Smaller Default Larger

Echte Kerle sticken ohne Fingerhut! 

Kommissar Siegfried Seifferheld, ledig, gutaussehend und wohnhaft in Schwäbisch Hall, wurde bei seinem letzten Einsatz schwer verletzt und in den Frühruhestand versetzt. Doch die Polizeiarbeit legt man nicht ab wie einen alten Hut. Als immer mehr alleinstehende Männer in seiner beschaulichen Heimatstadt einen unerwarteten Tod sterben, glaubt der sympathische Kommissar a. D. nicht an einen Zufall. Und so unterbricht Seifferheld seine heimlich Leidenschaft, das Sticken von Zierkissen, und macht sich auf die Spur des Serienmörders, dicht gefolgt von seinem vierbeinigen Begleiter Onis.

 

  Autor: Tatjana Kruse
Verlag: Knaur
Erschienen: 01/2010
ISBN: 978-3-426-50367-6
Seitenzahl: 319 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Viel bleibt dem Klappentext nicht hinzuzufügen, zumindest was die Handlung angeht. Denn so richtig ermitteln tut der Kommissar a. D. nicht, dafür fängt er eine neue Liebschaft mit einer Reporterin an, beginnt einen Männerkochkurs, schreibt den täglichen Polizeibericht für die Tageszeitung und nur so ganz am Rande ermittelt er ein bisschen stümperhaft herum. Dabei legt die Autorin offenbar viel Wert auf das Drumherum, der „Krimi“ ist da eher eine Art Köder, auch wenn auf dem inneren Titelblatt „Kriminalroman“ steht.


Stil und Sprache
Wie schon erwähnt, ist dieser Roman kein echter Krimi. Natürlich wird ein bisschen ermittelt und am Ende auch ein Täter gefunden, dazwischen erfährt man aber hauptsächlich, was Kommissar Seifferheld sonst noch so treibt. Er geht seiner Schwester aus dem Weg, rettet seine Nichte regelmäßig aus Polizeiaktionen, führt seinen Hund spazieren und stickt natürlich, wann immer er es heimlich tun kann. Das ist gar nicht mal unoriginell, aber eben nicht das, was ich erwartet hatte. Gerade die Anfangssequenz weist doch eher auf einen zwar leicht abgedrehten, aber doch echten Kriminalroman hin, wenn eines der Opfer mehr oder weniger graziös das Zeitliche segnet. Dieser Eindruck gibt sich dann aber recht schnell und die Handlung versackt im täglichen Einerlei von Kommissar Seifferhelds Alltag.

Dabei hat sich Tatjana Kruse eine wirklich nette Umgebung für ihren Helden ausgedacht und stellt sie auch überwiegend sehr originell dar, so manches Mal habe ich wirklich schmunzeln müssen („Zur Jackie-Kennedy-Onassis-Gedenk-Pillendose mit Feder und schwarzem Schleier trug sie ein (…) Kostüm mit wadenlangem Rock, das schätzungsweise 1908 aus der Mode gekommen war. Aus der im Vergleich zur zierlichen Frau gigantischen Kroko-Handtasche (…) lugte ein komatöser Pekinese.“). Das macht gerade zu Anfang viel Spaß, wird aber irgendwann ermüdend, weil nämlich ansonsten nicht viel passiert. Spannung sucht man vergeblich, es sei denn, man empfindet die skandalösen Vorgänge in einem Männerkochkurs in Schwäbisch Hall als nervenzerfetzend. Dafür schafft es Tatjana Kruse, eine Menge Situationskomik so zu schildern, dass sie auch wirklich komisch ist. Mit überwiegend kurzen, lakonischen Sätzen schickt sie ihren Helden durch Schwäbisch Hall und bringt so die biedere, etwas muffige Kleinstadtatmosphäre gut an den Leser. Dabei sind die oft ironisch gefärbten Gedanken von Kommissar Seifferheld ein wichtiges Mittel, das auch reichlich bemüht wird, um Atmosphäre und Beziehungen zu verdeutlichen. Etwas irritierend ist dabei allerdings, dass in kurzen Sequenzen auch Gedanken anderer Personen, etwa Seifferhelds Angebeteter, quasi „aufblitzen“, da ansonsten nur der Kommissar selbst zu Wort kommt.

Eine Sache in Tatjana Kruses Roman hat mich allerdings mehr als nur gestört: Eine komplette Passage ist mehr oder weniger von Simon Becketts genialer Einleitung zu „Die Chemie des Todes“ abgeschrieben, teilweise wird hier wörtlich abgekupfert, das geht dann doch zu weit und entzieht sich meinem Verständnis.


Figuren
Kommissar Seifferheld hat es schwer getroffen: nach einer Hüftverletzung mit einer Gehhilfe ausgestattet, lebt er zusammen mit seiner dragonerhaften Schwester Irmgard, seiner karrieresüchtigen Tochter Susanne und seiner im Tierschutz aktiven Nichte Karina unter einem Dach. Von allen dreien schwer gegängelt, sucht er sein Heil regelmäßig in der Flucht von zu Hause und geht deshalb viel mit seinem Hund Onis spazieren. Typisch Mann, setzt er sich eher nicht zur Wehr, sondern übt subtile Gegenwehr und unauffällige Verweigerung aus. Ihm als Hauptfigur gilt natürlich das Hauptaugenmerk der Autorin und als Protagonist ist er recht originell und durchaus sympathisch dargestellt. Leider werden seine Macken und Schrullen einfach zu sehr ausgeschlachtet und zum Beispiel immer wieder auf Seifferhelds Stickleidenschaft herumgehackt. Das ist einfach zu viel des Guten und geht klar auf Kosten der Handlung, die vor lauter üppig ausgestalteten Personen einfach untergeht.

Das gilt auch für die Nebenfiguren, die alle lebendig, wenn auch etwas überzeichnet wirken. Bei manchen werden die Motive für ihr Handeln nicht transparent, besonders der am Ende doch noch erwischte Täter behält sein Motiv weitgehend für sich. Dafür bekommt Hund Onis breiten Raum, sein Hundeseelenleben (und nebenbei seine labile Verdauung) ausführlich auszubreiten, für einen Hund hat er wirklich eine Menge Charakter!


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt auf der Vorderseite einen Gartenzwerg, der auf einer schweren Holzkiste sitzt und Pfeife raucht. Der Bezug zur Handlung wird damit eher nicht hergestellt, es sei denn, man deutet den Zwerg als Symbol für Kleinstadtidylle…die Kapitel sind sehr lang, aber jeweils nach wenigen Seiten nochmals unterteilt und extra betitelt, mit ganzen Sätzen wie etwa „Sobald Kühe Kondensmilch geben und Hühner Rühreier legen, wird man auch glücklich verheiratete Männer finden“ (?). Zusätzlich werden in regelmäßigen Abständen Kommissar Seifferhelds Polizeiberichte abgedruckt.


Fazit
Kein Krimi, sondern eher ein auf Situationskomik beruhender Unterhaltungsroman mit leichten Krimi-Anklängen. Echte Krimileser, die Spannung und Ermittlungsarbeit erwarten, werden enttäuscht sein, aber wer diese Art von Humor mag, wird Kommissar Seifferheld in sein Herz schließen und das Buch genießen.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo