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Hallo Herr Breuer. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben.
Sie haben ein Jahrzehnt in verschiedenen Banken gearbeitet, anschließend haben Sie Software entwickelt. Wie kam es dazu, dass Sie 2002 begannen, Ihren ersten Roman zu schreiben?

Ich wollte immer schon schreiben. Habe es auch in meiner Jugend getan. Aber der Funke für ein längeres Schreibprojekt wollte nicht überspringen. Zumeist war nach wenigen Seiten Schluss. Der lange Atem fehlte. Also kritzelte ich mein Tagebuch voll. Jahr für Jahr. Dann, eines Tages, machte mich eine damalige gute Freundin auf ein Buch aufmerksam. Es war Alessandro Bariccos "Seide". Ich saß auf einer Parkbank in Wien, als ich zum ersten Mal hineinlas. Und ich war sofort fasziniert, überwältigt. Weil ich bis dato nichts Vergleichbares gelesen hatte. Dieser lyrisch märchenhafte, aber zugleich reduziert knappe Stil gefiel mir so sehr, dass ich mir dachte, das könnte ich auch. Und so kam eines zum anderen und ich zu "Azadeh", meinem ersten Buch/Manuskript, mit dem alles seinen Anfang nahm.


Sie haben sich letztendlich gegen Ihren Brotberuf und für das Schreiben entschieden. Seither leben Sie „vornehmlich von Luft und Liebe und bewohnen ein unendlich großes Schloss hoch oben in den Lüften“. Bereuen Sie diese Entscheidung?

Keine Spur. Es blieb mir ja nichts anderes über. Weil ich mir immer sagte, viel früher schon: wenn ich die Idee oder Inspiration für ein Buch habe, dann muss ich es schreiben und zu Ende bringen. Komme, was wolle. Natürlich war die Entscheidung anfänglich nicht leicht zu treffen. Und in einem Luftschloss zu residieren (wie lange?), nun ja, da kann es auch schon mal kräftig ziehen.


Was fasziniert Sie am Schreiben?

Die Möglichkeit, einen imaginären Film ablaufen zu lassen, den nicht nur ich sehe, sondern auch andere. Natürlich auch die innere Freude, wenn das Geschreibsel beim Anderen Emotionen auslöst, ich dadurch für einen kurzen Augenblick Teil seines Lebens sein darf.


Im Juni 2006 haben Sie das erste Ihrer drei Manuskripte verlegt: „Rotkäppchen 2069“. Worum geht es in diesem Roman?

Uh. Keine einfache Sache, den Inhalt zusammenzufassen. Eine absurd schräge Geschichte über vier Versuchspersonen, die in einer virtuellen Welt gefangen sind und versuchen, den Ausgang zu finden. Die Handlung spielt in der Zukunft, im Jahre 2069, und beinhaltet hunderte von augenzwinkernden Anspielungen genauso, wie eine unterschwellige Gesellschaftskritik. Der Subtitel lautet übrigens: Ein literarischer Comic Strip über Sex und andere Perversionen. Damit sollte klargestellt sein, dass es sich hier um kein Kinderbuch handelt.


Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Roman gekommen?

Die Eltern einer damaligen guten Freundin überließen mir für zwei Wochen ihr Haus in Salzburg. Das war das erste Mal, dass ich meine Zeit alleine in einem Haus zubrachte. Ich kannte und kenne ja sonst nur das Leben in einer Stadtwohnung. Diese neue Erfahrung musste mich wohl stimuliert haben. Jedenfalls kam mir ein Bild und ein Satz in den Kopf - obwohl mir das Haus und die Umgebung sehr gefielen: "Weiß einer, was wir hier in dieser beschissenen Gegend verloren haben?" Dieser Satz bildete den Ausgangspunkt für den Roman.


Im März 2008 ist „Die Liebesnacht des Dichters Tiret“ erschienen, im August diesen Jahres erscheint Ihr Roman „Rotkäppchen 2069 Reloaded“. Ist bereits ein weiterer Roman in Planung?

