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"Durch die Magie einer Kapitalumschichtung wurden einige Hundert Minenarbeiter arbeitslos, einige zehntausend Francs hingegen flüssig gemacht. So nebenbei war der junge Sambre zwar nicht wirklich reicher geworden, hatte aber auch nichts verloren. Außer einigen Skrupeln…"

Herbst 1830: Hugo Sambre hat eine Passion für Iris, die Schauspielerin mit den roten Augen, entwickelt. Auch die wissenschaftliche Erforschung der geheimnisvollen Funde aus seiner Mine bindet ihn an sie und nimmt eine immer größere Rolle in seinem Leben ein. Der ehemalige Vorarbeiter Saintange, der oft über höchst erstaunliche Kenntnisse und Beziehungen verfügt, wird zu seinem persönlichen Berater. Nach dem Tod seines Vaters setzt Hugo sogar das Vermögen der Familie ein, um seine Forschungen zu finanzieren. Er verstrickt sich so sehr darin, dass bald fraglich ist, ob er einer großen wissenschaftlichen Entdeckung nahe ist oder dem Wahnsinn.

Mit dem düster-romantischen Historien-Drama Sambre hat Yslaire einen modernen Klassiker des europäischen Comics geschaffen. In diesem Zyklus erzählt er von den Geschicken der ersten Generation derer von Sambre.

 

  Originaltitel: La Guerre des Sambres - Hugo & Iris 2
Autor: Yslaire
Übersetzer: Marcel Le Comte
Illustrationen: Jean Bastide, Vincent Mezil 
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: Juli 2010
ISBN: 978-3-551-78272-4
Seitenzahl: 48 Seiten
Altersgruppe: ab 14-15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Abend für Abend sitzt Hugo Sambre in der ersten Reihe eines Pariser Theaters um sich von der kapriziösen, glutäugigen Schauspielerin Iris in ihren Bann ziehen zu lassen und genauso viele Abende zögert Hugo die Heimkehr ans Sterbebett seines Vaters Maxime Augustin hinaus. Als er schließlich 16 Tage später zu Hause ankommt, stirbt sein Vater noch in derselben Nacht. Die nachfolgenden Tage zieht eine alles bedrückende Trauer durchs Haus. In den stillen Abendstunden zu zweit am Kamin ist es Hugo, als sähe er die Schönheit seiner Frau Blanche zum allerersten Mal, doch diese weist seinen unbeholfenen Annäherungsversuch voller Verbitterung ab – und so macht er sich mit neuen Hoffnungen und Plänen im Gepäck wieder auf nach Paris. Dank stoischer Hartnäckigkeit und einem kostspieligen Blumenstrauß gelingt es Hugo kurze Zeit später, Iris endlich näher zu kommen. Gleichzeitig versteigt er sich zunehmend in eine wahnwitzige Theorie um Iris‘ Herkunft und das Geheimnis ihrer seltsamen Augenfarbe.

Im Gegensatz zu Band 1 steht diesmal allein Hugo im Mittelpunkt des Geschehens, seine Familie, Blanche, ja selbst Iris verblassen gegenüber seiner dominanten Präsenz und seiner versessenen Idee vom Krieg der Augen, über den die Hintergründe nun ausgeleuchtet werden. Iris ist nach Hugos Theorie die Reinkarnation einer uralten Göttin. Er will alles über sie erfahren, deshalb sucht er ihre Nähe, doch wird Iris ihm Glauben schenken oder sich nur über ihn lustig machen? Im Bann ihrer roten Augen vergisst Hugo nicht nur seine Familie, er verliert auch völlig den Blick für die Realität.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Wie schon der erste Band des neuen Zyklus, lebt auch der zweite wieder von seinen stimmungsvollen Bildern. Durchgehend hochwertige Zeichnungen und eine atemberaubend schöne, zum Geschehen immer stimmige Farbgebung verleihen der dramatischen Geschichte von Comic-Altmeister Yslaire den passenden Rahmen. Der Jahreszeit entsprechend, wenn der regnerische und stürmische Herbst in einen klirrendkalten Winter übergeht, geben zwei Grundstimmungen wechselseitig den Ton an: die eine kühl, die andere warm.
Draußen, im Freien türmen sich dunkle Wolkenformationen am Himmel, die Äste der fast kahlen Bäume biegen sich unter heftigem Wind, ein paar letzte Blätter wirbeln durch die Luft und Nebel- oder Regenschwaden verschleiern den Blick auf die nähere Umgebung. Alle erdenklichen Nuancen von kühlem Grau beherrschen die trüben Bilder. Die ersten Schneeflocken tilgen sogar noch den letzten Rest des eh schon schwachen Tageslichtes. Daher bleiben Räumlichkeiten tagsüber relativ schummerig. Lediglich da, wo der Lichtkegel vom Fenster die Dunkelheit streift, sind Personen oder Gegenstände gut zu erkennen, der Rest des Zimmers verschwindet in unbestimmten Konturen und vagen Schatten. Abends wiederum werden die Szenerien innerhalb geschlossen Räumen von  Kerzenlicht oder Kaminfeuer beleuchtet. Das kühle Grau des Tages weicht jetzt warmen Braun-, Gelb-, Orange- und Rottönen, die winterliche Behaglichkeit verströmen. Doch auch hier verliert sich alles außerhalb des Kerzenscheines im Dunkeln.
Das Einzige, was aus der gebrochenen, trüben Optik des Bandes wirklich heraus zu leuchten vermag, sind wieder die täuschend echt aussehenden Augen der Akteure. Eine Lackfarbe verleiht ihnen den natürlichen Glanz. Im gesamten Band können die harmonischen Licht- und Schatteneffekte mit weichen, verwischt wirkenden Farbverläufen des Zeichner-Duos Bastide und Mezil nur wieder als herausragend und meisterhaft bezeichnet werden.

Dramaturgisch fühlte ich mich gleich an zwei Stellen in den allerersten Band „Der Krieg der Augen“ versetzt, sosehr ähneln sich die Bilder hier und dort. Dunkle graue Wolken, kahle Bäume, stürmischer Wind, ein Tor aus Eisenstäben, eine handvoll Grabsteine und eine kleine Trauergemeinde – die beklemmende, düstere Friedhofszene ab Seite 16 gleicht der von Hugos Beerdigung im ersten Zyklus fast aufs Haar. Ebenso erinnern die nachfolgenden Bilder im silbrigen Mondlicht ab Seite 21 an jene aus „Der Krieg der Augen“, wo sich Hugos Sohn zum ersten Mal mit Iris‘ Tochter trifft, nur ist die nächtliche Begegnung diesmal weniger schicksalhaft als die von Bernhard und Julie.

Die allgemeine Optik – Anordnung und Größe der Panels sowie Textdarstellungen – ist die gleiche wie im vorigen Band, deshalb erspare ich mir an der Stelle eine ausführliche Beschreibung.


Aufmachung des Comics
Format, Aufmachung, Bindung, Papier- und Druckqualität entsprechen ebenfalls dem ersten Band und können wieder als sehr hochwertig bezeichnet werden. Braun-graumelierte Vorsatzblätter, ein schönes Titelblatt sowie der Familienstammbaum des Sambre-Geschlechts über vier Generationen im Anschluss an die Geschichte runden den hochqualitativen Gesamteindruck ab. Auch die vordere und hintere Umschlagdeckelgestaltung lehnt sich stark an Band 1 an. In der Grundfarbe wieder rotbraun, ist es diesmal die Augenpartie von Iris, die den Betrachter in ihren Bann zieht, der Rest ist - bis auf Bandnummer und Inhaltsangabe - mit Band 1 identisch.


Fazit
Auch der Zyklus mit der ersten Generation derer von Sambre mausert sich langsam aber sicher zum absoluten Meisterwerk. Erstklassige Zeichnungen im frankobelgischen Stil verbinden sich mit der dramatisch-tragischen Liebes- und Familiengeschichte zu einem atmosphärisch dichten Lesegenuss allererster Güte.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Der Krieg der Sambres - Zyklus Hugo & Iris:
- Band 1

Sambre - 1. Zyklus:
Sammelband 1-4: Der Krieg der Augen

Sambre - 2. Zyklus:
Band 5: Verflucht sei die Frucht deines Leibes!

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