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Dicte Svendsen ist sofort zur Stelle, als die grausam entstellte Leiche einer jungen Frau vor dem Stadion in Århus gefunden wird. Zunächst scheint die einzige Spur ein Springerstiefel zu sein, den ein kleines Mädchen zufällig mit der Handykamera festgehalten hat. Ist der Mann mit den Stiefeln derselbe, der Frauen für perverse Sexspiele in Kneipen aufgabelt? Oder ist der Mord ein weiterer Akt einer internationalen Serie politisch motivierter Gewaltverbrechen?

 

 

Originaltitel: Liv og Legeme
Autor: Elsebeth Egholm
Übersetzer: Kerstin Schöps
Verlag: Aufbau
Erschienen: 09/2010
ISBN: 978-3746626628
Seitenzahl: 441 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Am Rande eines Fußballspiels wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, grausam entstellt, mit ausgestochenen Augen und die Oberschenkelknochen durch PVC-Rohre ersetzt. Der zuständige Kommissar Wagner befindet sich gerade auf der Beerdigung seiner Schwiegermutter, als er zum Tatort gerufen wird. Sein plötzlicher Abgang ruft Dicte Svendsen auf den Plan, Freundin von Wagners Frau und Reporterin und daher ebenfalls auf der Trauerfeier. Parallel zu Wagner stellt sie ihre eigenen Ermittlungen zu diesem bizarren Mord an. Bald stößt sie auf ähnliche Morde in anderen Ländern, aber wo ist der Zusammenhang? Ein grenzüberschreitender Serienkiller? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter?

Elsebeth Egholm hat für ihren fünften Fall mit Dicte Svendsen eine bedrückend aktuelle Thematik zugrunde gelegt, die einige Fragen sowohl bei ihren Akteuren als auch bei den Lesern aufwirft. Leider ist die Umsetzung nicht ganz so gut gelungen, wie sie der Klappentext („Hervorragend inszeniert, hochspannend und sehr gut geschrieben.“) suggeriert.


Stil und Sprache
Hier hat der Klappentext nicht gelogen: Schriftstellerisch hat Elsebeth Egholm einiges drauf, sehr souverän ist der zu lösende Fall in gefühlte 14 Handlungsstränge aufgeteilt, die anfangs wie ein unentwirrbares Knäuel wirken und erst am Ende zusammengeführt werden. So müht man sich als Nichtskandinavier ziemlich damit ab, den Überblick über die ungezählten Personen nicht zu verlieren; in kurzen Kapiteln wird immer wieder die Perspektive gewechselt, ändern sich Zeit und Ort der Handlung. Das ist anstrengend, aber neben der niemals geschönten Brutalität, die geschildert wird, auch oft recht witzig. Dicte ist schließlich nicht umsonst Journalistin und außerdem mit einem trockenen Humor gesegnet, der zusammen mit ihrer Wortgewandtheit durchaus beim Leser ein Schmunzeln zu erzeugen weiß: „Sie konnte sehen, wie es in Holger arbeitete und er eine Antwort geben wollte. Die Worte standen Schlange, das war ganz deutlich.“ (S. 261)

Leider hilft Dictes Humor nicht immer über die doch vorhandenen Längen hinweg, die der Komplexität der Story geschuldet sind - hier braucht es viel Geduld, um den Fall bis zum bitteren Ende mitzulösen. Natürlich braucht es Zeit, all die kunstvoll gesponnenen Fäden am Ende zu entwirren, aber hätte die Autorin vielleicht auf ein oder zwei Nebenaspekte verzichtet, wäre etwas mehr Tempo dabei herausgekommen. Rechtsradikalismus etwa hat eigentlich gar nichts mit dem Hauptthema zu tun, wird aber zeitweise sehr in den Fokus gerückt. So bleibt leider am Ende nicht das Gefühl zurück, einen herausragenden Krimi gelesen zu haben.


Figuren
Wie schon gesagt, gibt es eine Unmenge von mehr oder weniger an der Handlung beteiligten Personen in diesem Krimi, aber es fehlt ihm an etwas, das zumindest für mich unabdingbar ist: ein sympathischer Protagonist. Mit dem man sich als Leser identifizieren kann, mitfühlen und den man einfach gut leiden kann, auch wenn er oder sie seine Fehler und Macken hat. Dicte Svendsen ist leider nicht so eine Hauptfigur und ich mag sie einfach nicht. Punkt. Schade, aber so ist es nun mal. Dicte ist egoistisch, rücksichtslos und geht buchstäblich über Leichen, wenn ihr Journalistenberuf es erfordert. Kaltschnäuzig und brutal zu anderen Menschen, wenn es ihren Zwecken dient, dann wieder jammernd und voll Selbstmitleid, wenn es ihr in den Kram passt. Sicher hat sie einiges durchgemacht in ihrem Leben, zumindest wird das immer wieder angedeutet. Dennoch ist insbesondere ihre Motivation, Peter Boutrup eine Niere spenden zu wollen, für mich nicht nachvollziehbar und wirkt unglaubwürdig.

Der zweite Ermittlungsstrang wird von Kommissar John Wagner geleitet und auch er ist eigentlich kein sympathischer Mensch. Dicte kann auch er nicht besonders leiden und nimmt ihre Anwesenheit nur hin, weil sie mit seiner Frau befreundet ist. Widerstrebend teilt er sein Wissen mit ihr und bekommt im Gegenzug ab und zu einen Tipp von ihr, das ist es aber auch schon. Er bleibt das ganze Buch hindurch eher blass und im Hintergrund, ist nicht greifbar und entzieht sich dem Leser immer wieder.

Die Nebenfiguren sind zahlreich und bunt, vom resignierten Vater eines rechtsradikalen Jungen bis zur masochistisch veranlagten Inhaberin einer Agentur ist alles dabei, was eine dänische Stadt so zu bieten hat. Hier gibt es keine Stereotypen, alle sind lebendig und authentisch dargestellt, aber eben leider nur Nebenfiguren. Insgesamt fehlt das gewisse Etwas bei den Charakteren, das eine Krimiserie zu etwas Besonderem werden lässt.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch ist ganz in verschiedenen Rottönen gehalten und zeigt auf der Vorderseite einen aufgespießten Falter. Die Worte „Dicte Svendsen ermittelt“ sowie der Name der Autorin sind in weißen Kleinbuchstaben gedruckt, der Titel selbst in schwarzen Großbuchstaben. Eine sehr ansprechende Gestaltung, die zum Inhalt passt, dafür gibt es innen keine Besonderheiten, sondern nur 71 ziemlich kurze Kapitel.


Fazit
Ein solider, sehr komplexer und ziemlich brutaler Krimi, der mich aber atmosphärisch nicht vom Hocker reißen konnte. Trotz einer sehr lebendigen, unverbrauchten Sprache ist der Funke nicht übergesprungen, hier fehlen mir eine sympathischere Hauptfigur und insgesamt mehr „Persönlichkeit“. Wer aber gern komplizierte Geschichten mit politischen und gesellschaftskritischen Inhalten mag, wird mit dieser Reihe sicher glücklich werden.


3 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Der tote Knabe
Band 2: Das nächste Opfer
Band 3: Blutzoll
Band 4: Tödliche Bürde

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