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Die Unglückselige glaubt, die Vergangenheit der Alten sei ein Feind und bemerkt nicht, dass sie Erklärung, Maß und Deutung der Gegenwart ist. 

 

 

Originaltitel: PILÁTUS
Autor: Magda Szabó
Übersetzer: Heinrich Eisterer
Verlag: Secession Verlag
Erschienen: 30. August 2010
ISBN: 978-3905951011
Seitenzahl: 296 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
War das Leben früher besser? Diese Frage ist das zentrale Thema des Romans von Magda Szabo. Die inzwischen verstorbene ungarische Schriftstellerin entwickelt in dem vom Secession Verlag neu aufgelegten Werk von 1963 einen Stoff in die rätselhaften Winkel der Psyche und verfängt sich in dem Labyrinth der Gefühle.
Der Roman beginnt ganz banal mit dem Tod eines geliebten Ehemannes und dem neuen Leben seiner Witwe. Vince und Etelka Szöcs waren 49 Jahre verheiratet und lebten in einem kleinen ungarischen Dorf mit ländlicher Idylle. Die Hausfrau Etelka widmet ihr ganzes Leben ihrem Mann und ihrer klugen Tochter. Es ist ein entbehrungsreiches Leben, denn Vince weigerte sich in seiner Position als Richter, streikende Bauern zu verurteilen. Er stand immer auf der Seite des Rechts, auch wenn es für die Regierung reine Auslegungssache war. Für diesen Fehltritt wurde er zwangspensioniert und erst 23 Jahre später rehabilitiert. Nachdem Vince an Magenkrebs gestorben ist, zieht die Mutter zur Tochter nach Budapest, will nun endlich ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Bisher hat Vince ihr alle großen und kleinen Entscheidungen abgenommen. Das Leben in der modernen Welt ihrer Tochter, in der es Kühlschränke und Maschinen gibt, die den Kaffee auf Knopfdruck brühen, fühlt sich Etelka überfordert und einsam. In dem ideologiefreien Roman konzentriert sich die Autorin im Wesentlichen auf den Generationenkonflikt. Ein Thema, das Magda Szabo in allen Romanen aufgegriffen hat.


Stil und Sprache
Der Roman beginnt ruhig und distanziert. Die Nachricht des bevorstehenden Todes von Vince lässt Etelka immer wieder in ihre gemeinsame Vergangenheit zurückblicken, auf ihr entbehrungsreiches Leben, auf die Hoffnungen und wie sich ihr Leben jetzt, ohne ihn, gestalten wird. Auch sollte man nicht unbedingt versuchen der Handlung zu folgen, sondern sein Augenmerk auf die Wirklichkeitsentrückung Etelkas, auf die nackte und kalte Romantik ihres erbärmlichen Lebens richten. Man ahnt, dass der Konflikt zwischen Mutter und Tochter kein gutes Ende nehmen wird.

Magda Szabo baut ein minimalistisches Familienpanorama auf, versucht durch einen ständigen Perspektivenwechsel eine Innerlichkeit, eine Seelenschau zu konstruieren, die aber an ihrem nüchternen Erzählstil scheitert. Die Schlichtheit der Sprache, die Figuren, die einfach so aus dem Leben gegriffen zu sein scheinen, bemühen eine Kleinhäuslerperspektive. In Rückblenden erzählt Szabo aus dem Leben Etelkas, und wägt aus einer rhetorisch-polemischen Perspektive das Früher, das einfache und glückliche Leben, gegen das Jetzt, das schnelle und einsame Leben, ab. Nahezu litaneihaft und tautologisch ist diese Art und Weise des Schreibens; es gibt kein Warum, nur ein Darum, von dem immer wieder neu angesetzt wird. Nebenbei wird fast unmerklich die schnelle Modernisierung auf dem Lande veranschaulicht.
Leider hat die Zeit den Roman überholt. Dadurch entsteht eine Vorhersehbarkeit, die weder Spannung aufbaut, noch einen Blick in die damalige Zeit des osteuropäischen Umbruchs erlaubt.

