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[Auszug] Er ist der große Märchenerzähler von Hollywood: Seit dreißig Jahren dreht Tim Burton, der Mann mit der zerzausten Lockenfrisur, den schwarzen Künstler-Outfits und der blauen Sonnenbrille, Filme, die zum Träumen einladen. Die abschätzigen Unkenrufe, die seine eigenwilligen Filme zu Beginn noch als „weird" (verrückt) bezeichneten, sind inzwischen längst verstummt. [...] Die vorliegende Monographie entstand in jahrelanger Recherche und liefert auch im internationalen Vergleich das erste Mal einen fundierten und umfassenden Überblick über Tim Burtons gesamtes Schaffen. Sie beschränkt sich nicht nur auf die detaillierte Darstellung und Analyse seiner großen Spielfilm-Projekte, sondern bezieht auch seine Arbeiten als Produzent, Darsteller, Zeichner, Fotograf und Multimedia-Designer lückenlos mit ein. Die reichhaltig bebilderte Werkschau, die auch Burtons neuesten Blockbuster ALICE IN WONDERLAND (2010) mit einbezieht, richtet sich nicht nur an Film-, Kunst- und Kulturwissenschaftler, sondern vor allem an die große Burton-Fangemeinde.

 

 

Autor: Christian Heger
Verlag: Schüren Verlag
Erschienen: 20. August 2010
ISBN: 978-3-89472-554-9
Seitenzahl: 432 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Es gibt Bücher, die mich nach der Lektüre ratlos zurücklassen. "Mondbeglänzte Zaubernächte" gehört dazu.
Der poetische Titel (übrigens einem Gedicht von Ludwig Tieck entnommen) und das Versprechen des Klappentextes, dass es sich "vor allem an die große Burton-Fangemeinde" wendet, haben mich dazu verleitet das Buch zu lesen. Erwartet habe ich einen gut lesbaren Überblick über Burtons Schaffen, so wie es Ursula Vossen in "Von Neuseeland nach Mittelerde. Die Welt des Peter Jackson" (ebenfalls im Schüren Verlag erschienen) gelungen ist. Bekommen habe ich eine überarbeitete und erweiterte Dissertation. Ein unverdaulicher Text-Mischmasch, der sich an ein Fachpublikum und an Laien zugleich richtet. Das kann eigentlich nicht gut gehen. Zunächst bedient sich der Autor einer "wissenschaftlichen Sprache" in Satzbau und Wortwahl. Zu viele Wörter und Termini, die man erst mal nachschauen muss, da nur ganz wenige in Fußnoten erklärt werden. Besser voran kommt man dann bei der Einzelbeschreibung seiner Frühwerke und Spielfilme. Hier verwendet er eine deutlich verständlichere Sprache. Auch wenn dieser Teil besser lesbar ist, so bleibt dennoch ein großes Manko des Buches, dass Heger in seine Sätze viele Zitate (fast ausschließlich in englischer Sprache und unübersetzt) einfügt. Das hemmt den Lesefluss doch sehr.

Das Buch ist in insgesamt 7 Kapitel aufgeteilt. In Kapitel 1 stellt der Autor die gut belegte These auf, dass Burton kein Autorenfilmer sei, wie viele meinen, sondern in erster Linie ein Teamplayer, der immer mit der selben Crew arbeitet, deren Mitglieder sich gegenseitig inspirieren. Während andere Autoren davon ausgehen, dass die burtonschen Filme stark autobiographisch geprägt sind, möchte Heger das Gegenteil beweisen und lehnt jegliche psychologische Deutung ab. Deshalb ist es ärgerlich, dass er selbst immer wieder in psychologische Deutungen verfällt. Im Fall von "Batman returns" schießt er dabei so gehörig übers Ziel hinaus, dass es peinlich wirkt. Alles in allem möchte er zeigen, dass in erster Linie die soziale Struktur der amerikanischen Vorstädte die Filme prägt, Burtons Aussage, es handle sich bei seinen Filmen um "sublimierte Selbsttherapie" (S.11), dagegen als gekonnte Selbstinszenierung entlarven. Dies gelingt ihm nicht und Hege muss sich in den Kapiteln über Kindheit und Jugend, sowie Ausbildung und Kurzfilme vorwerfen lassen, nicht über genug Einfühlungsvermögen zu verfügen. Dies gilt nicht nur für den Regisseur selbst, sondern auch für dessen Figuren (wie sich später zeigt). Während Burton seine Geschöpfe nie bloßstellt, wie auch Heger zugibt, tut dies der Autor im Falle Burtons permanent. Das hochsensible Kind bleibt ihm ebenso fremd, wie es dies einst für seine Eltern war.

