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Das schönste Mädchen des Viertels eine Streberin?! Eine Schande in den Augen Ayas zahlreicher Verehrer! Doch die Lebensplanung ihrer Freundinnen – Frisieren, Schneidern, Ehemann angeln – ist der blanke Horror für die 19-Jährige. Da darf man doch wohl bitteschön etwas mehr erwarten! Fragt sich nur, wie sie sich auf ihre Bücher konzentrieren soll, wenn die besten Freundinnen kein Teenager-Drama auslassen und ihr eigener Vater emsig darauf bedacht ist, Aya ausgerechnet mit dem schnöseligen Sohn seines Chefs zu verkuppeln…

Schwungvoll und hinreißend komisch schildern Marguerite Abouet und Clément Oubrerie in ihrer preisgekrönten Graphic Novel eine Jugend in der Elfenbeinküste, ein lebensfrohes Afrika fern westlicher Klischees.

 

 

Autor: Marguerite Abouet
Illustrationen: Clément Oubrerie
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: 09/2006
ISBN: 978-3-551-73711-3
Seitenzahl: 96 Seiten + Vorwort, Ivorischer Bonustrack, Autoren-/Zeichnerportraits
Altersgruppe: 14 Jahre

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Die Grundidee der Handlung
Die Inhaltsangabe des Verlages umreißt die Handlung schon sehr gut, erwähnt sei noch, dass sich das Ganze Ende der 1970er Jahre abspielt.

Mithilfe von Marguerite Abouets Kindheitserinnerungen ein Afrika abseits der Schreckensmeldungen aus den Nachrichten kennenlernen zu dürfen, ist eine richtige Wohltat. Welch tröstlicher Gedanke, dass es auch Ecken in Afrika gibt, wo nicht Hungersnot, Wasserknappheit und Bürgerkriege den Alltag beherrschen, vielmehr plagen die jugendlichen Protagonisten in AYA ähnlich belanglose Sorgen wie unsereins als Zwanzigjährige. Auch AIDS war zum damaligen Zeitpunkt noch kein Thema. Sehr gut gefällt mir, wie neben den jungen Leuten auch Eltern, Geschwister und Verwandte in die Handlung integriert werden, so dass AYA einen breiten Leserkreis anspricht.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Clément Oubreries Zeichnungen haben Cartoon-Charakter. Sie gefallen mir trotz ihrer groben Schlichtheit, weil mit pointierter Treffsicherheit einzelne Charakteristiken betont werden. Die Köpfe erscheinen oft zu groß, die Gliedmaßen zu dünn und lang, die Augen stechend, Münder oder Lippen zu breit, die Wände der Häuser schief… Dies tut der Zeichenqualität und der Lesefreude jedoch keinen Abbruch, denn zusammen mit der frischen, poppigen Kolorierung schafft diese Optik eine lässig-entspannte Atmosphäre mit äußerst sympathischen Akteuren. Erstaunlich auch, wie variantenreich uns Illustrator Oubrerie die Figuren in ihrem Äußeren vorführt, wo sie doch alle die typisch afrikanische, kaffeebraune Hautfarbe, dicke Lippen und krause Haare innehaben. Trotz großem Ensemble, ist jeder für sich unverkennbar, z.B. Ayas Vater mit seinem Quadratschädel und Doppelkinn, dessen Chef ist ein fettes Monstrum mit Stiernacken, Aya selbst trägt ihre Haare immer streng nach hinten gekämmt in einem Knoten, ihre Freundin Adjoua hat kurze Rastalocken…Breitgefächert ist auch die Farbpalette: tagsüber begegnen einem Gelb, Braun oder Grün, abends überstrahlt die untergehende Sonne die Szenerie mit knalligem Pink, nachts sind nur noch schattenhafte, tiefblaue oder -türkise Schemen zu erkennen. Die Farbgebung folgt keiner mir erkennbaren Linie, mal ist sie gedeckt, mal knallig, mal hell und mal dunkel, kühl und warm, dennoch gelingt es Oubrerie, mit dem im wahrsten Sinne des Wortes ‚kunterbunten‘ Mix die passende Stimmung zu erzeugen, was ich erstaunlich finde.

Sehr schön veranschaulichen die Szenen das Alltagsleben, das gar nicht so entbehrungsreich ist als gedacht. Den jungen Leuten mangelt es an wenig, sie schauen sich „Dallas“ im Fernsehen an, gehen abends bei der ersten Verabredung chic essen oder in die Open-Air-Disko am Strand, nachts trifft man sich heimlich auf dem Marktplatz im „Tausend-Sterne-Hotel“, um auf den Markttischen ‚rumzumachen‘…

Auf einer Buchseite sind meistens 6 Szenebilder in 0,5 cm Abständen angeordnet. Mitunter weicht man von diesem Schema mit größeren Bildern ab. Die Sprechblasen kommen als lange, schmale Rechtecke mit zwar comictypischer, aber ein wenig unregelmäßiger Schrift in Großbuchstaben daher; insgesamt fügt sich das Schriftbild sehr gut in die übrige unangepasste Optik ein. Um das afrikanische Flair auch mit sprachlichen Mitteln zu unterstreichen, ließ man viele ivorische Ausdrücke original, ohne Übersetzung, deren Erklärung sich dann im Glossar findet. Auf optische Geräuschuntermalungen mittels Großbuchstaben verzichtet man hier gänzlich.


Aufmachung des Comics
Der Comic ist in mattem Hardcover-Karton gebunden, im  Format liegt er irgendwo zwischen A4 und A5. Das Coverbild zeigt die 19-jährige Hauptperson Aya, im Hintergrund kann man einen Blick auf das quirlige Leben in Ayas Heimatstadt Yopougnon erhaschen. Auf der Buchrückseite ist ein kleiner Ausschnitt mit 4 Szenebildern aus dem Buch abgedruckt, was ich eine gelungene Idee finde, darunter folgt die Inhaltsangabe.

Die Vorsatzblätter sind mit einem dunklen, braun-grünen Ethnomuster bedruckt, das Vorwort schrieb die französische Bestsellerautorin Anna Gavalda. Die Seiten im Innenteil bestehen aus dickem, rauem, naturweißen Papier, das leider schnell vergilbt. Im Anhang - dem „Ivorischen Bonustrack“ - sind ein Glossar, Tipps von Frau zu Frau sowie Portraits über Autorin Marguerite Abouet und Illustrator Clément Oubrerie enthalten.


Fazit
Wer ein Stück afrikanischen Alltag kennenlernen möchte, dem sei AYA wärmstens ans Herz gelegt. Und sofern man nicht mehr dem jugendlichen Alter angehört, so kommen beim Lesen garantiert verklärte Nostalgiegefühle auf, die einen an längst vergangene Tage erinnern. Sowohl die Geschichte als auch die Protagonisten versprühen einen hinreißenden Charme, dem man sich kaum entziehen kann. Zugegeben, die Optik mag eigenwillig, gewöhnungsbedürftig und nicht jedermanns Geschmack sein, aber gerade diese Innovation rechne ich der in Frankreich mit dem Preis für das beste Debüt ausgezeichneten, insgesamt 3 Bände umfassenden, Graphic Novel hoch an.


4 5 Sterne


Hinweise
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