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FURIOUS LOVE ist eine wilde, verrückte Geschichte um Liebe, Lust und Leidenschaften im Japan der Edo-Zeit. In den Hauptrollen: der weltberühmte Künstler Hokusai, seine Tochter O-Ei und sein Epigone Sutehachi – der den großen Meister des Holzschnitts nicht nur künstlerisch überflügeln möchte, sondern auch den amourösen Verlockungen des Lebens nur allzu gerne erliegt…

LADY SNOWBLOOD-Zeichner Kazuo Kamimura entwirft in dieser fiktiven Geschichte nicht nur ein fröhlich unkeusches Sittenbild eines Künstlermilieus vergangener Zeiten – ihm gelingt zugleich auch das Kunststück, immer wieder Ausschnitte und Elemente historischer Holzschnitte in seine eleganten Zeichnungen einzubinden, ohne dass die dramatische Erzählung an Fahrt verliert.

Der zweite Band des dreiteiligen Gekiga-Klassikers!

 

  Autor: Kazuo Kamimura
Illustrationen: Kazuo Kamimura
Verlag: Carlsen Manga
Erschienen: April 2010
ISBN: 978-3-551-79162-7
Seitenzahl: 363 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren


Die Grundidee der Handlung
Hokusais Schüler Sutehachi plagen Geldsorgen, aber nicht etwa weil er mit seiner Arbeit schlecht verdient, ganz im Gegenteil, nach einem vor Lob überschäumenden Artikel in der Zeitung steigt er sogar zum neuen Stern in der Branche auf, wenngleich seine obszönen Werke eher skandalös als vorzeigbar sind. Nein, der Luftikus verprasst das Geld in hohem Bogen. Das zügellose Lotterleben Sutehachis und seiner Geliebten O-Shichi treibt immer bizarrere Blüten, bis O-Shichi schließlich dem Wahnsinn verfällt, indem sie nur noch körperliche Befriedigung findet, wenn sie ein Haus in Brand steckt.
Währenddessen fügt sich Hokusais Tochter O-Ei ergeben in ihr Schicksal, treu dem Vater zu dienen, ohne selbst ein glückliches, zufriedenes Dasein zu erfahren, zumal ihre heimliche Liebe zu Sutehachi wohl für immer unerfüllt bleiben wird.
Ihr Vater Hokusai wiederum erlangt nach einer längeren Schaffenskrise endlich wieder die ersehnte Kreativität, doch leider fällt die Skizze seines genialen Werks dem Feuer zum Opfer und er steht am Ende wieder mit leeren Händen da.

Waren es im Vorgängerband noch lose aneinandergereihte Erzählepisoden mit einem breiten Personenkreis rund um den Holzschnittkünstler Hokusai, so sind es diesmal nur noch zwei bzw. später drei Erzählstränge, die den Hauptpart der Handlung bilden, wobei Sutehachi und O-Shichi im Mittelpunkt stehen und die vormalige Hauptperson Hokusai mit seiner schönen Tochter O-Ei eher an den Rand des Geschehens drängen. Erfreulich ist auch, dass dadurch mehr Tiefe bei der Charakterisierung der Hauptpersonen möglich ist, was im ersten Band nicht immer der Fall war. Die Grundstimmung erfährt ebenfalls eine komplette Wendung: In Band 1 war sie ironisch-leicht, diesmal ist sie ernst, aufwühlend, schockierend. Insgesamt ist es Kamimura wieder einmal gelungen, mich komplett zu überraschen, denn auf eine so drastische Kehrtwende war ich nicht vorbereitet.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die knapp vierzig Jahre alten Zeichnungen sind in ihrer eleganten Schlichtheit einfach atemberaubend und zeitlos. Früher wurde weniger mit Rasterfolie als heute gearbeitet. Diese kommt nur bei größeren Flächen (Kleidung, Hintergründen, Landschaften) zum Einsatz, in Gesichtern zur Untermalung der Mimik überhaupt nicht, da die Panels im Vergleich zu heutigen Mangas eher klein gehalten sind und die Menschen dementsprechend fast schon winzig ausfallen. Insofern musste der Zeichner die Ausdruckskraft in seinen Bildern allein mit der Strichführung erzielen, was Kazuo Kamimura virtuos gelingt. Andererseits wird deutlich, dass bestimmte stilistische Standards in der Mangakunst wie z.B. Bewegungslinien vor 40 Jahren genauso Anwendung fanden wie heute.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, kann ich nur wieder betonen, wie authentisch alles wiedergegeben ist, dies wird besonders gut bei den Protagonisten deutlich, die allesamt ein realistisches, japanisches Aussehen haben, angefangen bei ihrer Kleidung über die Frisuren, sofern man bei den kahlgeschorenen Köpfen der Männer und Jungen mit nur einzelnen Haarbüscheln überhaupt von einer Frisur sprechen kann, bis hin zu den Holzpantoletten, aber auch die Häuser, ja das gesamte Stadtbild Edos (heutiges Tokio) ist realistisch dargestellt. Sehr schön sind beispielsweise die feinen Unterschiede zwischen Hokusais zwar ärmlichen, aber tiptop in Schuss gehaltenen Unterkunft und Sutehachis vernachlässigten Behausung, die einer Bruchbude gleichkommt, aus Kamimuras akkuraten Bildern ersichtlich.
Alte, Original-Holzschnittmotive aus Hokusais Zeit sind in diesem Band rarer gesät als im Vorgänger, dafür hat der Mangaka in Kapitel 18, wo es um Hokusais neues Meisterwerk geht, das tragischer Weise bei einem Brand abhandenkommt, die langwierige, umständliche und arbeitsintensive Entstehung  japanischer Farbholzschnitte mit anschaulichen Erklärungen in Wort und Bild kunstvoll eingeflochten.

