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In seinem Innersten schlummert eine Kraft, unendlich viel größer als er selbst. Mit ihr könnte er die Welt verändern … Dabei ist er ein Ausgestoßener, gefangen in einer Welt aus Tod und Gewalt. Überall sieht er Frauen und Männer mit vom Wahnsinn gezeichneten Gesichtern. Sie loben den Herrn, klammern sich an Schwerter und sehnen sich nach Erlösung. Und sie schreien seinen Namen: Hermance! Neuer Jesus Christus!
Er ahnt, dass ihnen ein langer und schmerzhafter Weg bevorsteht. Am Ende könnte Jerusalem nicht der erlösende Traum sein, für den sie gebetet hatten. Vielleicht marschieren sie direkt in den Untergang …

 

Traum_von_Jerusalem 

Originaltitel: Le Rêve de Jérusalem Tome 1-4
Autor: Philippe Thirault
Übersetzer: Marcel Le Comte
Illustration: Lionel Marty
Verlag: Ehapa Comic Collection
Erschienen: 03/2011
ISBN: 978-3-7704-3410-7
Seitenzahl: 192 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren (Verlagsempfehlung)

Hier geht’s zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Frankreich im Frühmittelalter: Hermance Languedolce besitzt eine göttliche Gabe – er kann sowohl Heilung als auch den Tod über die Menschen bringen. Manche halten ihn für die Wiedergeburt Jesu …
Dann begegnet er Karlis Oresund, dem Schwarzen Live. Auch er beherrscht eine Gabe, mit der er das Gute, aber auch das Böse vor Ort spüren kann. Er verhaftet Hermance und zwingt ihn zur Teilnahme am ersten Kreuzzug. Das Ziel von Karlis und seinem Herrn, Bohemund von Tarent, ist die Einnahme von Jerusalem. Die Kreuzfahrer setzen auf den Schwarzen Live – und auf die Macht Hermances. Doch der Weg bis nach Jerusalem ist weit und gefährlich, und ihnen stellen sich nicht nur unerbittliche Feinde, sondern auch Verrat, Intrigen und Zwietracht entgegen …

Philippe Thirault hat in seinem Comic die historischen Begebenheiten des Ersten Kreuzzuges und der Einnahme Jerusalems 1099 durch die Kreuzfahrer mit einer religiösen Fiktion kombiniert und die Frage aufgeworfen, wie die Bevölkerung wohl reagiert hätte, wäre ihnen ein Mann mit den Kräften begegnet, wie sie Jesus gehabt hat.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Passend zum ernsten Grundtenor startet die Geschichte mit teils düsteren, teils bedrohlichen Bildern. Orangerote Farbtöne dominieren viele Bereiche des Comics und verheißen Feuer und Krieg, Aggression und Tod. Kaltblaue Farben schaffen Distanz oder unterstreichen nächtliche Szenen. Demgegenüber begegnet man fröhlich hellen Farben mit blauem Himmel und dem leuchtenden Grün der Täler wie in dem Panel auf Seite 4 nur sehr selten.

Der Zeichenstil in Band 1 fällt einerseits durch Detailreichtum, andererseits durch eine gewisse grobe Note auf. Schon wenn hervorgehobene Figuren in ganzer Gestalt gezeigt werden, werden die Zeichnungen gröber; je kleiner sie in einem Panel sind, desto mehr verstärkt sich der Effekt. Stellenweise sind Protagonisten dann nur noch über ihre Kleidung oder für sie typische Körperhaltung klar erkennbar. Aber auch portraitiert zeigen sie durch auffällige Schraffuren rauere Züge. Bei Landschaften schaut es ähnlich aus. Sie können sehr schön herausgearbeitet werden, doch sind sie regelmäßig eher umrissen denn allzu exakt. Dass dies auch anders geht und der Zeichner wesentlich feiner arbeiten kann, zeigt sich auf Seite 51 beim Blick auf Konstantinopel. Innenansichten wie der Speisesaal von Bohemund von Tarent werden zeitgemäß und in der Regel aufwendig zu Papier gebraucht. Säulen, Wandmalereien und viele Details geben den Räumen Gestalt.
In Band 2 gibt es einen leichten Stilbruch, denn die Zeichnungen sind nun gleichmäßiger und etwas feiner. Dies gilt für die Figuren genauso wie die Gegenden, durch die die Kreuzritter reisen. Der nächste erkennbare Bruch erfolgt mit Band 4, der wieder gröber als die vorangegangenen zwei Teile ist. Schon Portraits sind nicht mehr so fein wie zuvor, und ab einer bereits mittleren Distanz zu Figuren und Orten lässt die Detailzeichnung deutlich nach. So ist der erste Anblick von Jerusalem – dem Ziel der Kreuzfahrt und damit entsprechend wichtig – im Vergleich zu den Zeichnungen von Konstantinopel und Antiochia eher enttäuschend und wartet mit wenig Einzelheiten auf.
Insgesamt sagte mir der Stil von Marty zu und passte auch zur Geschichte, doch wird er vielleicht nicht jedermanns Geschmack treffen, daher rate ich dazu, vor dem Kauf erst einen Blick in die Leseprobe zu werfen, um festzustellen, ob sie einem gefällt.

