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Lia Kahn ist tot. Ich bin Lia Kahn. Deshalb - denn das ist ja wohl ein logisches Problem, das sogar ein minderbemitteltes Kind lösen könnte - bin ich tot.
Da ist nur eine Sache: Ich bin es nicht.

 

  Autor: Robin Wasserman
Verlag: script5
Erschienen: Januar 2010
ISBN: 978-3-8390-0106-6
Seitenzahl: 376 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die hübsche, 16-jährige Lia Kahn kommt bei einem Autounfall beinahe ums Leben. Da ihre reichen Eltern es nicht ertragen sie zu verlieren, wird ihr Gehirn bis ins kleinste Detail gescannt und ihre gesamte Persönlichkeit in einen künstlichen Körper übertragen. Lia hasst ihren neuen Körper von Anfang an. Da sie aber daran nun einmal nichts mehr ändern kann, muss sie lernen, damit umzugehen. Früher als Vorzeigeschülerin und "beste Freundin" umschwärmt und bewundert entdeckt sie bald, dass sie seit dem Unfall von den anderen Menschen gemieden wird und sich sogar ihre engsten Freunde von ihr abwenden. Gefangen in einem Körper, der weder Nahrung noch Schlaf braucht, hat sie viel Zeit zum Nachdenken. Lia entdeckt, dass ihr bisheriges Leben eine einzige Farce gewesen ist und wie abhängig sie selbst und alle ihre Freunde von Internet, Drogen und der Wertschätzung ihrer Freunde geworden sind. Angefeindet und ausgeschlossen beginnt sie sich selbst in Frage zu stellen und weiß bald selbst nicht mehr was sie glauben soll. Ist sie nur ein gut programmierter Roboter, wie immer mehr Leute behaupten, oder steckt sie selbst, Lia Kahn, unter der wasserdichten Kunsthaut. Die anderen "Mechs", ehemalige Menschen, die wie sie in einem künstlichen Körper stecken, sind ihr unheimlich. Sie will nur eines: ihr vorheriges Leben zurück. Als Auden, ihr einziger verbleibender Freund, durch sie in eine lebensbedrohende Situation gerät, muss Lia eine Entscheidung treffen, die sie selbst und ihr weiteres Leben unabänderlich beeinflussen wird.

Robin Wasserman hat einen beängstigenden Blick in die Zukunft geworfen, wie sich die Menschheit weiter entwickeln könnte, wenn die Medizin weiterhin so rasante Fortschritte macht. Die Idee, dass ein Mensch durch "Datenübertragung" in einen künstlichen Körper im Prinzip unbegrenzt überleben könnte, wurde sehr gut umgesetzt. Durch die Ich-Form wirkt Lias Wunsch, nach ihrem Unfall als Mensch akzeptiert zu werden sehr intensiv und regt den Leser zum Nachdenken an. Leider beschränkt sich der Zukunftsausblick der Autorin nur auf Lia und ihr direktes gesellschaftliches Umfeld. Wie sich die Welt insgesamt entwickelt haben könnte, wird nur flüchtig gestreift. 


Stil und Sprache

Die Geschichte ist in der ersten Person aus der Sicht und Gefühlswelt von Lia Kahn geschrieben. Sie beginnt mit der ersten Erinnerung nach dem Unfall von Lia und begleitet Lia Schritt für Schritt beim Erwachen und der Rehabilitation. Ihre Gedanken und Gefühle, die Zweifel, die Angst und ihre hilflose Wut, als sie entdeckt, dass sie in einem fremden Körper gefangen ist, den sie nicht will und den sie nicht verlassen kann, bringen dem Leser Lia Kahn sehr nahe. Durch die eindringliche Schreibweise, die durch die Ich-Form noch intensiver wirkt, kann der Leser hautnah die gesamte Bandbreite von Lias Gefühlen eintauchen.
Der Wechsel von der umschwärmten, reichen Egomanin, die bestimmt was IN und was OUT ist, zu einer geächteten und unverstandenen Außenseiterin wird sehr gut gezeigt. Die Motive der einzelnen Personen sind gut verständlich, jeder handelt von seiner persönlichen Warte aus menschlich und nachvollziehbar. Die vielen Konflikte, die dadurch entstehen, halten die Spannung hoch. 
Die Geschichte ist locker geschrieben und einfach zu lesen. Eventuelle Fachausdrücke erklären sich entweder von selbst oder spätestens in den nachfolgenden Sätzen. Die Spannung steigt oder fällt immer wieder im Gleichklang mit Lias Gefühlen und Problemen, sodass man wissen möchte, wie es weiter geht, und keine Zeit für Langeweile bleibt. 


Figuren
Lia ist sehr gut ausgearbeitet und ihre Persönlichkeit wächst in demselben Maß, wie sie nach ihrem Unfall ins Leben zurückfindet. Da die tatsächlichen Situationen mit Lias Erwartungshaltung fast nie übereinstimmen, muss sie sich permanent neu orientieren und sich neuen Situationen stellen.
Zo, Lias Schwester handelt situationsbedingt ebenso verständlich wie ihre Eltern, Walker, Lias Freund, und ihre Mitschüler. Auf ihre Weise sind sie in ihrer kleinen Welt der Reichen und Mächtigen gefangen, klammern sich an ungeschriebene Verhaltenscodexe und sind süchtig nach Drogen, das Internet und Prestige. Genetisch verbessert und nach der neuesten Mode designet, fühlen sie sich so fremd und unglücklich in ihrer realen Welt, dass sie diese oft ohne chemische und virtuelle "Hilfsmittel" nicht ertragen können bzw. wollen.
Auden, Außenseiter, Lias Mitschüler und später einziger Vertrauter in der "Menschenwelt" ist gut angelegt und agiert motiviert und glaubwürdig. Jude, der wie Lia in einem künstlichen Körper steckt, bietet Lia seine Art von Hilfe an, der Lia aber Anfangs nicht so recht traut. Erst nach und nach erfährt Lia von anderen Leidensgenossen und entdeckt eine völlig neue Welt. 


Aufmachung des Buches
Der Roman ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Das dunkelviolette Cover mit den schwarzen Mustern ist ansprechend auffällig und macht neugierig, obwohl es nichts über den Inhalt verrät. Der Text auf der Rückseite ist extrem kurz und verlockt gerade dadurch zum Hineinlesen.
Durch die gut gewählte Textformatierung lässt sich der Roman angenehm und flott lesen. Jedes Kapitel beginnt mit einer Überschrift und einer kurzen Kernaussage des Kapitels, und das Lesebändchen ist ausnehmend praktisch.


Fazit
"Skinned" ist ein kurzweiliger Zukunftsroman, der sich an LeserInnen ab dem jungen Erwachsenenalter richtet. Die spannende Schreibweise, die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere und die Aktualität des Themas garantieren einige Stunden ebenso unterhaltsames wie interessantes Lesevergnügen. 
Obwohl es (noch) zur Science-Fiction zählt, wirkt der Roman durch die aktuellen Themen wie Genetik, künstliche Intelligenz und die immer größer werdenden Möglichkeiten der moderne Medizin und Mechanik sehr realistisch und aktuell. Vor allem die moralischen Fragen, wie viel "menschliches" Material in einem Roboter vorhanden sein muss, um ihn als Mensch zu bezeichnen und was genau den Menschen zum Menschen macht, laden dazu ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Schade ist, dass sich die Autorin bei ihrem Blick in die Zukunft fast ausschließlich auf eine reiche Elite beschränkt hat. Die vermutlich ebenfalls veränderten Lebens- und Umweltbedingungen für die Normalbevölkerung wurden kaum gestreift.

 
4 Sterne


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