Die Altersempfehlung des Verlages ab 16 Jahren ist in diesem Band im Anbetracht der ausgedehnten Gewalt- und Erotikszenen tatsächlich gerechtfertigt. Die Erotik ist aber aufgrund hohem künstlerischen Zeichenniveau niemals vulgär. Mein einziger Kritikpunkt für diesen Band besteht in der ausufernden, überdeutlichen, in meinen Augen fast schon gewaltverherrlichenden Bilderstrecke über viele Seiten hinweg, in der gegen Ende des Bandes die Hinrichtung von Verbrechern in Form von Enthauptung durch die Schwertklinge gezeigt wird. Wären die Bilder bunt gewesen, hätte sich bestimmt mein Magen umgedreht, so war ich nur angewidert und entsetzt, mit wie viel Detailverliebtheit und mit welcher Schonungslosigkeit  hier das Töten von Menschen zelebriert wird. Deshalb ist dieser Band keinesfalls für Zartbesaitete oder Jugendliche unter der empfohlenen Altersgrenze geeignet!

Mit den Sprechblasen verhält es sich hier genauso wie im ersten Band. Zum Teil kommen umfangreiche Dialoge mit vollgestopften Sprechblasen vor, diese werden aber mit vielen blanken, textlosen Seiten ausgeglichen, so dass ein flüssiges Lesen möglich ist. Das Schriftbild ist comictypisch in Großbuchstaben. Die original japanischen Geräuschzeichen wurden aus den Zeichnungen entfernt und mit deutschen Übersetzungen in fetten Großbuchstaben ersetzt. Als Besonderheit sei noch erwähnt, dass in dieser Miniserie durchweg alle Seiten nummeriert sind, normalerweise findet man in Mangas nur vereinzelt Seitennummern.


Aufmachung des Comics
Der Manga wurde wieder in robuster Klappenbroschur aufgelegt. Die Seiten im Innenteil bestehen aus rauem, gräulichem Papier. Jeder Band dieser Reihe ist fast doppelt so dick wie normale Mangas, was auch den stolzen Preis rechtfertigt. Unterteilt ist die Geschichte in 15 Kapitel, den Anfang jedes Kapitels ziert ein schönes Kapitelbild, das Ende markiert eine schwarze Seite. Im Anhang befindet sich wieder ein Glossar. Schade finde ich, dass einleitend auf eine Zusammenfassung der bisherigen Handlung oder die Vorstellung der Hauptcharaktere verzichtet wird.

Auf dem mit dezenten Farben gestalteten Titelbild sehen wir diesmal O-Shichi. Die Gesamtoptik des Covers finde ich sehr ansprechend und zum Inhalt passend. Dieselben Farben wiederholen sich auf dem breiten Buchrücken und auf dem rückwärtigen Cover. Leider hat man für den zweiten Band keine eigene Inhaltsangabe entworfen, sondern nur dieselbe, allgemeingültige für alle drei Bände wieder abgedruckt.


Fazit
Die Handlung erfährt in diesem Band eine komplette Kehrtwende. Sie ist deutlich ernster, komplexer und tiefgründiger als die locker-leichten Episoden des ersten Bandes, was in Verbindung mit der hochwertigen Zeichenkunst Kazuo Kamimuras nach der Höchstnote schreit, wäre da nicht diese ausladende blutrünstige Bilderstrecke, die auf mich abstoßend und ekelhaft wirkte, obwohl ich nicht gerade zu den Zartbesaiteten gehöre. Hier hätte man subtiler vorgehen sollen nach dem Motto „weniger ist mehr“. Aus diesem Grund ist unbedingt die Altersempfehlung des Verlages zu beachten!


 4 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
- Band 1

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