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Furcht regiert in der Dunkelheit ...

... denn mit Einbruch der Dämmerung steigen Dämonen aus den finsteren Nebeln der Erde auf und machen Jagd auf alle Lebewesen. Die einzige Zuflucht bieten magische Siegel, hinter denen sich die Menschen des Nachts verstecken, und die Hoffnung auf einen verheißenen Retter der Menschheit.

Als die Städte des Nordens von einer gewaltigen Armee von Wüstenkriegern überrollt werden, angeführt von Jardir, dem selbsternannten Erlöser, scheint alle Hoffnung verloren. Doch Jardir ist nicht der Einzige, der um die verschollen geglaubten Kampfsiegel weiß: Arlen, der Tätowierte Mann, hat mit ihm noch eine tödliche Rechnung offen ... 


Das_Fluestern_der_Nacht 

Originaltitel: The Dessert Spear
Autor: Peter V. Brett
Übersetzer: Ingrid Herrmann-Nytko
Verlag: Heyne
Erschienen: August 2010
ISBN: 978-3453-52611-2
Seitenzahl: 1008 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Peter V. Brett erzählt zu Beginn des zweiten Bandes seiner düsteren Saga zum ersten Mal aus der Sicht der Dämonen, und stellt zugleich zwei völlig neue Dämonenarten vor, deren besondere Fähigkeiten noch eine zentrale Rolle spielen werden. Leider wendet sich Brett anschließend, für das gesamte erste Drittel des Buches, ausschließlich Jardir zu und beschreibt dessen gesamten Lebensweg. Auch einige sehr überraschende Dinge erfährt man dabei. Dann endlich geht es mit den Ereignissen im Tal der Holzfäller weiter, welches von seinen Bewohnern in Tal des Erlösers umbenannt wurde - sehr zum Missfallen von Arlen, der nach wie vor nicht als Erlöser bezeichnet werden möchte. Im Tal werden die Dämonen mittlerweile jede Nacht bekämpft und mit Leeshas Hilfe, die offenbar ein wahres Genie ist, gelang es, viele Siegel zu modifizieren und auf diese Art mächtige Gegenstände zu erschaffen. Doch die vermeintliche Idylle wird jäh gestört, als plötzlich regelrechte Flüchlingsströme im Tal ankommen. Die Krasianer haben, unter der Führung von Jardir, Fort Rizon eingenommen und das Volk gnadenlos unterjocht. Jeder, der noch rechtzeitig flüchten konnte, ergriff die Flucht, denn die Krasianer kennen in ihrer Selbstgefälligkeit und ihrer völligen Verblendung keine Gnade. Hätten sie nicht Jardir als weisen und weitsichtigen Anführer, würden die Nordländer einfach nur abgeschlachtet, denn diese feigen Weichlinge sind in den Augen der Krasianer nicht würdig auf der gleichen Stufe zu stehen wie die Sharum Ka. Doch Jardir besitzt genügend Weitsicht, die eigenen Traditionen zurück zu stellen und das wirklich Wichtige zu erkennen, denn die Krasianer sind viel zu wenige, um aus diesem Krieg siegreich hervor zu gehen.

Der zweite Teil von Peter V. Bretts Dämonentrilogie ist mit seinen 1008 Seiten ein echtes Schwergewicht, das den hohen Erwartungen leider nicht ganz gerecht werden kann. Über weite Strecken ist es viel zu langatmig geraten und die zentralen Handlungstränge werden kaum voran getrieben. Brett verwendet mehr als die Hälfte des Buches, um seinen Figuren mehr Tiefe zu geben. Dies ist zwar sehr lobenswert, es ist jedoch etwas zu ausführlich geraten.


Stil und Sprache
Die neue Erzählperspektive, aus der Sichtweise des Horclingprinzen, bringt viel Potentzial ins Geschehen und macht die plumpen, hirnlosen Bestien zu einem gefährlichen Gegner. Dies schürt, gleich im Prolog, kräftig die Erwartungen und lässt viel hoffen. Was dann folgt ist eine kräftige Ernüchterung. Der Plot wendet sich Jardir zu und beschreibt dessen gesamten Lebensweg. Der Leser erfährt, mit welch gnadenloser Gehirnwäsche ein ganzes Volk zu religiösen Wahnsinnigen erzogen wird. Den Sharum Ka - das sind die Männer, denen es erlaubt ist gegen die Alagai (die Horclinge beziehungsweise Dämonen) zu kämpfen - ist nahezu alles straffrei erlaubt. Sie dürfen ihre Frauen nach belieben züchtigen oder, wenn sie untreu sind, auch töten. Einem Sharum Ka ist es ebenso gestattet die Frauen der unwürdigen Kaffit nach belieben zu vergewaltigen. Für die Frauen soll dies gar eine Ehre sein, wenn ein Sharum Ka sich dazu herablässt sie zu befruchten. Die ganzen Beschreibungen auf den ersten 330 Seiten sind ein einziger, fanatischer Alptraum, der völlig ungeschönt zum Besten gegeben wird. Hier wurde das Zerrbild, das einige westliche Kulturen von der islamistischen Kultur haben, zum Vorbild genommen, und das Buch verkommt zur Abrechnung mit dem Islam. Berücksichtigt man, das Brett ein Bürger New Yorks ist, wird einem schnell klar, dass dieses Werk starke allegorische Züge trägt. Diese sind aber nicht raffiniert verpackt, stattdessen wurden sie völlig offensichtlich zu Papier gebracht.

Auffällig ist, dass Brett viel zu selten die Erzählperspektive wechselt. Er bleibt über 300 Seiten ausschließlich bei einer Erzählperspektive, nur um im Anschluss ausgesprochen häufig zu wechseln. Die ersten 330 Seiten sind eine regelrechte Prüfung, denn die menschlichen Demütigungen, Vergewaltigungen und fanatischen Weltanschauungen sind ganz schön harter Tobak. Dabei ist es nicht gerade förderlich, dass ständig irgenwelche Bezeichnungen für militärische und religiöse Ränge auftauchen, die sich in ihrem Wortlaut viel zu sehr ähneln, um sie klar differenzieren zu können. Da auf ein Register ebenfalls verzichtet wurde, muss man sich hier ganz auf ein gutes Gedächtnis verlassen. Hier ein paar Beispiele: Sharum Ka, Sharum, Shar´Dama Ka, nie´Sharum, Kaji-dal´Sharum, kai´Sharum, Sharak Ka, Sharak Sun, dama, nie´Dama, Damaji, Damajah, Shiwah Ka, dama´ting.
Wohl dem, der hier noch durchblickt ... Dagegen ist selbst „Das Lied von Eis und Feuer“ mit seinen mehreren hundert Personen noch relativ leicht zu überblicken, denn die Namen unterscheiden sich klar und an jedem Hofstaat hat man es jeweils mit einer relativ begrenzten Personenzahl zu tun. Doch hier muss man sich des öfteren aus dem weiteren Kontext zusammenreimen, was da gerade gemeint ist, denn recht schnell verliert man bei diesen Wortspielchen die Übersicht.

Ein weiteres Manko des Buches sind die extrem peinlichen Schreibfehler, die sich bei der Übersetzung eingeschlichen haben. Hier wurde vermutlich, bei der Übersetzung, mit viel Zeitdruck gearbeitet, wodurch sich viele Fehler und auch nicht so gelungene Formulierungen eingeschlichen haben. Beim ersten Band war dies deutlich besser. Auch hier ein kleines Beispiel: "Eine Stunde später schlurfte Coran Sumpfig den Weg entlang, der sich schwer auf seinen Stück stützte" (Seite 610). Über solche Fehler stolpert man leider immer wieder, oft steht sogar ein völlig falsches Wort an einer Stelle, an die es nicht hingehört, und es wurde nicht nur ein einzelner Buchstabe vertauscht, wie in dem Beispiel.


Figuren
Wenden wir uns der Charakterzeichnung zu. Diese ist die große Stärke der Geschichte und gleichzeitig eine ihrer Schwächen. Brett tritt vor allem die Selbstzweifel von Arlen viel zu breit und zieht die Geschichte damit völlig unnötig in die Länge. Auch lassen sich die Handlungen sowohl von Arlen, als auch Leesha nicht immer nachvollziehen. Ab und an fragt man sich gar, ob sie jetzt völlig den Verstand verloren haben, denn sie handeln plötzlich in einer Art und Weise, die sie sich sonst völlig untersagen.
Weiterhin ist die Entwicklung von Leesha nicht gerade sonderlich glaubwürdig. Sie entwickelt sich urplötzlich zu einem absoluten Multitalent. Kaum hat sie die Kampfsiegel zum ersten Mal gesehen, entwickelt sie aus purer Intuition eigene Siegel und kann sogar deren Wirkung bewusst steuern. Dinge, die sie zuvor über Jahre bei Bruna erlernen musste, fliegen ihr plötzlich zu, ohne dass sie sich darum bemühen muss. Selbst Arlen, der die Siegel jahrelang studierte und vor allem auch zu vielen Büchern Zugang hatte, die Leesha gar nicht kennt, wird binnen weniger Monate von Leesha im Verständniss der Wirkung der Siegel übertroffen.

Schön ist, dass die Horclingprinzen und die Mimikrydämonen eingeführt werden, und damit die Erzählperspektive sich erstmals der Sichtweise der Dämonen zuwendet. Dieser Part ist leider viel zu kurz geraten und wird auch im weiteren Verlauf nicht vertieft. Schade, hier hat Brett viel Potentzial aufgetan, um es dann zunächst einmal völlig brach liegen zu lassen. Wäre er hier ebenso ausfühlich geworden, wie zum Beispiel bei Jardirs Werdegang, würden wir heute eine deutlich abwechslungsreichere Story in Händen halten, die einem Meisterwerk deutlich näher käme.


Aufmachung des Buches
Leider ist "Das Flüstern der Nacht" nur als Klappenbroschur erhältlich, was bei einem so dicken Buch keine wirklich wertige Lösung ist. Durch die Klappenbroschur ist immerhin eine gewisse Stabilität gewährleistet, sodass nach einmaligem Lesen noch keine nennenswerten Knicke im Buchrücken zu sehen sind. Auch Eselsohren werden durch die etwas stabileren Ecken weitestgehend vermieden. Das Covermotiv ist reichlich einfallslos, bleibt aber dem Stil der bisherigen Bücher (Das Lied der Dunkelheit und Der große Basar) treu.

Die Karte, die auch schon im ersten Band auf der Innenseite der Umschlagspappe abgedruckt wurde, ist wieder mit an Bord. Auf ein Register, welches dringend notwendig wäre, und auf das Grimoire, welches in Der große Basar abgedruckt wurde, hat man leider verzichtet. Schade, auf die paar Seiten mehr wäre es auch nicht angekommen - und wer will schon beim Lesen eines so dicken Wälzers auf ein zweites kleines Büchlein angewiesen sein, nur um ab und zu etwas nachzuschlagen.


Fazit
Leider ist Band 2 von Peter V. Bretts Trilogie im ersten Drittel viel zu langatmig geraten. Die extrem detaillierte Charakterzeichnung ist zwar sehr positiv, jedoch hat sie auch ihre Schattenseiten. Es wäre nicht unbedingt notwendig gewesen Jardirs gesamten Lebensweg auf über 300 Seiten aufzuzeigen, hier wäre weniger am Ende deutlich mehr gewesen. Letztlich muss auch zunehmend befürchtet werden, dass es nicht bei den ursprünglich geplanten drei Bänden bleiben wird. Es sei denn, Brett geht wieder dazu über, ganze Zeitabschnitte in der Handlung einfach zu überspringen, wie er es im ersten Band tat. Das wäre ein eindeutiger Rückschritt und würde die Geschichte völlig ruinieren.
Wer auf extrem ausführlich geschilderte Erzählungen steht, kommt hier jedoch voll und ganz auf seine Kosten. Aber auch der Gewaltgrad ist immens hoch und menschliche Demütigungen der übelsten Art sind in diesem Buch sehr häufig anzutreffen. 


3,5_Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den Heyne Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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Oder sehen Sie sich dieses Interview von Peter V. Brett auf Youtube an.


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