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Hallo Bernd. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview zu deiner neuen Trilogie „Magierdämmerung“ nimmst. Da wir im Jahre 2008 bereits ein Interview geführt haben, möchte ich diesmal ausschließlich auf dein neuestes Projekt eingehen.
Während die „Tarean“-Trilogie klassische High-Fantasy ist, handelt es sich bei „Magier-dämmerung“ um Steampunk bzw. Steamfantasy. War dies eine bewusste Entscheidung oder hat es sich vielmehr von selbst ergeben?

Halb, halb. Die Abweichung vom Pfad der High-Fantasy hat sich insofern „ergeben“, als dass meine Agentin mich nach „Tarean – Sohn des Fluchbringers“ schon fragte, ob ich zusätzlich gerne auch in anderen Teilen der Phantastik tätig werden würde. „Ja, natürlich“, war meine Antwort.

Meine Entscheidung für das viktorianische Zeitalter als Setting hingegen war durchaus bewusst und sowohl meiner Liebe zu den Geschichten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, von „Dracula“ über „Sherlock Holmes“ bis „20.000 Meilen unter dem Meer“, geschuldet, als auch meiner Begeisterung, mit solchen literarischen Stoffen zu spielen, wie es beispielsweise auch Alan Moore in „The League of Extraordinary Gentlemen“ gemacht hat.


„Magierdämmerung“ spielt im viktorianischen England Ende des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche Fakten aus jener Zeit werden erwähnt, was die Geschichte realitätsnah erscheinen lässt. Wie intensiv und aufwändig waren die Recherchen, um ein zeitgemäßes Bild des damaligen Londons zu zeichnen?

Ich würde sagen, ich habe zu wenig recherchiert, als dass meine eigene Neugierde vollkommen befriedigt worden wäre, und dennoch bereits mehr, als vermutlich sinnvoll und notwendig gewesen ist. Natürlich ist es wichtig, ein glaubwürdiges Gefühl der damaligen Zeit zu vermitteln, indem man sich vor dem Schreiben über die Schauplätze, die Mode der Menschen und die Dinge, die sie beschäftigt haben, informiert. Aber auch wenn ich selbst es unbedingt herausfinden möchte: Man muss nicht unbedingt wissen, welcher Chefredakteur in welchem Jahr der „Times“ vorstand, um wie viel Uhr die Züge von London Richtung Glasgow abfuhren und welcher Reederei ein Handelsschiff auf dem Weg nach Südamerika angehört haben könnte, wenn es keine extrem relevante Rolle innerhalb der Handlung spielt. Am Ende ist ein „Steampunk“-Roman doch vor allem ein Pulp-Abenteuer, kein Geschichtsbuch. Und so wird er auch vom Leser wahrgenommen, denke ich.


Was ist mehr Arbeit: Eine der Realität angelehnte Geschichte zu schreiben, in der die grundlegenden Fakten stimmen müssen, um die Leser nicht zu verärgern oder gar zu verlieren, oder eine komplett der Fantasie entsprungene, eigene Welt zu erschaffen?

Das hängt sicher davon ab, wie gut man sich in der Weltgeschichte auskennt und/oder wie leicht es einem fällt, sich neue Welten auszudenken. Mir persönlich fällt es leichter, komplett neue Welten und Zivilisationen zu erfinden (die in Aspekten durchaus an irdische erinnern dürfen). Doch die Mehrarbeit, die ein in unserer Welt angesiedelter, historischer Fantasy-Roman macht, hat auch ihren Wert, denn gerade das verspielte Verschränken von Fakten und Fiktion – möglicherweise bis hin zu dem Punkt, an dem der Leser unsicher wird, was jetzt echt ist und was nicht – ist außerordentlich reizvoll.


Wie lange hast du an dem ersten Band gearbeitet – von der Idee über die Recherche bis hin zum fertigen Manuskript?

Die Idee hatte ich bereits im Frühjahr 2008. Die heiße Phase, in der Schreiben und Recherche praktisch Hand in Hand gingen, lag in etwa zwischen Ende Januar und Ende Juni 2010.


War es schwer, den Egmont LYX-Verlag von deinem neuen Projekt zu überzeugen?

Das Gegenteil ist eher der Fall. Ich habe das Konzept (inklusive eines Beispielkapitels) zu der Zeit geschrieben, als mein erster „Tarean“-Band gerade erst bei LYX unter Vertrag genommen worden war. Damals dachte ich noch, es würde nur einen „Tarean“-Band geben und die „Magierdämmerung“ könnte mein nächstes Buch werden. Als LYX von der Geschichte hörte, war der Verlag sofort Feuer und Flamme und wollte das Projekt haben, noch bevor die Tinte auf dem Vertrag des „Tarean“-Band richtig trocken war.


