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Am 15. Dezember 1494, gegen sieben Uhr, wird die Leiche des Notars Christoforo di Rodrigo am Ufer des Martesana-Kanals gefunden. Der Leiche wurde das Gesicht gestohlen.

Der Engel übt Rache, aus der Finsternis bricht das Licht hervor.

Der „Dieb der Gesicher“ hat Mailand verlassen, den Spuren von DaVinci folgend, der sich von jetzt ab in Venedig aufhält. Er entstellt den Hauptmann Antonio Daguerre, bevor er ihn wie eine ordinäre Marionette zerstückelt.

Der Engel verfolgt seine Rache, und das Licht jagt die Finsternis.

 

  Autor: Didier Convard / Gilles Chaillet
Illustration: Didier Convard / Gilles Chaillet
Verlag: Ehapa Comic Collection
Erschienen: 01/2010
ISBN: 978-3-7704-3337-7
Seitenzahl: 112 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahren


Die Grundidee der Handlung
Der König Francois I. bittet einen befreundeten Mönch, eines der letzten Gemälde von Leonardo da Vinci zu verstecken und dafür zu sorgen, dass dieses Werk niemals der Öffentlichkeit bekannt wird. Um dem Mönch seine Beweggründe klarzumachen, erzählt er eine Geschichte seines Freundes da Vinci und einer Mordserie, die zu da Vincis Zeiten Mailand, Venedig und Florenz heimgesucht haben…

Die beiden Autoren und Künstler Convard und Chaillet haben mit „Vinci“ eine Szenerie ersonnen, die historische Fakten mit Legenden zu verbinden weiß. Die Arbeiten und Erfindungen Leonardo Da Vincis werden auf diese Weise mit einer historischen Kriminalgeschichte in Kontext gestellt, die geschickt und mit entsprechenden Wendungen aufgebaut wurde, ihre Geheimnisse erst nach und nach lüftet und den Leser bei der Fragen, wer der Mörder ist und was seine Motive sind, mit einbezieht. Ein Katz- und Mausspiel zwischen da Vinci, seiner geheimnisvollen Geliebten und seinem Adoptivsohn Salaï auf der einen und den Ermittlern Vogt Vittore und Menanzzo auf der anderen Seite beginnt…


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die Bilder der Städte sind von einer bestechenden Genauigkeit und sehr aufwendig umgesetzt, der Leser bekommt mächtig was fürs Auge geboten. Seien es nun die Verzierungen von Räumen, Möbeln und Kutschen, oder sei es die Architektur der Gebäude, man sieht sofort, welche Mühe sich die Zeichner gemacht haben. Das Panorama von Mailand im Jahre 1494 beispielsweise bietet beim Blick über die Stadt aus der Vogelperspektive eine solche Fülle, dass man allein in dieser Arbeit lange versinken und das Auge über hunderte von Einzelheiten schweifen lassen kann. Speziell Zimmer wie das Schlafgemach des Notars Di Rodrigo oder die Werkstatt da Vincis sind bis in die feinen Nuancen genau erfasst, zeigen den vollen Umfang der Verzierungen und machen in Bezug auf die Ausstattung einen sehr gut recherchierten Eindruck. Erst wenn bestimmte Motivteile, z.B. Gemälde, in den Hintergrund rücken, um den Fokus auf die Personen zu erhöhen, kann die Bildtiefe schon mal an Details einbüßen. Dies ist aber nur selten der Fall.
Immer wieder mal gestalten die Illustratoren aufwendige und wunderschöne Panoramen, die sich über zwei Seiten erstrecken und ein Genuss für's Auge sind. Eine der Darstellungen ist der Kathedrale Santa Maria Nascente gewidmet, die auch im Folgenden sehr ausführlich und auf exzellente Weise gezeigt wird. Wieder und wieder staunt man über die Schönheit des gewaltigen Gotteshauses, das vor architektonischen Details nur so strotzt. Sehr eindrucksvoll ist auch die wiedergegebene Baukunst Venedigs mit seinen zahlreichen Balkonen, Türmen und Rundbögen, mit den mal einfacheren, mal herrlichen und an Paläste erinnernden Bauten.

Etwas weniger feingliedrig, wenn auch immer noch mit hoher Genauigkeit, stellen sich die Figuren vor. So sind sie oft bis in die Haarsträhnen und Falten genau umgesetzt, ohne jedoch übertrieben stark ausgearbeitet zu sein – ein gutes Mittelmaß. Die Mimik und Gestik ist meistens stimmig, nur selten erscheinen die Gesichtszüge oder die Körperhaltungen etwas unpassend, z.B. kommt der undurchsichtige Salaï in manchen Zeichnungen wie ein Zappelphilipp rüber. Das Gesicht Francois I. erscheint schon ein wenig unbewegt und geglättet, allzu starkes Mimikspiel kommt hier nicht vor, was bei den einen oder anderen Bildern die Assoziation einer Maske wachruft. Als Hauptmann Antonio Daguerre ermordet wird, wirkt seine Geliebte – die den Mord hilflos mit anschauen muss – wenig panisch, sondern eher nüchtern – ihre Gefühle kommen zum Leser nicht durch, sie hinterlässt an dieser Stelle einen eher unrealistischen und unpassenden Eindruck.
Mit hohem Aufwand und großem Wert auf Authentizität sind die Bekleidungen der Epoche angepasst. Nicht zuletzt auch die Tiere – Pferde, Katzen, etc. – kommen gekonnt gezeichnet daher.

