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Jeden Winter wartet Grace darauf, dass die Wölfe in die Wälder von Mercy Falls zurückkehren – und mit ihnen der Wolf mit den goldenen Augen. Ihr Wolf. Ganz in der Nähe und doch unerreichbar für sie, lebt Sam ein zerrissenes Leben: In der Geborgenheit seines Wolfsrudels trotzt er Eis, Kälte und Schnee, bis die Wärme des Sommers ihn von seiner Wolfsgestalt befreit. In den wenigen kostbaren Monaten als Mensch beobachtet er Grace von fern, ohne sie jemals anzusprechen – bevor die Kälte ihn wieder in seine andere Gestalt zwingt. Doch in diesem Jahr ist alles anders: Sam weiß, dass es sein letzter Sommer als Mensch sein wird. Es ist September, als Grace den Jungen mit dem bernsteinfarbenen Blick erkennt und sich verliebt. Doch jeder Tag, der vergeht, bringt den Winter näher – und mit ihm den endgültigen Abschied.

 

Nach_dem_Sommer 

Originaltitel: Shiver
Autor: Maggie Stiefvater
Übersetzer: Sandra Knuffinke, Jessika Komina
Verlag: Script5
Erschienen: 15.09.2010
ISBN: 978-3-8390-0108-0
Seitenzahl: 424 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Grace wurde mit 11 Jahren von Wölfen aus dem elterlichen Garten in den Wald gezerrt und dort gebissen. Wie durch ein Wunder fanden ihre Eltern sie blutend im Garten wieder und Grace überlebte den Angriff. Grace hat seither nie die Augen des einen Wolfs vergessen, der sich gegen sein Rudel gestellt hat, und immer Ausschau nach ihm gehalten – und der Wolf nach ihr. Jedes Jahr im Winter sieht sie seine gelben Augen aus dem dunklen Wald zu ihr herüber schauen, während sie in der Kälte auf der Schaukel sitzt oder hinter dem Küchenfenster steht. Jedes Jahr versucht Grace, dem Wolf näher zu kommen und endlich, nach sechs Jahren, schafft sie es, ihre Hände in seinem Fell zu vergraben und ihm nahe zu sein. Doch dann wird ein Junge von ihrer Schule, Jack, von Wölfen angegriffen und getötet – der Startschuss für die Jagd auf die Wölfe. Mit Gewehren bewaffnet machen sich die Jäger auf in den Wald, um sich für den Tod Jacks zu rächen. Für Grace der reinste Horror, denn was ist, wenn ihrem Wolf etwas passiert? Sie stürzt in den Wald, unbeachtet der Gefahr, in die sie sich begibt, während im schwindenden Licht immer öfter Schüsse fallen. Ein Polizist schnappt sie sich schließlich und bringt sie durch den Wald zum nahegelegenen Haus, doch was Grace dort vorfindet, als der Polizist sich bereits auf den Rückweg gemacht hat, soll ihr Leben für immer verändern …

Maggie Stiefvater hat mit „Nach dem Sommer“ den Auftakt zu einer Trilogie vorgelegt, dessen einzelne Titel zusammengenommen einen Satz ergeben: Nach dem Sommer (Band 1) Ruht das Licht (Band 2) In deinen Augen (Band 3). Die Grundidee der Geschichte ist nicht unbedingt neu, verliebt sich Grace, ein scheinbar normales Mädchen, doch in ein nicht ganz menschliches Wesen, was mit zahlreichen Problemen verbunden ist, die es zu meistern gilt. Dennoch fasziniert die Geschichte und es macht Spaß, mit Grace in die Welt der Wölfe einzutauchen.


Stil und Sprache
Maggie Stiefvater hat sich durchgehend für die Ich-Form entschieden und so ist der Leser den beiden Figuren, aus deren Sicht erzählt wird (Grace und Sam), stets sehr nahe und erfährt aus verschiedenen Perspektiven, was sich – durchaus auch an verschiedenen Orten - abspielt und wie die jeweilige Figur empfindet. Da die einzelnen Kapitel nicht nur durchnummeriert sind, sondern auch mit dem Namen der Figur überschrieben ist, ist stets klar, aus wessen Perspektive das folgende Geschehen wiedergegeben wird; die zusätzlich angegebene Temperatur gewinnt im Laufe der Geschichte ebenfalls an Bedeutung.

