Smaller Default Larger

Boston, 1870. Sylvanus Bendall eilt durch die engen Gassen des heruntergekommenen Stadtviertels New Land. Im fahlen Licht der Dämmerung wirkt der Nebel wie ein Leichentuch. Immer wieder dreht der Anwalt sich um und lauscht. Der Verfolger kommt näher. Bendall beschleunigt seine Schritte - vergeblich. Sein Blick fällt auf den Knauf eines Gehstocks, der wie ein Bestienkopf aussieht. Reißzähne blitzen auf. Bendall ahnt, was der Unbekannte mit den schwarzen Augen von ihm will: das Papierbündel in seiner Westentasche - die letzten unveröffentlichten Seiten aus der Feder des kürzlich verstorbenen Charles Dickens. Sie bergen ein dunkles Geheimnis - und jeder, der es kennt, muss sterben.

 

 

Originaltitel: The last Dickens
Autor: Matthew Pearl
Übersetzer: Linda Budinger und Alexander Lohmann
Verlag: Bastei Lübbe Verlag
Erschienen: 14.Januar 2011
ISBN: 978-3-404-16539-1
Seitenzahl: 512 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die Grundidee des Romans ist zwar bei Dan Brown abgekupfert, aber dennoch immer wieder gut. Als Charles Dickens überraschend stirbt hinterlässt er einen unvollendeten Roman "Das Geheimnis des Edwin Drood". Der Roman sollte in 12 monatlichen Folgen veröffentlicht werden. Nun ist gerade erst die Hälfte erschienen und seinem Verlag in Boston droht der finanzielle Ruin, da 1870 das Urheberrechtt für britische Autoren in den USA nicht galt und nun Raubkopien en masse drohen. Der Verleger Osgood macht sich mit seiner Sekretärin Rebecca auf die Suche nach den restlichen 6 Kapiteln, von denen niemand weiß, ob sie überhaupt existieren. Eine anscheinend rein geschäftliche Angelegenheit erweist sich schnell als höchst gefährlich für alle Beteiligten.

 
Stil und Sprache
Sprachlich kann mich der Autor durchaus überzeugen. Gute Dialoge und treffende Beschreibung von Landschaften und Begebenheiten machen das Lesen zu einem Vergnügen. Was allerdings überhaupt keinen Spaß macht, sind die vielen verschiedenen Handlungsstränge, von denen einer sogar ins Leere läuft. Sie werden zwar am Ende zusammengeführt, aber das wirkt doch alles sehr gezwungen. Das liegt aber am Grundfehler des Romans. Einerseits zeichnet er die letzten Lebensjahre von Charles Dickens nach, einschließlich dessen Lesereise durch die USA, gewährt Einblicke in seine Bücher und stellt den Literaturbetrieb jener Jahre vor, andererseits strickt er an einem Krimiplot, der aber nicht so recht zu überzeugen weiß. Es gibt immer wieder sehr spannende Szenen, die der Autor aber regelmäßig vermasselt, weil er abrupt die Spannung unterbricht, wohl in der Absicht, die allgemeine Spannung um das Geheimnis der letzten Kapitel aufrecht zu erhalten. Allerdings der Showdown ist gelungen, wenn auch etwas kurz geraten. Trotzdem -  Respekt.

Der "Epilog" fällt für meinen Geschmack aber nun wieder zu lang aus. Zu "Das Geheimnis des Edwin Drood" wurden schon mehrfach spekulative Fortsetzungen geschrieben, Pearl versucht eine weitere, die sehr gut recherchiert ist, auch was die Zeitumstände betrifft, nur schade, dass er sich auf diese wilde Mischung eingelassen hat, anstatt sich auf Charles Dickes oder die Kriminalgeschichte zu beschränken. So entstehen leider immer wieder auch Längen, die einem das Weiterlesen manchmal erschweren.


Figuren
Das Buch wimmelt von Figuren, die nur am Rande eine Rolle spielen, und oft auch rasch gemeuchelt werden oder die zu dem Handlungsstrang um Frank Dickens gehören, von dem man überhaupt nicht weiß, wozu er eingefügt wurde. Die darin enthaltenen Informationen zum Opiumhandel hätte man auch anderweitig dem Leser mitteilen können. Einige Nebenrollen, sind ganz gut ausgeführt, andere bleiben blass. Und man fragt sich wieder, was man mit ihnen anfangen soll.

Tom Branagan ist dabei am besten ausgeführt und zusammen mit Charles Dickens, der die eigentliche Hauptrolle inne hat, mein Lieblingscharakter. Sie sind eigenständige Persönlichkeiten, während die anderen, auch Osgood und Rebecca, lediglich mehr oder weniger gute Abzüge von dickenschen Figuren darstellen, als da wären der liebenswürdige Gentleman, die verarmte Tochter aus gutem Hause, der Bösewicht mit Gewissen, der gerissene Geschäftsmann, der Schurke und der große Unbekannte im Hintergrund. Der Autor zeigt damit zwar, dass er Dickens kennt und wie ich vermute auch verehrt, aber dessen Klasse hat er eben nicht. Keine der Figuren, außer den bereits erwähnten Ausnahmen, lebt so richtig, sie erfüllen im Wesentlichen nur eine Funktion. Das haben Romanfiguren nicht verdient.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch liegt gut in der Hand und das Cover gefällt mir auch. Titel und Autor sind zwar dezent in schwarzen Lettern gehalten, aber sofort zu erkennen. Ein Bündel Papiere zusammengehalten von einer einfachen Schnur verweist schon mal auf den Inhalt und der blutverschmierte Dolch tut sein Übriges dazu. Der Klappentext auf der Rückseite ist allerdings irreführend, denn er suggeriert, dass es sich um den tatsächlichen Inhalt handelt, dabei ist es nur ein Auszug aus dem Buch, der noch nicht mal korrekt zitiert wird. Immerhin macht er neugierig auf das Buch und das ist ja seine eigentliche Aufgabe. Einige Seiten historische Anmerkungen vervollständigen es.


Fazit
Ein Buch in Dan-Brown-Manier, ohne dessen Klasse. Zu bemüht die Geschichte. Aber ... wer jetzt nicht neugierig auf Dickens und sein unvollendetes Buch geworden ist, ist selber schuld.


2 5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo