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Der verschwundene Musiker Oriol wird in seiner Familie wie ein Heiliger verehrt, seit der Franco-Gegner bei der Flucht über die Pyrenäen im Schneesturm umgekommen ist. So jedenfalls weiß es die Familienüberlieferung. Fast siebzig Jahre später begibt sich sein Großneffe auf die Spur des Verschollenen. Was er zutage fördert, ist die Geschichte einer Verrohung, die zeigt, was aus einem Menschen werden kann, der alles verloren hat.

 

Das Baerenfest 

Originaltitel: La fiesta del oso
Autor: Jordi Soler
Übersetzer:  Peter Kultzen
Verlag: Knaus
Erschienen: 5. September 2011
ISBN:  978-3813503876
Seitenzahl: 224 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Zwischen den Spaniern, den regional lebenden Basken und den Katalanen kam es zwischen Juli 1936 und April 1939 zum Bürgerkrieg. Oriol, ein junger Mann aus guter Familie, und sein Bruder kommen in einen kleinen Ort am Fuße der Pyrenäen. Sie wollen über einen Pass nach Frankreich fliehen. Da Oriol verletzt ist, macht sich Arcadi allein auf den Weg und Oriol soll später mit den restlichen Verletzten von einem Bus abgeholt werden und nachkommen. Doch dieser Bus kommt nie und so machen sich die restlichen, schwer verletzten Männer, alleine auf den Weg über die Pyrenäen.
Oriols Familie ist sich sicher, dass er in den Bergen umkam, und verehrt ihn wie einen Helden. Als sein Großneffe ein Buch schreibt, erwähnt er auch flüchtig das Schicksal Oriols. Diese Passage im Buch bringt einen großen Stein ins Rollen, denn bei einer Lesung in Barcelona drückt ihm eine alte, zerlumpte Frau ein Foto und einen Zettel in die Hand aus dem hervorgeht, dass Oriol gar nicht wie angenommen 1939 ums Leben gekommen ist …


Stil und Sprache
Beginnt das Buch im eher gemächlichen Tempo, spürt man von Anbeginn die gespannte Kraft, die in dieser Geschichte steckt - einer sehr außergewöhnlichen Geschichte. Der Ich-Erzähler (der Autor selbst?), ein Großneffe des Protagonisten Oriol, recherchiert das Leben seines Großonkels, nachdem er bei einer Lesung zu seinem Buch darauf aufmerksam gemacht wird, dass Oriol noch lebt. Kann er zuerst nur schleppend, mühsam den damaligen Weg seines Onkels in Erfahrung bringen, so zeigt sich nach und nach ein immer genaueres Bild eines Menschen, der alles, für was er lebte - und noch mehr -, verloren hat. Je weiter der Großneffe jedoch in das Leben Oriols vordringt, umso mehr wünscht er sich, seine Recherche niemals begonnen zu haben.

Erzählstil und Sprache sind in wunderbarem Einklang. Leicht und prägnant werden der Erzählung und den Figuren doch so viel Raum gelassen, dass alles fühl- und erlebbar wird, was beim Leser manchmal ein leicht beklemmendes Gefühl erzeugt. Mit schlichten und doch so aussagekräftigen Worten zeichnet Soler die Geschehnisse in den Pyrenäen, der Grenze zwischen Frankreich und Spanien, so dass man sich selbst in der fernen und einsam wirkenden Bergwelt wähnt. Fungieren Barcelona, Perpignan und auch Mexiko zwischendurch als Schauplatz, so dient jedoch ein kleines Bergdorf mit nur wenigen Einwohnern als Bühne für dieses grandiose Schauspiel. Knapp vor Schluss des Buche, reist Oriols Großneffe noch nach Prats de Molló und erst dann wird einem auch klar, was es mit dem Titel des Buches auf sich hat. Denn ein Bär wird dem Großneffen letztendlich vor Augen führen, was er sich so nie gedacht hat.


Figuren
Man hat stets das Gefühl, dass etwas Bedrückendes, Gewaltiges über der Geschichte schwebt, wie Nebelschwaden, die nicht greifbar sind, sich aber nach und nach lichten, als man mehr über Oriol und sein Leben erfährt. Es sind nicht sehr viele Figuren auf der Bühne: Oriols Großneffe, der Erzähler, von dem man nur sehr wenig erfährt, Oriols noch lebender Bruder Arcadi, der als einziger daran geglaubt hat, dass sein Bruder noch am Leben ist, und Novembre, ein Riese von einem Mann, dessen Stärke nicht das Denken, sondern seine Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft ist, sowie ein paar wenige Darsteller, die etwas mehr oder weniger wichtig sind. Und natürlich Oriol selbst, den man aber nur durch die Recherche seines Großneffen kennenlernt und dessen charakterliche Entwicklung die eigentliche Kernbotschaft des Buches enthält. Was wird aus einem Menschen der alles verloren hat, was er hatte und an was er geglaubt hat. Gibt er auf oder kämpft er, wird er zum Egoisten oder zum Selbstlosen, baut er sich ein neues Leben auf oder resigniert er? Eine Möglichkeit der Antworten hat Jordi Soler in Oriol lebendig werden lassen und zeigt eine Seite, die lange im Gedächtnis haften bleibt.


Aufmachung des Buches
Ein schönes, aber auf den ersten Blick unscheinbares, gebundenes Buch. Als Covermotiv wurde eine, wie ein Gemälde wirkende, Fotografie vom Franzosen Jules Gervais-Courtellemont gewählt, die ein verlassenes kleines Steingebäude in den Bergen - vermeintlich den Pyrenäen -, zeigt. Nicht nur das Motiv des Schutzumschlages ist wunderbar zu der Erzählung ausgewählt, sondern sogar der Fotograf, denn er war einer der offiziellen Bildberichterstatter des ersten Weltkrieges.

Das Buch ist in zwei Teile geteilt und insgesamt neun Kapitel führen durch die Geschichte, kein Nachwort, keine Erklärung, was die Wirkung dieser Erzählung noch verstärkt.


Fazit
Präzise, bildhaft und mit immenser Empathie erzählt Jordi Soler die Geschichte eines in der Familie als Helden verehrten Bürgerkriegssoldaten. Eine wunderbare Erzählung, die in feiner, geschliffener Sprache die Abgründe eines Menschen aufzeigt und wohl lange in den Gedanken des Lesers haften bleibt.


5 Sterne


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