In Traum von Jerusalem begegnet man vielen Charakteren, die für die Geschichte mal mehr, mal weniger wichtig sind. Dabei versteht es der Zeichner, ihnen allen ein individuelles Aussehen zu verleihen. Auch im Schlachtengetümmel stellt er sie vielfältig und abwechslungsreich dar. Werden die Protagonisten hervorgehoben, sind sie oft detailliert und genau gezeichnet und charakterisiert. Karlis, der Schwarzer Live genannt wird, hat düstere Züge, sein dunkles Haar hängt ihm in das Gesicht und passt hervorragend zu seinem wilden und temperamentvollen Wesen. Herrschaftlich und stark wirkt der rotblonde Bohemund von Tarent. Hermance Languedolce hat ein eher schroffes Aussehen, sein Gesicht ist gezeichnet von seiner Vergangenheit, den Grausamkeiten der Gegenwart und seinen Visionen, die der Passion Christi, bezogen auf ihn selbst, entsprechen.
Kleidung und Rüstung, Schmuck und Waffen spiegeln ebenfalls ziemlich genau und oft reich verziert den Status ihrer Träger wieder. Emotionen sind aus den Zügen exakt zu entnehmen und den Ereignissen angepasst.

Die Kämpfe sind brutal und blutig, und in den Szenen, in denen der junge Hermance gezwungen wird, seine Kräfte gegen seine Feinde nutzen, wird die Wirkung in grausam erscheinenden Illustrationen verdeutlicht (Seite 6/7 oder Seite 9). Auch die Foltermethoden des Mittelalters in all ihren Facetten kommen nicht zu kurz. Besonders beeindruckend sind die Schlachtszenen ab Seite 134. Auf den folgenden Seiten erstreckt sich ein Panel im Panoramaformat über die Doppelseite, darunter zeigen einzelne herausgegriffene Bilder die Brutalität der Kämpfe. Ungeschönt geht der Zeichner auch auf die Opfer – aufgeschlitzt und schlimm zugerichtet – von Massakern ein. Damit ist dieser Comicband weder etwas für Zartbesaitete, noch für junge Leser geeignet, spiegelt aber die Auswirkungen von Kriegen im Mittelalter realistisch wider.

Visionen und Träume heben sich nicht nur durch ihre düstere, oft rot-monochrome Darstellung, sondern teilweise auch durch die tiefschwarze Umrandung ab, während die übrigen Panels weiß umrandet und durch Stege getrennt sind. Die Größe variiert dabei ganz nach den Bedürfnissen der Bildinhalte und kann sich bis zu ganzseitigen Grafiken erstrecken. Die Leserichtung ist jederzeit eindeutig.

Inhalte von Sprechblasen oder als Erzählung aus Sicht von Karlis sind comictypisch in Großschrift gehalten, Schreie werden durch Fettdruck und gezackte Sprechblasen verdeutlicht. In Worten dargestellte Geräusche finden sich nur sehr wenig und sind – auch panelübergreifend – so in die Bilder eingefügt, dass keine wichtigen Bildteile überlappt werden.

An einigen wenigen Stellen fehlt es der Geschichte ein wenig an Erklärung, die sich aus den Bildern und Texten nicht immer vollständig ergibt. Dies betrifft nicht nur einige Wunder von Laguedolce, sondern auch den Ablauf mancher Ereignisse, wie dem Sieg über die Türken auf Seite 74.


Aufmachung des Comics
Ehapa Comic Collection fasst die vier Bände der französischen Originalfassung in diesem All in one als Hardcovervariante im Din A4-Format zusammen. Die Materialwahl des Umschlagkartons und des Papiers ist, genau wie die Verarbeitung, einwandfrei und wiesen nach dem ersten Lesen keinerlei Gebrauchsspuren auf. Inhaltlich gibt es neben dem Comic außer dem Impressum und einigen Widmungen vom Autor und Zeichner keine zusätzliche Ausstattung – wenigstens einige Kurzinformationen zu den Machern wären wünschenswert gewesen.


Fazit
Traum von Jerusalem ist ein Comicband um Glauben, Liebe und Verrat, um den religiösen Fanatismus und die Siege und Verluste, aber auch die Verbrechen der Kreuzfahrer. Historische Begebenheiten gepaart mit religiöser Fiktion ergeben eine spannende, aber auch blutig-brutale Story für Erwachsene.


4_Sterne


Hinweise
Rezension von Sven Trautmann
Herzlichen Dank an Ehapa Comic Collection für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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