Versteckt in den Bildern gibt es zuweilen Hinweise, die den Leser um die mysteriöse Mordserie miträtseln lassen. Hierzu passt, dass Leonardos Geliebte fast bis zum Schluss anonym ist, ein Blick auf das Gesicht bleibt lange verwehrt. Meistens mögen die Zeichner dies auch gut zu bewerkstelligen, z.B. wenn eine Kapuze tiefe Schatten erzeugt, wo das Gesicht sein muss, allerdings können sie nicht immer überzeugen – auf Seite 70 werden in einem Panel die Gesichtszüge verborgen, indem die Unbekannte eine Hand und ein Glas Wein davor hält, die Pose wirkt allerdings mehr albern als gekonnt.

Die Koloristin setzt Schatten nur spärlich und dort gezielt ein, wo es eine entsprechende Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten gilt oder um Persönlichkeiten im Anonymen zu belassen, was der Spannung zugute kommt. Mit zurückhaltenden Kontrasten und in der Sättigung zumeist reduzierten, pastellartigen Tönen färbt sie die Zeichnungen gekonnt und gibt ihnen damit einen zur Szenerie passenden alten bzw. historischen Eindruck.

Keine Besonderheiten gibt es bei der Gestaltung von Erzähltexten und Dialogen, sie sind in comictypischer Schriftgröße und durchweg in Großschrift eingefügt, die Sprechblasen rechteckig ausgelegt. Rufe werden größer und in Fettschrift hervorgehoben, auf die bei dieser Art der Ermordungen obligatorischen Schmerzensschreie wird genauso völlig verzichtet wie auf die übrigen Soundwords. Geräusche ergeben sich – wenn überhaupt – höchstens aus der Darstellung der Grafiken in Verbindung mit der Fantasie des Lesers.


Aufmachung des Comics

Erkennbar Mühe hat sich Ehapa mit der äußerlichen Gestaltung dieses All-in-one Comicbandes gegeben, d.h. der Leser findet in diesem Buch die komplette, in sich abgeschlossene Geschichte. Das im Format A4 gehaltene und fest eingebundene Werk ist einwandfrei verarbeitet, der verwendete Umschlagkarton von guter Qualität. Das halbmatte Papier ist griffig und ausreichend dick, erst wenn man einzelne Seiten bei Tageslicht umblättert, kann die Gestaltung der Rückseite ein bisschen durchscheinen, was den Lesegenuss aber nicht stört.
In der Aufmachung des Buchdeckels dominiert im unteren Teil eine der Zeichnungen der Geschichte, in der nachts zwei Figuren vor der gewaltigen Kathedrale Santa Maria Nascente stehen. Ein Farbverlauf ins Schwarze bildet den oberen Teil der Gestaltung. Geschickt wird der  Schriftzug des Titels in seiner marmorierten Farbgebung hervorgehoben, seine Veredelung mit Spotlack macht je nach Licht einen dreidimensionalen, geprägten Eindruck. Im schwarzen Feld wurden einige, ebenfalls mit Spotlack versehene Blutstropfen eingefügt. Mit einem ähnlichen Farbverlauf ins Schwarze, nur in umgekehrter Richtung, wurde die Rückseite gestaltet, die im oberen Teil eine Szene des nächtlichen Venedig zeigt, bei der sich die rote Kleidung einer nicht näher zu erkennenden Figur und ein rötlicher Glanz im Wasser (beides ebenfalls mit Spotlack veredelt) von dem blaugetönten Hintergrund abheben.

Puristisch sieht es dagegen bei der Ausstattung aus, selbst Informationen zu den Autoren bzw. Künstlern des Comics sucht man vergebens.


Fazit
„Vinci“ ist ein historischer Thriller, ein Katz- und Mausspiel zwischen dem Genie da Vinci und seinen Begleitern, einem unbekannten Mörder und den mailändischen Ermittlern. Ein Plot, der geschickt Historisches mit mysteriösen Elementen verbindet, sich so aber tatsächlich abgespielt haben könnte. Die zeichnerische Umsetzung bewegt sich bei den Figuren auf einem guten, bei der Architektur der Städte auf einem sehr hohen Niveau, so dass der Comic nicht nur Spaß beim Lesen macht, auch die Bilder sind überwiegend ein Genuss.


4 5 Sterne


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