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IN EINER NAHEN ZUKUNFT, INMITTEN EINES TOTALITÄREN STAATES, DER JEGLICHE INDIVIDUALITÄT ZUGUNSTEN DER ALLMACHT UND DER STAATLICHEN LÜGE ZERSTÖRT, KÄMPFT EINE FRAU DARUM, DIE GRÜNDE FÜR DAS MYSTERIÖSE VERSCHWINDEN IHRES MANNES WÄHREND EINES EINSATZES IM ALL AUFZUDECKEN...

»Es war einmal ein König, der mithilfe eines Metronoms die Zeit beliebig kontrollieren und so seine Herrschaft ewig weiterführen konnte.« 
Dieses subversive Märchen mit seiner metaphorischen Botschaft wird eines Tages in der Post des Präsidenten entdeckt und sorgt für gehörigen Aufruhr innerhalb der totalitären Regierung. Niemand kennt seinen Autor, doch scheint dieser zweifellos aus den Reihen jener wenigen zu stammen, die es noch wagen, das aktuelle Regime zu kritisieren und eine Gefängnisstrafe zu riskieren. Zu jenen Leuten zählen auch Floreal Linman, ein anarchistischer Journalist bei der Vox Populi, und Lynn, eine junge Frau, die versucht, das mysteriöse Verschwinden ihres Mannes zu ergründen, der einige Wochen zuvor zu einer Weltraummission aufbrach. 
Eine Wahrheitssuche, die sich schnell als verzweifelter und ungleicher Kampf gegen ein diktatorisches Regime offenbart.

 

Metronom_01 

Originaltitel: Metronom: Tolérance Zéro
Autor: Éric Corbeyran
Übersetzer: Tanja Krämling
Illustration: Grun
Verlag: Splitter Verlag
Erschienen: November 2010
ISBN: 978-3-86869-238-9
Seitenzahl: 56 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
"Metronom" ist eine Dystopie allererster Güte, die mit ausgefeilten Dialogen und einer gut inszenierten Story aufwarten kann. Die Welt, die hier dem Leser als Spiegel vorgehalten wird, ist unserer Gegenwart nur wenige Schritte voraus, und es ist erschreckend, wie nahe sich unser vermeintlich "demokratisches" System an die Regierungsform eines totalitären Überwachungsstaates angenähert hat. Wir genießen zwar noch immer eine gewisse Rede- und Pressefreiheit, doch schon längst ist dieses Recht durch eine Vielzahl von Gesetzen und Ausnahmeklauseln massiv beschnitten. Argumentiert wird dadurch, dass der Schutz der Gemeinschaft im Vordergrund stehe, doch die Erlangung immer stärkerer Kontrolle ist die Maxime. Durch geschickte Manipulation mithilfe moderner Medien wird die Bevölkerung eingeschüchtert und ihr glaubhaft gemacht, dies sei in Ordnung.

Genau nach diesem Muster werden auch in "Metronom" die Menschen manipuliert und gesteuert. Doch die Regierung ist bereits deutlich weiter fortgeschritten, sonst wäre es ja auch keine Dystopie. Das neueste Dekret, das zum Wohle der Gemeinschaft erlassen werden soll, verbietet den Selbstmord und stellt ihn dem Mord gleich. Auch die nächsten Angehörigen machen sich eines Mordes schuldig und haben mit erheblichen Sanktionen zu rechnen. Ein intelligenter Schachzug, sorgt man doch so dafür, dass sich alle gegenseitig überwachen und selbst Familienmitglieder einander nicht mehr trauen können. Der geniale Motor, der dieses System am laufen hält, ist die Einführung der elektronischen Wahl. Alle Dekrete werden per Volksabstimmung beschlossen, die Abstimmung per Mausklick soll für einen schnellen, reibungslosen Ablauf sorgen. Selbstverständlich werden alle Dekrete mehrheitlich beschlossen, denn keiner ist imstande zu beweisen, dass die Wahlen beeinflusst werden, doch vielen dämmert es schon lange...


