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‚Er ist verschwunden!’
Montalbano fuhr von seinem Stuhl hoch, versuchte diese jähe Bewegung aber mit einem vorgetäuschten Husten zu tarnen.
‚Ich sehe, Sie rauchen’, sagte Rachele Estermann und deutete auf die Zigarettenpackung auf dem Schreibtisch.
‚Schon, aber ich glaube nicht, das der Husten …’
‚Ich meine gar nicht Ihren Husten, der im Übrigen vorgetäuscht ist, sondern dass ich hier rauchen kann, da Sie das ja offensichtlich auch tun.’ Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und ließ sich von Montalbano Feuer geben.
‚Na, dann schießen Sie mal los’, sagte sie und stieß den Rauch durch die Nase.
‚Pardon, aber Sie sind doch hierhergekommen, um mir zu erzählen …’
‚Das war vorher. Aber als Sie dann so merkwürdig auf meine Worte reagiert haben, war mir klar, dass Sie bereits über alles im Bilde sind. Stimmt’s?’


 

Originaltitel: La Pista di Sabbia
Autor: Andrea Camilleri
Übersetzer: Moshe Kahn
Verlag: Lübbe
Erschienen: 2010
ISBN: 978-3-7857-2395-1
Seitenzahl: 267 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Commissario Salvo Montalbano wacht eines Morgens auf und findet am Strand vor seinem Haus den Kadaver eines Pferdes. Dies scheint auf bestialische Weise zu Tode geprügelt worden zu sein. Doch als die Verwaltungsangestellten endlich kommen, um das Tier zu beseitigen, ist dieses bereits spurlos verschwunden. Die Verwirrung ist komplett und Montalbano fängt an, an sich selbst zu zweifeln. Als ihm eine Bekannte seiner Freundin Ingrid von ihrem gestohlenen Pferd berichtet, beginnt Salvo quasi ohne Auftrag mit den Ermittlungen, die ihn bald zum Gestüt von Lo Ducca führen. Dieser gibt dem Commissario den entscheidenden Hinweis. Einer seiner früheren Mitarbeiter will sich wohl an ihm rächen und hat den Diebstahl inszeniert. Doch die Fakten, mehrere Einbrüche in Montalbanos Haus sowie Drohanrufe lassen ihn an der Geschichte zweifeln. Derweil verführt ihn die wunderschöne Rachele Estermann, die Besitzerin des Pferdes und Freundin von Ingrid und sorgt so für zusätzliche Verwirrung bei Salvo. Doch der Commissario wäre nicht er selbst, wenn er sich so leicht aufs Glatteis führen lassen würde. Er stellt den Tätern eine Falle und hofft auf die Mithilfe seiner Kollegen. Denn ohne diese hat er keine Chance.


Stil und Sprache
Andrea Camilleris Serie um den Commissario Salvo Montalbano ist zweifelsohne als italienischer Regionalkrimi zu sehen. Der Autor bringt die regionalen Eigenheiten - hier ist es Sizilien - gekonnt in seine Geschichte mit ein. Da dürfen dann natürlich die Machenschaften der Mafia oder aber auch das Stillschweigen (keiner hat etwas gesehen) in der Bevölkerung nicht fehlen. Er zeichnet auf liebevolle Weise für den Leser ein Bild seiner Heimat, bedient dabei Klischees über den südlichsten Teil Italiens, das Meer, die Hitze, die Menschen. Mit detailreichen Beschreibungen der Orte und Szenen und der Einbettung des Kriminalfalles in diese wunderschöne Landschaft sorgt er beim Leser für plötzlich aufkommendes Fernweh. Man spürt die salzige Meeresluft, die brennende Sonne auf der Haut und schmeckt die kulinarischen Köstlichkeiten, die der Autor seinen Commissario gerne und oft verspeisen lässt. Andrea Camilleri beschreibt dies alles in einer ganz besonderen Leichtigkeit, die mit ein Grund für dieses außergewöhnliche Lesegefühl ist. Dabei vermeidet er schwierige Ausdrücke oder zu viel Italienisch, auch die verwendeten Namen sind zwar alle landestypisch, jedoch trotzdem leicht zu lesen und zu merken. Auch typisch für die Montalbano-Serie ist diese ständige leicht knisternde Erotik, die nicht allein von den Szenen im Buch herrührt, sondern auch durch die vom Autor übermittelte, im italienischen Süden so typische sonnige Leichtigkeit kommt.

