieren, so beispielsweise die 32. Tafel auf Seite 81, die 1975 in New Jersey entstand. Sollte sie auf Inszenierung beruhen – die der Autor aber laut seinem Essay vornehmlich ablehnte – so will sich der Sinn nicht recht erschließen.
Henri Cartier-Bresson vertrat, auch dies ergibt sich aus dem Essay, die Auffassung, dass die Bildaussage und der Bildinhalt Vorrang vor stoischer, technischer Perfektion hat. Auch mag nicht jedes Bild – aus heutiger Sichtweise – inhaltlich vollkommen sein. So ragen beispielsweise bei dem Portrait Marylin Monroes zu beiden Seiten Scheinwerfer mit ins Bild, ihre Rückseiten zu Silhouetten geworden. Bei den Aufnahmen 33 oder 39 fiel mir auf, dass diese an keiner Stelle vollständige Schärfe entfaltet. Andere hingegen übten bei mir eine starke Faszination aus, wie z.B. Nummer 14, entstanden in Manhattan, New York. Und gerade diese Abwechslung, das Eintauchen in Henri Cartier-Bressons Art zu sehen, hat einen entscheidenden Anteil an dem Reiz dieses Bildbandes. Was zählt, was bleibt, ist die Wirkung – und Ausdrucksstärke vermisst man auch bei diesen Arbeiten nur selten.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Die Textanteile dieses Bildbandes sind sehr übersichtlich. Außer den genannten Erläuterungen des Verlags, dem Essay „Der entscheidende Augenblick“ und einer abschließend aufgeführten, chronologisch angeordneten Biographie finden sich lediglich die bereits erwähnten Bildunterschriften des Fotos. Es ist erstaunlich, wie treffend und scharfsinnig Henri Cartier-Bressons Essay auch nach über 50 Jahren noch ist, auch wenn er nicht mehr in allen Bereichen – insbesondere der Farbfotografie – up to date ist. Dennoch sind die Schlussfolgerungen des Autors oft bestechend, fordern in ihrer Formulierung aber Konzentration beim Lesen. Das sehr kleine Schriftbild ermüdet die Augen zudem schnell.

Dieser Bildband vermittelt einen guten Überblick über die Arbeiten, die Reisen und die Sehweise von Henri Cartier-Bresson. Er empfiehlt sich nicht nur für ambitionierte Fotografen – Amateure wie Profis – oder Kunststudenten, sondern lädt jeden zum Betrachten, Verweilen und Träumen ein, der sich mit den Bildern dieses Fotokünstlers auseinander setzen möchte.


Aufmachung des Buches
Der Bildband wurde in Form eines geleimten Taschenbuchs mit mattseidenem Umschlag aufgelegt. Auf der schlichtweißen Hintergrundfarbe bestimmt vor allem eine seiner Fotografien – die im Bildband auch direkt als Tafel Nummer 1 zu finden ist – die Vorderseite des Buches, begleitet mit dem Namen des Autors und dem Titel der Ausgabe. Als Buchrückseiten-Text dient der erste Absatz aus Cartier-Bressons berühmtem Essay „Der entscheidende Augenblick“.


Fazit
Dieser Bildband vermittelt mit 52 ausgewählten Fotografien einen guten Eindruck zum Leben und Wirken des französischen Fotoreporters Henri Cartier-Bresson. Die Bilder eröffnen die Sichtweise des Fotografen, erzählen kleine Geschichten und laden zum genussvollen Betrachten ein.


4 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.dealt

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