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Kategorie: Romane

Leipzig, Ende der 60er Jahre. Alltagsleben in der DDR und mitten drin der Schauspiel- und Theaterstudent Sebastian Mahler, ein aufgeschlossener junger Mann Anfang zwanzig. Als seine Dozentin Alice Kießling mit allen Mitteln um Sebastian wirbt, fühlt er sich zunächst geschmeichelt und lässt sich auf ein Abenteuer mit ihr ein, obwohl er weiß, dass diese Beziehung zu Problemen führen kann. Erstens ist Alice viel älter als er und zweitens krankhaft eifersüchtig. Doch damit nicht genug: Sebastian erfährt erst viel später, dass ihre Beziehung auf einer Lüge beruht, doch zu diesem Zeitpunkt ist er schon in einem scheinbar unüberwindlichen Netz aus Angst, Stasi-Bespitzelung und Auftragsmord gefangen ... 

 

  Autor: Axel Starke
Verlag: Dresdner Buchverlag
Erschienen: Mai 2009
ISBN: 978-3941757011
Seitenzahl: 291 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Ende der 60ziger Jahre in Leipzig: Sebastian Mahler ist Student und steht am Beginn seines Erwachsenenlebens. Noch lässt er sich etwas ziellos treiben, spielt in einer Band, hängt mit seinen Freunden rum und wartet aufs wahre Leben. Dieses sickert dann auch so nach und nach in sein Dasein ein, als er sich auf ein Verhältnis mit seiner Lehrerin einlässt. Er und seine Clique geraten damit ins Visier der Stasi. Erst taucht ein Herr Kratz auf und stellt seltsame Fragen, im gemeinsamen Urlaub mit Sebastian in Bulgarien verschwindet plötzlich Alice und Sebastian wird von eben diesem Kratz wieder nach Hause „transportiert“. Alice, so stellt sich nun heraus, befindet sich in Haft und wird von der Stasi verhört. Und wäre dadurch nicht alles schon kompliziert genug, geschieht ein Mord, der Sebastian als Hauptverdächtigen da stehen lässt. Wird er es schaffen, seine Unschuld zu beweisen?


Stil und Sprache
Anfangs- und Schlusssatz sind identisch und dienen als Klammer für eine im Rückblick erzählte Geschichte. Leider hält sich der Autor sehr lange mit Unwesentlichem auf. Da werden Einzelheiten aus dem Alltag und dem Vorleben der meisten Personen vor dem Leser ausgebreitet, die völlig nebensächlich sind, wenn man einen Kriminalfall schildern möchte. Wichtig sind sie aber dann, wenn man eine Geschichte übers Erwachsenwerden schreiben will. Nur gelingt Starke die Mischung beider Genre nicht, weder inhaltlich noch sprachlich. Zunächst denkt man noch, der laienhaft anmutende Stil beschränke sich auf Sebastian und seine Clique, was auch Sinn machen würde, aber schnell muss man feststellen, dass der Autor auch dann noch so schreibt, wenn er die Ereignisse aus der Sicht Erwachsener schildert. Es gibt relativ viele Perspektivenwechsel, die aber den Lesefluss nicht behindern, dafür sorgen eher eine unpassende Wortwahl, durch Kommentare des Autors unterbrochene innere Monologe und ausgesprochen hölzerne Dialoge, vor allem der Studentenclique. Oft sind diese so krampfhaft auf witzig und locker getrimmt, dass einem die Haare zu Berge stehen. Die Handlung dümpelt so vor sich hin und die eigentliche Spannung ergibt sich aus der Frage: Wann gibt es denn endlich die versprochene Leiche?
Wenig glaubhaft erscheinen mir manche historischen Umstände. Wie kann es sein, dass Studenten in der DDR an Drogen wie Heroin heran gekommen sind? Drogenbesitz nicht strafrechtlich verfolgt wird?
Der Autor kann aber auch anders, wie sich am Beispiel von Sebastians Berlinbesuch zeigt. Man folgt Sebastian, der ziellos durch die Stadt streift und plötzlich vor der Mauer steht. Sehr deutlich spürt man das beklemmend Klaustrophobische derselben. Nachdem endlich der Mord geschehen ist, nimmt die Geschichte Fahrt auf und es kommt sogar richtig Spannung auf. Leider vergurkt er die Verhörszenen, mit einer einzigen Ausnahme, völlig. Der Autor versagt fast immer dort, wo es um Emotionen geht. Trotzdem, wer bis hierher durchgehalten hat, wird mit einer schlüssigen, durchaus Sinn machenden Auflösung des Falls belohnt.


Figuren
Die Hauptpersonen dieses Romans, Alice und Sebastian, sind mir nicht wirklich sympathisch. Sebastian, eher introvertiert und ein bisschen depressiv veranlagt, soll ein Frauenheld sein? Er hat überhaupt keine Ahnung von Frauen, lässt sich verführen, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen, merkt noch nicht einmal, dass er in Yasmin verliebt ist. Alice nimmt er so nebenbei mit, ohne sich über mögliche Folgen der Affäre Gedanken zu machen. Trotz seiner Erlebnisse und des ihm zugefügten Leides, verändert er sich kein bisschen. Da darf man sich schon ein wenig drüber wundern.
Alice, die weibliche Hauptfigur, erwählt sich Sebastian zum Geliebten, aber sie, eine selbstbewusste, erfolgreiche Dozentin, die in einer internationalen Jury sitzt, sollte was Besseres finden können. Denkt man. Leider erfährt man über sie so wenig, dass sich die Frage nach dem „wieso?“ nicht klären lässt. Für krankhaft eifersüchtig, wie im Klappentext erwähnt, halte ich sie nicht. Seltsam finde ich beider Verhalten gegenüber der Stasi. Trotz Bespitzelung und Verhören zeigen sie sich davon zumeist unbeeindruckt, so als lebten sie nicht in einer Diktatur mit einem allmächtigen Unterdrückungsapparat. Gemeinsam ist beiden, dass es ihnen an Wärme und Tiefe fehlt.
Ansonsten ist der Roman quasi übervölkert. Irgendwann verliert man den Überblick – Tina? Hieß die nicht früher Thea? Ach,egal! Letztlich geht durch das Überangebot das Interesse an den einzelnen Personen verloren. Charakterköpfe findet man sowieso keine darunter, oder fast keine. Kleine Lichtblicke sind Richie, Sebastians Freund, dessen Mutter und Kratz. Das sind lebende Menschen. Der Stasimann Kratz wird da fast zum Sympathieträger. Überhaupt die Stasi - lauter harmlose, nette Leute! Brutal sind nur die Gefängnisaufseher. Wie glaubhaft ist das denn?


Aufmachung des Buches
“Alice.” hat ein für ein Taschenbuch eher ungewöhnliches Format, nämlich DIN A 5. Der Einband ist hoch glänzend und flexibel, und dadurch etwas unhandlich. Der Blick des Lesers wird sofort auf das Cover gelenkt: auf das Foto einer Frau im Profil, die einen Gang mit einem scheinbar endlosen Regal voller Akten hinunter schaut. Ihr Blick ist schwer zu beschreiben, am ehesten noch mit “beobachtend”. Wer ist sie? Der Buchtitel, weiß auf schwarzem Grund, gedruckt mit Buchstaben wie man sie von mechanischen Schreibmaschinen her kennt, befindet sich unterhalb des Fotos. Der Name des Autors versteckt sich ganz oben links. Das Cover möchte ich als gelungen bezeichnen, denn es macht richtig neugierig auf das Buch.


Fazit
Axel Starkes Stärke liegt eindeutig in der Schilderung des Kriminalfalls, hätte er sich nur darauf konzentriert und sowohl historische Verortung als auch das Coming of Age außen vor gelassen, das Lesen hätte wohl Spaß gemacht. So kann ich den Roman leider nicht wirklich empfehlen.


2 Sterne


Hinweise
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