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Der englische Reiseschriftsteller Ben Donald begibt sich – auf der Suche nach wahrer Urlaubsexotik in Zeiten von Massentourismus – nach Deutschland. Für einen Briten eigentlich undenkbar, ein schlechter Witz. Aber auf seiner Reise durch das Land der Dichter und Wanderer, der besten Biere und der romantischen Städte, entdeckt Ben Donald Deutschland als Urlaubsland der ungeahnten Möglichkeiten. Ein höchst amüsantes Sittengemälde über das Land der Hunnen, das mit überraschenden Erkenntnissen – auch und gerade für Einheimische – aufwartet.

 

  Autor: Ben Donald
Verlag: Goldmann Verlag
Erschienen: 11. Januar 2010
ISBN:  978-3-442.54275-8
Seitenzahl: 384 Seiten


Stil und Sprache
Mein erster Gedanke nach einem Drittel des Buches - da wandelt einer auf Mark Twains Spuren, so bissig und spöttisch schreibt der Autor. Und da, wo er sich nicht festlegen möchte, zitiert er sogar Twain, so z.B. bei den Wagneropern oder der "schrecklichen deutschen Sprache". Donald erzählt und berichtet, mal humorvoll, mal zynisch, zu Beginn oft verdrossen, passend zu seinem Weltschmerz, aber immer auch zur Selbstreflektion fähig. Er erzeugt mit wenigen wohlgesetzten Worten innere Bilder, die nicht nur Orte beschreiben, sondern auch Stimmungen transportieren, so dass man einfach immer weiterlesen möchte, obwohl es zuweilen anstrengend ist, weil man nichts verpassen will, oder auch mal zurückblättern muss, da man etwas überlesen hat, oder eine Anspielung nochmals auf ihre eigentliche Aussage hin überprüfen möchte. Vieles ist doppelbödig angelegt - eine Kritik kann sich als Lob entpuppen und umgekehrt.
Der Text ist anspruchsvoll und intellektuell herausfordernd, dabei aber in einem Maße spannend, wie man das bei einem Reisebericht so nicht erwartet. Nebenbei setzt er sich noch kritisch mit dem Massentourismus auseinander und philosophiert über das Reisen als solches. Ein bisschen viel Anspruch auf einmal könnte man meinen, aber die Mischung machts. Sprachlich auf jeden Fall ein Vergnügen.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Donald schrieb sein Buch zunächst für den englischen Buchmarkt. Mir als Deutscher ist gewiss einiges entgangen, da mir das kulturelle Hintergrundwissen fehlt. Zu Beginn fragte ich mich doch noch allen Ernstes, ob der Autor wirklich daran glaubt, dass jeder Deutsche eine (bayrische) Lederhose im Schrank hängen und mehrere Karl May Bände im Regal stehen hat. Bei mir bin ich jedenfalls nicht fündig geworden. Schnell stellt man dann aber fest, dass der Autor stilvoll alles, aber auch alles durch den Kakao zieht, nichts ist ihm heilig, selbst der britische Humor nicht.
Im Grunde gibt es zwei Rahmenhandlungen - ein Gespräch unter Freunden zu den angestrebten Reisezielen der nächsten Saison und die Gespräche des Autors mit seinem "Reisetherapeuten" Manny Heimway, der seinen Klienten auf mehrere Reisen durch Deutschland, den letzten weißen Fleck auf der britischen Tourismus-Landkarte, schickt, um dessen Weltschmerz zu kurieren. Nur zögerlich lässt sich Donald darauf ein, zumal diese Reisen nicht nur geographisch zu verstehen sind. Er muss sich der deutschen Geschichte stellen und zwar nicht nur der der letzten 60 Jahre, sondern bei den Germanen und Römern anfangen. Seine Beschreibung der Schlacht im Teutoburger Wald ließ mich vor Lachen kaum Luft holen. Einfach köstlich. Und weiter gehts, bis hin zur Romantik und der Deutschen Staatsbildung unter Bismarck. Nie chronologisch langweilig, sondern kunterbunt durcheinander. Nichts wird ausgelassen - weder die Literatur, ob nun Goethe oder die Grimms, noch die Musik von Bach über Kraftwerk bis Annett Louisan. Feste werden gefeiert (natürlich zuerst das Oktoberfest) und ausführlich deutsches Bier und Brot nicht nur erforscht, sondern auch gelobt. Dem Wein kann er nichts abgewinnen, ebenso wenig wie der Wurst. Und obwohl er feststellt, dass es die deutsche Küche gar nicht gibt, wärmt er doch so einige Klischees wieder auf, worüber man dann doch auch wieder schmunzeln muss, denn wie stellt Donald fest: besser ein Land voller Stereotypen, als eines, das keiner kennt.
In seiner Wahrnehmung ist der Protestantismus in Deutschland an allem schuld, am Militarismus, am Faschismus und, man höre und staune, auch am Nacktbadetag in den Hallenbädern. Der protestantischen Arbeitsethik schiebt er sogar der Deutschen Vorliebe für's Bier in die Schuhe. Na, wenn das mal nicht die katholischen bayerischen Bierfreunde ärgern wird. Und was den Faschismus betrifft -  ein Schelm, wer dabei an Hitlers Putsch in München denkt.
Zwischen die politischen Thesen, das Sightseeing und die Schilderung einiger scheinbarer deutscher Absurditäten streut er immer wieder Begebenheiten oder Bemerkungen zum Nationalsozialismus und dem 2. Weltkrieg ein. Er bringt das so lakonisch vor, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt: "Schließlich liebten die Deutschen die Reinheit beim Bier, bei der Wurst, bei der persönlichen Hygiene und in ihrem Blut" (S.288). Wer in Deutschland traut sich das schon?
Ähnlich wie Faust hat sich der Autor mit Mephisto eingelassen und ist von diesem verführt worden. Die Geschichte besitzt ein Happyend und Donald erreicht sein Therapieziel - er hat "dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen gegeben" (Novalis S. 69) und sich auch mit Deutschland als Reiseland ausgesöhnt. Und das möchte man dem Spötter dann doch zu gerne glauben.


Aufmachung des Buches
"Deutschland for Beginners" erschien nun endlich als Taschenbuch. Das Cover ist nicht weiter aufregend, die nato-olivgrüne Deutschlandkarte hebt sich vom weißen Untergrund gut ab und Details, wie der auf dem Kopf stehende rosafarbene VW Käfer, verleiten dazu genauer hinzusehen. Diverse klischeehafte Schlagworte (Spitzentechnologie, Innovation, BMW Land) charakterisieren Deutschland. Im Widerspruch dazu verspricht der Klappentext aber einen Reisebericht, so dass man als Leser ziemlich neugierig auf den Inhalt wird. Wirklich clever.


Fazit
Trotz seiner vielen Verweise auf Deutschlands jüngere Vergangenheit, oder gerade deshalb, hat er es als Reiseland wieder salonfähig gemacht und mit einigen Vorurteilen dies- und jenseits des Ärmelkanals aufgeräumt. Sein Buch ist eine vergnügliche Lesereise und als Einstimmung, aber nicht unbedingt als Reiseführer, bestens geeignet.


5 Sterne


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