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Paris 1818: Die Rufe nach Revolution sind längst verklungen, Napoleon endgültig vertrieben und die Bourbonen wieder an der Macht. Doch die neue, noch fragile Ordnung wird bedroht: Louis-Charles, Sohn Marie Antoinettes und Ludwigs XVI., scheint wieder unter den Lebenden zu weilen. Dabei gilt der einstige Kronprinz, der die letzten Monate seines jungen Lebens in einem schwarzen Turm gefangengehalten wurde, schon seit Jahren als tot. François Vidocq, Chef der Geheimpolizei und Schrecken der Pariser Unterwelt, folgt den Gerüchten durch die dunklen Gassen des Quartier Latin und die verwahrlosten Salons des alten Adels. Dabei trifft er auf den verwirrten Charles Rappskeller. Und tatsächlich spricht einiges dafür, daß der junge Mann der verschollene Königssohn ist. Während Vidocq versucht herauszufinden, was damals im schwarzen Turm wirklich geschehen ist, setzt ein gewisser "Monsieur" alles daran, Charles Rappskeller wieder verschwinden zu lassen.

 

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Originaltitel: The Black Tower
Autor: Louis Bayard
Übersetzer: Silvia Morawetz
Verlag: Insel
Erschienen: 17. April 2011 
ISBN: 978-3458174974
Seitenzahl: 414 Seiten

 


Die Grundidee der Handlung
Das ereignislose, langweilige Dasein des jungen Arztes Hector Carpentier wird von einem Tag zum anderen auf den Kopf gestellt, als der „berühmt-berüchtigte“ Chef der Pariser Geheimpolizei, François Vidocq, von ihm Hilfe bei der Aufklärung eines Mordes fordert. Obwohl der Tote Hectors Adresse bei sich trug, ist er diesem jedoch völlig unbekannt, trotzdem vermutet Vidocq eine Verbindung zwischen ihnen und bezieht Hector in seine Ermittlungen ein.
Was zunächst wie ein „normaler“ Raubmord aussieht, entwickelt sich plötzlich zu einem brisanten, die staatliche Ordnung gefährdenden Fall.
Ist es möglich, dass der angeblich vor über 20 Jahren verstorbene Dauphin - so lautete der offizielle Titel der französischen Kronprinzen - Louis-Charles, Sohn Marie Antoinettes und Ludwigs XVI. noch lebt? Was würde das für Frankreich bedeuten, auf dessen Thron nun Ludwig XVIII., sein Onkel sitzt? Wie hätte der damals Zehnjährige aus dem Temple, dem schwarzen Gefängnisturm, entkommen können? Diesen Fragen müssen Vidocq und sein Assistent Hector sehr behutsam nachgehen, da der potenzielle Thronanwärter bereits die Aufmerksamkeit einflussreicher Kreise erregt hat, die alles versuchen, seine Anerkennung zu verhindern.