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der grafische Stil von "Metronom - Nulltoleranz" geht mit der Botschaft, die dieser Comic zu vermitteln sucht, eine nahezu perfekte Symbiose ein. Grun bringt eine Welt zu Papier, in der die Mächtigen und finanziell Unabhängigen endgültig die volle Kontrolle übernommen haben. Im Vordergrund steht nur noch der Profit einiger weniger, was durch ein Ambiente grauer Tristesse, mit Straßen voller Müll und ununterbrochen qualmenden Fabrikschloten zum Ausdruck gebracht wird. Der einfache Arbeiter wird in dieser Welt gnadenlos ausgebeutet und in eine Umgebung abgedrängt, aus der er niemals entfliehen kann. Gleichzeitig wird er durch die stetige Eintönigkeit immer phlegmatischer und stumpft immer mehr ab. Dies wird optisch in Szene gesetzt durch eine Vielzahl an Menschen, die mit schlaffen, fast schon versteinerten Gesichtszügen durch die Straßen ziehen. Etwas, was dem morgendlichen Anblick in Straßenbahnen und Zügen nicht unähnlich ist. Der Blick auf die Skyline, die übrigens sehr aufwändig koloriert wurde, wird mit Grau- und Brauntönen in Szene gesetzt. Die Farben werden wunderbar stofflich und zart zu Papier gebracht. Die Farbverläufe sind sehr weich und gehen meist in eine Art Smog über, der überall präsent zu sein scheint. Grünzonen oder lebende Pflanzen scheint es überhaupt keine mehr zu geben. Lediglich die Einrichtungen des ehemaligen Zoos, der völlig verwildert ist, werden als von Grünpflanzen überwucherte Ruinen dargestellt. Der Besuch von Zoos wurde schon vor Jahren verboten, daher ist dieser Ort dem Verfall anheim gefallen.

Hierbei verdeutlicht sich dem Leser auch der wahre Grund eines Verbots von Selbstmord. In einer Welt, in der die Perspektivlosigkeit immer mehr zunimmt, steigt auch die Anzahl derer, die den einzigen Ausweg aus diesem Wahnsinn darin sehen, ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Gerade in den Bevölkerungsschichten der einfachen Arbeiterklasse ist der Druck besonders stark, dadurch ist die Rate der Suizide hier besonders hoch. Doch lediglich Arbeiter produzieren Waren und erwirtschaften somit für alle anderen das Kapital. Ohne eine ausreichende Anzahl an Arbeitern stagniert die Produktion und das ganze System beginnt zu wanken, denn jemand aus den höheren Bevölkerungsschichten würde sich niemals die Hände schmutzig machen. Ergo: Der Selbstmörder ist eine ernste Gefahr für das System, denn er versucht durch seinen Suizid dem System seine Arbeitskraft zu entziehen. Zu einer modernen Form der Sklaverei ist es da nur noch ein ganz kleiner Schritt. Der allegorische Seitenhieb auf unsere "modernen und effizienten" Wirtschaftsformen ist unverkennbar... Dass die Arbeiterklasse letztendlich das wichtigste Rad im Getriebe ist, gleichzeitig aber finanziell an unterster Stelle steht, ist eine Sache, die sich nur mit einem sehr befremdlichen Sinn für Gerechtigkeit als sozial korrekt erkennen lässt. Unsere Herren Politiker scheinen allesamt über diesen ganz speziellen Blick zu verfügen.

Um ein solches System unter Kontrolle zu halten, sind selbstverständlich eine Menge moderner Systeme zur völligen, totalitären Überwachung notwendig. Überall in den Straßen und insbesondere an Hauseingängen und strategisch wichtigen Knotenpunkten sind Videokameras platziert. Einige der im Comic dargestellten Apparaturen könnten auch Iris-Scanner sein, es ist aber nie eindeutig erkennbar, ob es sich um solche Geräte handelt. Weiterhin hängen überall Lautsprecher und Videowände, die das gezielte und vor allem ununterbrochene Berieseln mit Propaganda gewährleisten. Parallelen zu "V wie Vendetta", dem Comic von Alan Moore, lassen sich nicht verleugnen, denn auch dort dienen die Medien als wichtigstes Instrument, um die Bevölkerung nach Belieben zu manipulieren. Dem Volk gaukelt man eine freie und unabhängige Berichterstattung vor, doch längst bekommt es nur Lug und Trug zu sehen. Selbstverständlich war aber selbst Alan Moore nicht der erste, der die grundlegende Idee eines solchen Stoffs aufgreift. Auch die massive Präsenz von Polizeikräfen in den Straßen und an wichtigen Plätzen, sowie der "böse" Bulle, der gegen einen der Hauptcharaktere ermittelt, kennt man schon.

Die gesamte Stimmung, die durch diese sehr stimmigen Bilder entsteht, trägt entscheidend dazu bei, den Leser/Betrachter vollkommen in das Szenario einzubeziehen, was ausgezeichnet gelingt.


Aufmachung des Comics
Der Band ist sehr hochwertig gebunden und die Qualität des Drucks ist makellos. Das Covermotiv ist schon recht vielversprechend, es passt auch sehr gut zum Inhalt. Das verwendete Papier ist matt, was die zarten Farben der aufwendigen Kolorierung sehr schön zur Geltung bringt.

Die gesamte Verarbeitung ist ganz so, wie man es vom Splitter Verlag gewöhnt ist: perfekt. Bonusinhalte gibt es in diesem Band keine.


Fazit
"Metronom" ist von der Idee her zwar nicht ganz neu, aber die Umsetzung ist geradezu perfekt gelungen. Somit ist gute und vor allem tiefsinnige, zum Nachdenken anregende Unterhaltung garantiert. Unbedingt empfehlenswert.


4,5_Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den Splitter-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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