Wie bist du auf die Idee gekommen, den Mythos des versunkenen Atlantis‘ als Quelle der Magie zu nutzen?

Es ging mir gar nicht so sehr um Atlantis, als vielmehr um das Eingangsbild einer im Meer versunkenen Zivilisation, durch deren Ruinen ein Mann in einem klobigen Taucheranzug stapft, während hinter ihm der Schatten eines bizarren Tauchboots im Wasser hängt. Das war der Ausgangspunkt. Darüber hinaus gefiel mir die Vorstellung, dass mit dem Verschließen der Quelle vor Tausenden von Jahren diese mitsamt der Insel, auf der sie lag, von den Fluten verschlungen worden sein könnte – auf dass kein Sterblicher sie jemals wieder fände. Konsequenterweise hat sich die Insel nun, nach dem Öffnen des Siegels, wieder aus dem Meer erhoben, was, ganz nebenbei gesagt, ein spektakulärer Moment auf der großen Leinwand wäre (und ich liebe beim Schreiben ja diese Momente, die auf einer großen Leinwand spektakulär aussehen würden – da kommt immer wieder der Cineast bei mir durch).


Wo du gerade von spektakulären Momenten auf einer großen Leinwand sprichst: Gibt es schon Pläne für die Verfilmung von "Magierdämmerung" oder deiner "Tarean-Trilogie"?

Keine, die über das Stadium einer Wunschvorstellung von Seiten des Autors hinaus gediehen wären. Das ist allerdings auch kaum verwunderlich. Fantasyfilme sind zumeist voll von visuellen Effekten und entsprechend teuer zu produzieren. Damit sich ein Studio an eine solche Verfilmung wagt, muss die Romanvorlage schon ein echter internationaler Bestseller gewesen sein, wie etwa im Falle von "Harry Potter" oder "Twilight", damit ein Erfolg auch auf an der Kinokasse oder auf DVD absehbar ist. Das hindert mich jedoch nicht daran, weiter cineastisch zu denken und cineastisch zu schreiben. Denn die tollsten Bilder produziert ohnehin das Kopfkino - und das zu einem umwerfend günstigen Budget.


Ein sehr schönes Detail in der von dir geschaffenen magischen Welt ist die Magie, bei der alles und jeder durch Fäden miteinander verbunden ist, die man ausschließlich in der „Wahrsicht“ sehen kann. Wie bist du darauf gekommen?

Grundlage hierfür war eine Erinnerung an meinen Physikunterricht in der Schule. Ich fand den Gedanken damals faszinierend, dass wir nicht sehen können, weil unsere Augen aktiv etwas dazu beitragen würden, sondern weil Licht von der Sonne oder einer Lampe von Oberflächen reflektiert wird und in unsere Augen fällt. Es existiert also eine Verbindung zwischen den Dingen um mich herum und meinen Augen: in Form von Lichtstrahlen. Weitergedacht gibt es natürlich auch noch „Verbindungen“ in Form von Schallwellen, Wärmestrahlen und einigem mehr. Phantastisch vereinfacht wurde daraus das Fadenwerk, das diese Verbindungen sichtbar macht und das der kundige Magier nicht nur sehen, sondern auch mehr oder minder gut manipulieren kann.


Auf Seite 206 spricht die Figur Robert von „schwächlichen Literatenleibern“ – ist dieses Detail der eigenen Erfahrung entsprungen oder wirkst du dem mit regelmäßigen „Leibesertüchtigungen“ entgegen?

Eigentlich liegt in dem Satz eine gewisse Ironie, denn Robert ist zweifellos die sportlichste Figur, die in dem Roman auftritt. Aber natürlich versteckt sich darin ein augenzwinkernder Seitenhieb auf uns Bildschirmarbeiter, die unablässig am Schreibtisch sitzen, statt vor die Tür zu gehen und Sport zu treiben. Da kann ich mich leider auch nicht ausschließen. Ich bin nicht prinzipiell ein Bewegungsverächter – aber sobald mein Zeitplan enger wird, gehören „Leibesertüchtigungen“ in der Tat zu den ersten Dingen, die ihm zum Opfer fallen.


Auf Seite 289 schüttelt die überaus sympathische Figur Randolph den Kopf über Menschen, die Büchern solch einen Stellenwert beimessen, dass sie dafür sogar stehlen. Welchen Stellenwert hat das gedruckte Wort für dich (insbesondere als Autor)?

In diesem Fall denke ich völlig anders als Randolph. Ich würde vielleicht nicht so weit gehen, Bücher zu stehlen (zum Glück sind die meisten Bücher, die mir gefallen, keine Unikate, sondern einfach im nächsten Buchladen käuflich zu erwerben). Aber ich bin mit Sicherheit ein bisweilen exzessiver Buchliebhaber und -sammler, der dazu neigt, deutlich mehr gedruckte Worte in den Regalen seiner Wohnung anzuhäufen, als er in Jahren lesen könnte.