Die Spannung bewegt sich auf einem normalen, gleichmäßigen Niveau, wobei dies in den Montalbano-Romanen eher unwichtig ist, sie leben nicht von Gewalt, sondern von der Atmosphäre des Ganzen. Das Ende bleibt bis zum Schluss ein Rätsel und wird dann doch überraschend aufgelöst.


Figuren
Die Charaktere zeigen viel Vertrautes, handelt es sich doch immerhin schon um Fall 12, die vielen Kurzgeschichten nicht mitgerechnet. Allen voran natürlich Salvo Montalbano, der nun reife und etwas zur Ruhe gekommene Commissario im sizilianischen Vigata. Er lebt alleine in einem schönen Haus am Strand außerhalb von Vigata und lässt sich von seiner Haushälterin Adeline bekochen und beputzen. Seine Beziehung mit Livia, die im weit entfernten Genua lebt, ist wie eh und je von durch die Entfernung hervorgerufenen Missverständnissen geprägt und droht langsam aber sicher daran zu zerbrechen. Auch weil der Commissario, der selbst nicht unattraktiv ist, oft auf die Probe gestellt wird und diesmal der Schönheit nicht widerstehen kann. Er trifft, vermittelt durch seine Freundin Ingrid, mit der er eine besondere, knisternde, aber nie zum Finale kommende Beziehung führt, auf Rachele: Wie Salvo sagt, eine wahre Göttin, wunderschön, lange Beine, eine sagenhafte Figur und eine Frau, die weiß was sie will und wie sie es bekommt. Dieser Amazone kann er nichts entgegen setzen und es kommt während seiner Ermittlungen wie es kommen musste – ich warte ja schon seit seinem 1. Fall auf diesen Moment, auch wenn ich geglaubt hätte, er erlebt ihn mit Ingrid – er verfällt ihr. Eine Situation, die für den abgeklärten Commissario gänzlich neu ist, er schämt sich, aber nicht nur wegen Livia, sondern auch wegen Ingrid.

Derweil begegnen ihm die üblichen Verdächtigen in Gestalt von Mafia-Handlangern, die sich für besonders gerissen halten, aber eben die Rechnung ohne den Wirt (Commissario) machen. Camilleri zeichnet seine sizilianischen Verbrecher wie erwartet, die Großen unantastbar, phantomhaft, die Kleinen, die die Drecksarbeit verrichten müssen, selbstsicher und skrupellos. Doch immer sind sie auch verletzbar und wenn der wunde Punkt getroffen ist, brechen sie ein.


Aufmachung des Buches
Das mit einem Leineneinband versehene Buch ist mit einem farbig bedruckten Umschlag geschützt, auf dem durch ein offenes Fenster eine grüne, weinbewachsene, hügelige Landschaft zu sehen ist. Die edle Ausgabe wird durch ein grünes Stoffleseband noch aufgewertet. Am Ende des Buches befindet sich wie immer Eigenwerbung des Verlages.


Fazit
Ein weiteres Meisterstück des großen Andrea Camilleri, der seinen Commissario Montalbano mit viel Raffinesse, Spannung, Witz und einer gehörigen Portion knisternder Erotik ermitteln lässt.


5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Fall 1: Die Form des Wassers
Fall 2: Der Hund aus Terracotta
Fall 3: Der Dieb der süßen Dinge
Fall 4: Die Stimme der Violine
Fall 5: Das Spiel des Patriarchen
Fall 6: Der Kavalier der späten Stunde
Fall 7: Das kalte Lächeln des Meeres
Fall 8: Die Passion des stillen Rächers
Fall 9: Die dunkle Wahrheit des Mondes
Fall 10: Die schwarze Seele des Sommers
Fall 11: Die Flügel der Sphinx

Kurzgeschichten
Buch 1: Das Paradies der kleinen Sünder
Buch 2: Die Nacht des einsamen Träumers
Buch 3: Die Rache des schönen Geschlechts
Buch 4: Der falsche Liebreiz der Vergeltung

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