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Liebe Frau Hermann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen!
Am besten fangen wir ganz am Anfang an: Wie haben Sie zum Schreiben von Romanen gefunden?

Ich arbeite als Fernsehjournalistin und wollte unbedingt einen Dokumentarfilm über die Kindermädchen drehen, die im Krieg als Zwangsarbeiterinnen bei deutschen Familien gearbeitet haben. Leider wollte das Thema keiner haben – weder als Film noch als Radiofeature und auch nicht als Reportage. Also habe ich die Geschichte dieser Kindermädchen als Buch geschrieben. Es hat fünf Jahre gedauert und ich habe über fünfzig Absagen von Verlagen bekommen. Bis es dann endlich geklappt hat. Heute ist das Buch über 80.000 Mal verkauft und wird vom ZDF verfilmt – und Absagen kriege ich auch keine mehr [grinst]


Was fasziniert Sie am Schreiben?

Wow! Es ist großartig! Und jeder kennt das Gefühl, der schon mal bis über beide Ohren verliebt war. Man träumt mit offenen Augen ... und ich schreibe diese Träume eben auf. Ich bin verliebt in meine Figuren, anders kann ich das gar nicht beschreiben. Ich beobachte sie, ich fühle mit ihnen, ich bin absolut hingerissen von dem was sie machen und tun. So muss das früher am Lagerfeuer gewesen sein, wenn einer plötzlich anfing, eine Geschichte zu erzählen. Die Gestalten erheben sich aus den Flammen und spiegeln sich in den Augen der Zuhörer ... heute ist der Computer mein Lagerfeuer. Aber manchmal, bei Lesungen, erlebe ich die Aufmerksamkeit und das Zuhören immer noch als etwas Magisches.


Mit „Lilienblut“ haben Sie einen Thriller für Jugendliche ab 13 Jahren geschrieben, der aber auch Erwachsene Leser zu fesseln vermag. Wie sind Sie auf die Geschichte gekommen, in der Weinanbau und Schifffahrt eine nicht unwesentliche Rolle spielen und der Leser bis zum Schluss nicht so recht weiß, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört?

Ich wollte eine Geschichte über die Sehnsucht und das Bleiben schreiben. Über Flügel und Wurzeln, um diese alte Metapher zu verwenden. Und Schiffe haben mich schon immer angezogen. Ich bin für „Lilienblut“ den ganzen Rhein rauf und runter und mit einem Containerschiff eine Woche von Duisburg nach Rotterdam gefahren. Danach stand für mich fest, dass die Sehnsucht für mich etwas mit einem großen Fluss zu tun hat, der im Meer mündet und einen hinausträgt in die Welt. Am Rhein wächst natürlich auch Wein – an Steilhängen, die zum Teil seit Jahrhunderten in Familienbesitz sind. Das war für mich das Sinnbild des Bleibens. Was davon ist gut, was ist böse? Keins von beiden. Und genauso sind auch die Menschen: Niemand ist Engel oder Teufel. Jeder hat von beidem etwas in sich. Und das macht Sabrinas Suche nach dem wahren Mörder ja auch so vertrackt – wer heute verdächtig ist, kann morgen schon wieder unschuldig sein. Der Leser bleibt genauso im Ungewissen wie Sabrina – und das soll ja bekanntlich die Spannung halten. (grinst wieder)


Hatten Sie beim Schreiben von „Lilienblut“ die jugendliche Zielgruppe bereits vor Augen oder hat sich diese vielmehr erst im Nachhinein ergeben?

Es war explizit der Wunsch da, etwas für Jugendliche zu schreiben.


Haben Sie bestimmte Rituale, die Sie beim Schreiben einhalten, zum Beispiel eine bestimmte Schreibzeit oder eine festgelegte Seitenzahl pro Tag?