Maggie Stiefvater weckt sofort die Neugier des Lesers: Was hat es mit dem Wolf auf sich, der Graces Leben gerettet hat und der sich offensichtlich in einen Menschen verwandeln kann? Schon bald darauf wird es spannend und der Leser bangt mit Grace um ihren Wolf, flüchtet mit Sam und seinem Rudel durch den Wald … Die Autorin versteht es nicht nur Spannung aufzubauen, sondern diese auch dann zu halten, wenn gar nicht allzu viel passiert, und so fliegen die Seiten regelrecht vorüber. Lediglich die Vertrautheit zwischen Grace und Sam, nachdem sich ihr dieser als Mensch offenbart hat, geht ein wenig zu schnell. Trotz der alles andere als alltäglichen Situation und der neuen Welt, in der sich Grace plötzlich wiederfindet, weiß sie stets, wie sie zu reagieren hat und was in Sam vorgeht. Das mag ein Stück weit daran liegen, dass sie Sam seit Jahren beobachtet und dass sie selbst nicht ganz 'normal' ist, dennoch ist ihr Einfühlungsvermögen, ihre Empathie, nicht immer ganz nachvollziehbar. Trotzdem weiß Maggie Stiefvater die grenzenlose Vertrautheit zwischen Grace und Sam wunderschön zu vermitteln, überträgt die Romantik sehr atmosphärisch, deutet Intimität dennoch lediglich an - und überlässt den Rest der Phantasie des Lesers. Wirklich sehr gelungen! Zum Ende hin wird die Geschichte schließlich dermaßen emotional, dass der Eine oder Andere zum Taschentuch greifen wird.

Die bildliche Sprache ist sehr eingängig und haucht den Worten Leben ein: „Um mich herum starben die Blätter einen prachtvollen Tod in Rot und Orange.“ (Seite 48). Beim Lesen hat man das Gefühl, selbst das Fell des Wolfs zwischen den Fingern zu spüren, seine wunderschön gelben Augen zu sehen und seinen Moschusgeruch zu riechen.


Figuren
Grace wurde vor sechs Jahren von Wölfen in den Wald geschleppt und wäre sicherlich umgebracht worden, wenn der Wolf mit den gelben Augen ihr nicht geholfen hätte. Seither fühlt sie sich mit ihm verbunden und freut sich auf den Winter, wenn er vom Wald aus zu ihr herüber schaut. Grace ist ein selbstständiges Mädchen, da sie stets auf sich allein gestellt ist, haben ihre Eltern doch immer anderes zu tun und sind selten zu Hause. Ihre besten Freundinnen sind die aufgedrehte Rachel und die stets mit einer Kamera bewaffnete Olivia.
Sam ist Graces Wolf, „Ein dunkler Engel in einem ewigen Herbstfeld“ (Seite 148). Die Besonderheit von Maggie Stiefvaters Werwölfen ist, dass diese sich nicht aufgrund der Mondphasen verwandeln, sondern temperaturabhängig. Bei Kälte verwandelt sich der Mensch in den Wolf, wenn es warm wird, umgekehrt. Allerdings ist im Laufe der Jahre immer mehr Wärme nötig, um sich zurückverwandeln zu können … Sam ist 18 Jahre alt, zum Werwolf wurde er jedoch bereits mit 7 Jahren. Seine Eltern wollten ihn durch Aufschneiden der Pulsadern umbringen, als der Wolf in Sam erwachte – seither hat Beck sich um ihn gekümmert.
Durch die gewählte erste Person ist der Leser den beiden Protagonisten Grace und Sam sehr nahe und kann ihr Handeln gut nachvollziehen. Sie haben Ecken und Kanten, sind keine strahlenden Helden, sondern dreidimensionale, sympathische Figuren. Aber auch die Nebenfiguren, wie die verwöhnte und stets auf ihre Klamotten und ihr Aussehen bedachte Isabel, die trotz ihrer Arroganz nicht gänzlich unsympathisch ist, bereichern die Geschichte – ebenso wie ihr draufgängerischer, viel zu selbstbewusste Bruder Jack und Graces Freundinnen Rachel und Olivia.


Aufmachung des Buches
Das Besondere an dem Cover ist, dass die künftigen Leser des Romans abstimmen konnten, welches Cover das Buch schmücken soll. Ich gebe zu, dass ich für die nunmehr auch verwendete Gestaltung gestimmt habe und mag die verspielten Schnörkel. Dem Einen oder Anderen mag es aufgefallen sein: Das Cover hat Maria-Franziska Löhr entworfen, die für die Aufmachung des ebenfalls im Script5-Verlag erschienen Buchs „Splitterherz“ (Bettina Belitz) verantwortlich ist. Dennoch bewahrt sich das Cover von „Nach dem Sommer“ seine Eigenständigkeit und verzaubert allein schon beim Anblick. Der herrliche Perlmuttschimmer, der dezente Einsatz von Spotlack und das farblich passende Lesebändchen lassen das Leserherz höher schlagen. 


Fazit
Trotz der nicht ganz neuen Idee ist „Nach dem Sommer“ ein absolut lesenswerter Auftakt zu Maggie Stiefvaters Trilogie. Die wunderschöne Sprache und die facettenreich ausgearbeiteten Figuren fesseln den Leser schnell an die Geschichte und bereiten einige bezaubernde Lesestunden. Ein Lichtblick zum Beginn der dunkleren Jahreszeit.


4 Sterne


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