Watson, Jupiter Holmes‘ Katze, taucht zwar nicht oft auf, doch hast du das Wesen der egozentrischen Vierbeiner treffend wiedergegeben. Da drängt sich mir die Frage auf, ob du selbst eine Katze hast?

Da liegst du nicht ganz falsch. Wir hatten viele Jahre eine Katze in der Familie, und natürlich habe ich mir die Eigenheiten, die Watson an den Tag legt, dort ein wenig abgeschaut.


Im Februar 2011 erscheint bereits der zweite Band, „Magierdämmerung – Gegen die Zeit“. Hast du die (Haupt-)Arbeit an dem Manuskript bereits abgeschlossen oder steckst du noch mitten in der Schreibphase?

Ich bin derzeit noch am Schreiben, aber ein Großteil ist geschafft.


Apropos Erscheinungstermine: Ist es schon vorgekommen, dass dir eine vom Verlag gesetzte Deadline im Nacken saß? Wenn ja, wie bist du mit dem Druck umgegangen?

Die Frage müsste eher anders herum formuliert sein: Gab es schon mal den Fall, dass mir eine Deadline nicht im Nacken saß? Und ich muss gestehen: Nein, gab es nicht. Irgendwie drängt die Zeit immer. Aber ich glaube, das geht den meisten Autoren so. Ich kenne wenig Schreibende, die von sich sagen, dass sie einen gemütlichen Job hätten. Das gilt vor allem für Autoren, die daneben noch übersetzen und/oder Artikel für Magazine verfassen, also journalistisch tätig sind. Findet man irgendwo noch eine Zeitnische, füllt man sie zumeist gleich mit noch einem Projekt aus. Denn das ist die Krux jedes Kreativen: Er hat meist viel mehr Ideen, als er zeitlich bequem umsetzen kann.

Wie ich damit umgehe? Ist der Druck nur leicht bis mittelmäßig, ignoriere ich ihn schlicht. Wird er stärker, beiße ich die Zähne zusammen, sage alle nicht zwingend nötigen Termine ab und kette mich an meinen Schreibtisch. Und in Momenten, in denen es gefühlt gar nicht mehr geht, ziehe ich meine Jacke an und spaziere zwei Stunden durch die Felder. Danach habe ich wieder neue Kraft, um den Steilhang des Mount Manuscript in Richtung Gipfel zu erklimmen.


Kannst du schon abschätzen, wie lange sich deine Leser bis zum dritten und letzten Band der Trilogie gedulden müssen?

Nachdem Band 1 pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschienen ist und Band 2 zur Buchmesse Leipzig geplant ist, wird Band 3 dann wieder im Umfeld der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2011 herauskommen. Wir halten hier ungefähr einen Halbjahresrhythmus ein. Eine raschere Erscheinungsweise wäre schlicht auch nicht möglich, so gern das viele Leser hätten. (Ein Buch liest sich dann leider doch viel schneller, als es sich schreibt. ;-) )


Auf der Buchmesse in Leipzig hast du deinen Fans aus „Tarean“ vorgelesen. Wie wichtig sind dir Lesungen? Welche Erfahrungen hast du mit Lesungen gemacht? Und bist du vor solchen Veranstaltungen nervös?

Obwohl ich mich in der Tat vor jeder Veranstaltung nicht eines gewissen Lampenfiebers erwehren kann – der Wechsel von der Einsamkeit des Schreibtischs ins Rampenlicht der Lesebühne muss für einen Autor ja einem Schock gleichkommen ;-) –, lese ich sehr gerne vor, insbesondere Dialoge zwischen Figuren, die sich durch eine gewisse Exzentrik auszeichnen und die man daher während der Lesung mit etwas übertriebener Geste „spielen“ kann. Die Szene zwischen Tarean, Iegi und dem Schankwirt Gridoman in „Tarean – Erbe der Kristalldrachen“ ist beispielsweise so ein Fall.

Dabei sind meine Erfahrungen mit Lesungen bislang durchaus erfreulich gewesen. Wenn man sieht, dass die Leute teilhaben, wenn man ihnen auch mal den ein oder anderen Lacher entlocken kann und wenn am Ende vielleicht sogar ein Dialog zustande kommt, ist das die schönste Bestätigung für mich als Autor (oder in dem Fall: Vorleser). Für den Verkaufserfolg meiner Bücher mögen die paar Lesungen, die ich mache, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Doch für mich persönlich ist das Zusammentreffen mit Menschen, denen meine Geschichten gefallen, eine tolle Sache.


Ich danke dir für das Interview.

Ich habe zu danken.

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