Schön wär‘s! Leider nicht. Ich schreibe immer und überall – beziehungsweise finde immer und überall Gelegenheiten, mich davor zu drücken ... es hat sich aber herausgestellt, dass abends eine gute Zeit ist, um konzentriert zu arbeiten. Abends und nachts.


„Lilienblut“ ist seit Anfang März diesen Jahres in den Buchregalen zu finden. Zeitgleich ist der Thriller auch als Hörbuch erschienen, wobei Sie den Text selbst eingelesen haben. Ihr erstes Hörbuch, in dem Sie als Sprecherin fungieren – wie kam es dazu?

Ich kann ganz gut lesen. Das muss man auch, wenn man seine eigenen Stücke im Fernsehen spricht. Bisher hatte ich ja mit dem Anwalt Joachim Vernau (der „Ermittler“ in meinen Krimis für Erwachsene) einen Mann als Hauptperson, und das auch noch als Ich-Erzähler. Das ging für Hörbücher gar nicht. Bei „Lilienblut“ aber war das anders. Zudem ist es nicht ganz einfach, Schauspieler zu finden, die von Jugendlichen für voll genommen werden. Die Akzeptanz eines/r Autor/In steht da viel weniger in Frage. Als ich vorsichtig anklopfte, ob ich das Buch selbst lesen darf, ging die Tür zu meinem größten Erstaunen tatsächlich auf. Es war die beste Lösung für alle Beteiligten – hoffe ich ...


Sie sind Radio- und Fernsehjournalistin – dies war sicherlich hilfreich bei der Arbeit als Hörbuchsprecherin. Mich interessiert daher, was das Schwierige, die Herausforderung bei der Umsetzung eines Hörbuchs ist. Wie haben Sie sich auf diese Arbeit vorbereitet – den Text und die Figuren kannten Sie als Autorin ja bereits sehr gut …

Wichtig ist, das Hörbuch als ein komplett anderes Medium zu begreifen. Mir war klar, dass die Lektorin Ulla Mothes einen sehr schwierigen Job hat: das Buch um fast die Hälfte zu kürzen und dabei die Story zu behalten. Sie hat das großartig gemacht! Aber mir blutete natürlich ununterbrochen das Herz.  Das muss man wissen und es einfach akzeptieren. Deutschland Radio Kultur hat aus dem „Kindermädchen“ ein Hörspiel gemacht – 420 Seiten eingedampft in 55 Minuten! Hilfe! Tief durchatmen hilft, und einfach Vertrauen haben in die, die mit der Machete an einen Stoff herangehen müssen, um dann daraus ein filigranes kleines Kunstwerk zu schnitzen. 


Inwiefern hatten Sie bei der Kürzung der Romanvorlage ein Mitspracherecht und wie gefällt Ihnen die gekürzte Version?

Sie ist wunderbar. Natürlich habe ich ein Mitspracherecht. Und das war umso wichtiger, weil die eine oder andere Unebenheit, die durch das Kürzen entstanden ist, geglättet werden konnte. Man sitzt also in der Kabine, und dann stimmt ein Anschluss nicht hundertprozentig. Das kann immer mal passieren, aber in meinem Fall konnte ich den Kuli nehmen und einfach ein, zwei Sätze dazu erfinden – und schon passte wieder alles. So musste die Redakteurin Judith Lövenich nicht wegen jedem Wort erst die Zustimmung einholen. Es war einfach für alle eine win-win-Situation.


Werden Sie künftig noch öfter als Hörbuchsprecherin anzutreffen sein?

Ich würde mich freuen. Es hat großen Spaß gemacht! Aber das letzte Wort hat das Publikum. Wenn „Lilienblut“ ein Erfolg wird, was ich mir von Herzen wünsche, könnte es durchaus sein, dass ich wieder einmal ins Studio gehe. Das hängt ganz vom Erfolg ab.


Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Interview!

Ich habe zu danken! Jugendbücher sind nicht gerade der Rezensenten liebstes Kind  – von daher war es für mich eine Freude!

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