Fast ärgerlich sind sprachliche Entgleisungen wie „niemand der jungen Menschen“ oder Rechtschreibfehler wie „Packet“ (zweimal!) oder „Brotschreiben“ und weitere technische Fehler, bei denen man sich fragt, ob überhaupt ein Lektorat stattgefunden hat. Insgesamt eine holprige Sprache in einfachen Sätzen, wobei ich nicht sicher bin, ob es an der Neuübersetzung liegt oder an Magda Szabo selbst.


Figuren
Vince und Etelka, das alte Ehepaar, seit fast 50 Jahren verheiratet, wachsen einem in ihrer Naivität ans Herz. Ihre erhabene Schäbigkeit, ihr Bemühen, um ein ihnen zustehendes Leben, auch oder aber gerade angesichts der durch die Regierung verursachten Armut, der Tochter die Welt zu zeigen, wie sie ihrer Meinung nach zu sein habe – ehrlich und unparteiisch. Etelka ist eine auf Ruhe, Ordnung und Sauberkeit verschworene Frau. Ihr Leben wird in qualvollen Nahaufnahmen gezeigt, alle Wünsche Etelkas, ihre ganze bisherige Lebensart, werden sinnlos, ihre Arbeit, ihre Pläne für die Zukunft mit der Tochter werden von ihr abgeschmettert. Sie verfrachtet die Mutter in ihr kleines Zimmer und bittet sie keine Dummheiten zu machen.

Die Tochter Iza wurde schon als kluges Kind geboren. Sie verteidigte im zarten Alter von acht Jahren verbal ihren Vater, der immer wieder ob seiner Entlassung aus dem Staatsdienst von Nachbarn und Freunden drangsaliert wird. Sie studiert Medizin, baut zusammen mit ihrem Mann eine Kurklinik auf und geht als berühmte Ärztin in die Hauptstadt Budapest. Der Roman stellt die Behauptung auf, jedermann liebe sie, sie sei mitfühlend und wohlwollend. Jedoch ihre Lieblosigkeit der Mutter und auch ihres Mannes, der sie plötzlich verlässt, und ihres neuen Freundes gegenüber, entlarven sie als selbstsüchtige Frau. Die Scheidung ist für alle ein Rätsel, selbst für Iza, nur für den Leser nicht, der keine Sympathie für sie entwickeln kann. Iza bleibt während des ganzen Romans eine zweidimensionale Figur.
Bevor die Mutter zur Grabsteinlegung nach Hause fährt, bittet sie ihre Tochter eindringlich, ihr nichts anzutun, sie sei ohnehin morgen nicht mehr da. Es ist eine gnadenlose Aufdeckung der Zerstörung der Menschenwürde im Namen der Liebe. Die Erwähnung von Domokos, Izas Liebhaber in Budapest, ihrem Ex-Ehemann Antal und dessen Verlobte Lidia, wirken oft bemüht, um der Geschichte mehr Substanz zu geben, bleiben aber dennoch flach.


Aufmachung des Buches
Das Buch hat einen festen Einband und ist ohne Schutzumschlag. Die vier Bücher des neu gegründeten Secession Verlages haben alle den gleichen Bucheinband, sie unterscheiden sich nur in der Farbe. Dieses Buch hat einen lilafarbenen Anstrich bekommen und ist mit farbigen Streifen durchsetzt. Erfreulicherweise wurde es mit einem Lesebändchen versehen.

Der Roman ist in vier Hauptkapitel unterteilt, die jeweils ein Element als Titel tragen, und sich in Unterkapiteln in gut lesbarer Länge unterteilen. Im hinteren Teil des Buches finden sich zu der im deutschen Sprachraum unbekannten Schriftstellerin einige Informationen.


Fazit
„Die Elemente“ ist ein psychologisches Diagramm ohne Spannung und einer vorhersehbaren Entwicklung der Ereignisse. Die Familie Szöcs ist der Mikrokosmos, in dem sich der Makrokosmos des in der Entwicklung zur Moderne stehenden Ungarns widerspiegelt, erzählt in einer unprätentiösen Sprache.


2 5 Sterne


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