Viel Raum nimmt das 4. Kapitel ein, in dem alle Spielfilme besprochen werden, was ja an sich schön ist, aber leider mit der Zeit ziemlich langweilig wird, weil der Autor immer nach Schema F vorgeht. Erst erzählt er seitenlang, wie es dazu kam, dass Burton diesen Film übernahm, dann wird geschildert, wie der Film beginnt - ob mit Firmenlogo im Schnee oder nicht, und dann folgt die sehr ausführliche Inhaltsangabe mit einer anschließenden Analyse, die den Namen nicht verdient. Wer sich tiefere Einblicke in die Arbeitsweise des Regisseurs oder gar die Öffnung der burtonschen "Filmtrickkiste" erhofft hat, wird enttäuscht. Das wenige, das man erfährt, wird gebetmühlenartig wiederholt.

Dennoch breitet der Autor eine Unmenge an Informationen vor den Lesern aus, ohne allerdings eine Auswahl zu treffen. Er überfrachtet sein Buch mit, aus meiner Sicht, zu vielen unwichtigen Details. Als wirklich negativ empfinde ich aber etwas anderes: Beständig lobt Heger einen Film über den grünen Klee, nur um ihn dann in anderem Zusammenhang, häufig in einem kleinen Nebensatz, nieder zu machen. Besonders augenfällig ist dies bei "Planet of the Apes", den er nach einer wohlwollenden Besprechung später schließlich ein "steriles Intermezzo" (S.285) nennt. Ausnahmen von dieser Praxis des Nachtretens sind lediglich die beiden letzten Filme "Alice in Wonderland" und "Sweeny Todd", die er schon bei der Vorstellung kritisiert. Mehrfach preist er den oft episodenhaften Charakter der Filme als burtonesk und genial. Nur um dann die Meinung zu vertreten, Burtons Werke besäßen eine "unausgegorene Handlungsführung" (S.171) und zerfielen in unzusammenhängende Einzelteile. Irgendwann fragt man sich, wieso der Autor ausgerechnet Tim Burton zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht hat. Einen Menschen, den er überhaupt nicht versteht und dessen Filme ihm zumeist fremd bleiben. In seinem kurzen Schlusswort erfährt man endlich wieso: "Was ihn jedoch an erster Stelle auszeichnet, ist seine Genialität als unübertroffener Bildermagier". Hier treffen sich Autor und Regisseur.

In den restlichen Kapiteln werden Burtons Nebenprojekte (z.B. Videoclips) kurz angerissen, wenig im Vergleich zu dem sehr ausführlichen 4. Kapitel. Ebenso knapp fällt das abschließende Fazit aus.


Aufmachung des Buches
Das Buch zieht sofort den Blick des Filmfans auf sich: Jonny Depp, von der Seite gesehen, in seiner Rolle als "Edward mit den Scherenhänden" schaut auf seine "Hände" und die andere Hälfte seines Gesichts  spiegelt sich in einem der "Finger". All dies ist in geheimnisvolles blaues Licht getaucht und wird von Schneeflocken umtanzt. Typisch Tim Burton. Fast wirkt das schmale weiße Band mit dem Titel und dem Namen des Autors deplaziert.
Der flexible Einband passt nicht ganz zur Ausstattung im Inneren und zum Preis. Gebunden wäre auf jeden Fall angemessener gewesen. Das Format und das Gewicht machen das Buch etwas unhandlich. Text und die ca. 1000 Fotos (in schwarz-weiß) sind auf hochglänzendem, weißem Papier gedruckt. Die allermeisten Fotos sind zu klein geraten und manche auch verschwommen (zumeist die aus den Frühwerken Tim Burtons), so dass Details, auf die der Autor im Text hinweist, nicht immer zu erkennen sind. Die vielen Anmerkungen finden sich erfreulicherweise nicht in einem Anhang, sondern auf der gleichen Seite in einem Feld links bzw. rechts der Buchmitte. Sie sind allerdings in noch kleinerer Schrift gehalten als das ganze Buch an sich schon. Für die Bildnachweise am Ende des Buches sollte man besser eine Lupe zur Hand nehmen. Im Anhang findet sich ein ausführliches Werkverzeichnis mit den Standardinformationen, auch zu seinen Frühwerken, sofern verfügbar. Und natürlich die üblichen Hinweise auf verwendete und weiterführende Literatur oder Websites.


Fazit
Das Buch bietet dem geduldigen Leser einen guten Überblick über Burtons Schaffen, vor allem das Frühwerk wird hier den Fans zugänglich gemacht, das ist Hegers eigentliche Leistung und dafür ist er zu loben. Aufgrund dessen, dass man über die Filme und die Person Tim Burton trotz oder gerade wegen der Informationsflut so wenig erfährt, möchte ich das Buch nicht empfehlen, dafür ist es einfach zu teuer. 3 Sterne für die Fleißarbeit.


3 Sterne


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