Stil und Sprache
Das Buch beginnt ohne besondere Einleitung mit dem ersten von insgesamt 7 Teilen eines „Arztberichtes“, die sporadisch die 51 Kapitel unterbrechen. Knapp und stichpunktartig wird hier der Zustand eines, anfangs nicht näher genannten, Patienten beschrieben, sowie die Maßnahmen, die zur Verbesserung seiner Gesundheit vorgeschlagen oder durchgeführt werden. Diese Abschnitte sind nach dem „Revolutionskalender“ datiert, beginnend mit 13. Thermidor II. (31 Juli 1794) und unterscheiden sich in der Schriftart von den übrigen Kapiteln.
Diese schildern - in der Ich-Form von Hector Carpentier erzählt - die Ereignisse des Jahres 1818 und scheinen zunächst gar keinen Bezug zu dem Patiententagebuch zu haben, vielmehr beschreibt Carpentier recht ausführlich sein geordnetes, langweiliges Leben im Hause seiner Mutter, in das urplötzlich Vidocq mit seinem Ansinnen eindringt. Man erwartet, dass nun etwas gravierendes passieren wird, aber noch ist Hector nicht in der Lage, sich auf die neue Situation einzustellen, zu lange hat er sich von seiner dominanten Mutter gängeln lassen. So begleitet er Vidocq zunächst nur zögernd und man merkt seiner Erzählung an, wie zuwider und unbequem ihm das alles ist.
Aber dann, gerade als der Leser sich zu fragen beginnt, wann die Geschichte endlich richtig in Fluss kommt, fällt plötzlich - auf Seite 99 - der entscheidende Name, der die Handlung vorantreibt und ab jetzt den Spannungsbogen hochhält. Auch die Tagebuchaufzeichnungen gewinnen an Bedeutung und ergeben nun ein schlüssiges Ganzes, wobei anzumerken ist, dass eine sehr brutale Szene kurz vor Schluss überhaupt keine Auswirkung auf das Ende des Buches hat und von daher völlig unnötig erscheint.


Figuren
Im Mittelpunkt des Buches steht der Gründer der französischen Geheimpolizei, der auf Grund seiner eigenen kriminellen Vergangenheit mit den Machenschaften der „Unterwelt“ bestens vertraut war, überall seine Spione hatte und selbst in zahlreichen Verkleidungen auf Verbrecherjagd ging. Sein bewegtes Leben ist recht umfassend dokumentiert und der Autor hat sich weitgehend an die bekannten Fakten gehalten, auch wenn manche der geschilderten Charakterzüge Vidocq dem Leser nicht unbedingt sympatisch machen. Er ist nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel, setzt auch mal Bedrohung und Bestechung gegenüber kleinen Gaunern ein, deren grobe Sprache er im Umgang mit ihnen anwendet, während er mit Hector und Personen höheren Standes entsprechend vornehmer spricht und umgeht.
Trotzdem ist Hector zunächst von Vidocq eingeschüchtert. Weich und wenig selbstbewusst geht er Konfrontationen am liebsten aus dem Weg, was sich vor allem im Verhältnis zu seiner Mutter zeigt. Im Verlauf der Handlung gewinnt er aber an Entschlossenheit, wird zunehmend sicherer und zeigt in gefährlicher Situation plötzlich Mut und Tatkraft.

Eine nicht unwesentliche Nebenrolle spielt die Herzogin von Angoulême, die Schwester des Dauphin, da sie ihn als Einzige identifizieren kann. Durch die schlimmen Erlebnisse ihrer Jugend geprägt, ist sie ein misstrauischer, verschlossener Mensch geworden und steht - verständlicherweise - auch ihrem angeblichen Bruder so gegenüber.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuches zeigt die Front eines vornehmen Hauses bei Nacht. Wuchtige Säulen werden von einer unsichtbaren Lichtquelle angestrahlt und werfen ihre Schatten auf die Hauswand. Dazwischen erkennt man die Silhouette eines Mannes, der im Stil des beginnenden 19ten Jahrhunderts mit Zylinder und Umhang, also passend zum Inhalt des Buches, bekleidet ist. Die ganze Szene macht einen geheimnisvollen Eindruck und weckt die Erwartung auf eine spannende Lektüre.
Die ausklappbaren Coverinnenseiten zeigen vorn und hinten eine Karte von Paris und Umgebung. Am Ende des Buches findet sich eine Zeittafel, ein Stammbaum der Bourbonen und eine Danksagung des Autors.


Fazit
François Vidocq gilt als „Vater“ der modernen Kriminalistik und als erster Privatdetektiv überhaupt. Der fiktive Fall um den verschollenen Dauphin zeigt auf sehr interessante und spannende Weise, wie intelligent und methodisch dieser ehemalige Kriminelle es verstand, seine eigenen Erfahrungen nunmehr in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Ein lesenswertes Buch.


4 Sterne


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