"Die Liebesnacht des Dichters Tiret" ist ja der erste Band einer mehrbändig angelegten Romanreihe. Der Titel des zweiten Bandes "Das Erwachen des Bürgers Brouillé" steht schon fest. Ideen gibt es. Aber damit würde ich wohl wieder meine Leser vor den Kopf stoßen, weil es in eine ganz andere, für sie unerwartete Richtung ginge. Das muss ich mir noch ernstlich überlegen. Außerdem liebäugle ich mit der Überarbeitung des Manuskriptes "Der Fetisch des Erik van der Rohe". Meine Lektorin aus Deutschland, die mit mir an "Tiret" gearbeitet hat, hätte gute Verbindungen zu einem Tübinger Verlagshaus, das auf erotische Literatur spezialisiert ist. Aber um es dem Verlag anzubieten, müsste ich viele, sehr viele Änderungen machen.


Wie lange arbeiten Sie durchschnittlich an einem Roman?

Das Schreiben an sich ist ein relativ kurzer Prozess, der nach ein paar Wochen abgeschlossen ist. Natürlich nur dann, wenn die Inspiration, die Ideen da sind. Wenn die Rohfassung einmal beendet ist, beginnt der langwierige Weg der Überarbeitungen. Bei "Tiret" war es so, dass ich im Sommer 2006 auf die Idee kam, einen amüsanten Roman über die französische Revolution zu machen. Ich schrieb die ersten Kapitel. Aber schon bald verließ mich die Lust, daran weiterzuarbeiten. Nach dem ich im Mai 2007 in Paris war, mich ein wenig von der Geschichte der Stadt inspirieren ließ, verwarf ich das bisherige Manuskript und fing von vorne an. Die neue Rohfassung schrieb ich in zwei Wochen. Aber die Überarbeitungen dauerten bis zum Jänner 2008.


Welche Zielgruppe haben Sie beim Schreiben vor Augen? Schreiben Sie überhaupt gezielt für eine Gruppe oder schreiben Sie in erster Linie für sich selbst?

Wenn ich mich zum Schreibtisch setze, dann schreibe ich natürlich nur für mich. Aber wenn ich mein Manuskript - oder Teile davon - aus der Hand gebe, jemanden um Feedback bitte, dann verändert sich mein Blick, meine Haltung. Weil ich ja mit meiner Schreibe beim anderen etwas erreichen möchte. Bei "Die Liebesnacht des Dichters Tiret" habe ich mich zum ersten Mal einem Lektorat "ausgeliefert", mit diesem sehr intensiv gearbeitet. Da wurde mir öfter die Frage gestellt, für wen ich das Ganze überhaupt schreibe. Bei "Rotkäppchen 2069" ließ ich mir damals aber nicht ins gedankliche "Räderwerk" greifen.


Aus welchem Grund haben Sie sich dazu entschlossen, Ihre Werke selbst zu verlegen?

Das hat ganz pragmatische Gründe. Dass ein renommierter Verlag einen unbekannten Autor eine Chance gibt, ist äußerst gering und kommt so gut wie nicht mehr vor. Und wenn es tatsächlich mal geschieht, dann ist immer noch die Frage, welche Rolle man im Verlagsprogramm spielt? Zumeist eine sehr bescheidene.


Welche Vor- und Nachteile hat es, ein Manuskript selbst zu verlegen?

Der größte Vorteil, ein Manuskript selbst zu verlegen, ist auch der größte Nachteil: du hast es in der eigenen Hand, du entscheidest und du trägst die alleinige Verantwortung! Wer also das Risiko nicht scheut, kann wiederum nicht verlieren, weil du am Ende ein Buch, nämlich deines, in die Hand bekommst, nämlich so, wie du es haben wolltest. Aber das Verlegen ist ein stetiger Lernprozess, der einen langen Atem braucht und viele Enttäuschungen bereit hält. Ich kann trotz allem den Selbstverlag nur empfehlen. Wer meine Erfahrungen diesbezüglich kennen lernen möchte, der hat die Gelegenheit, sich ein Comic-Heft im PDF gratis aus dem Web runterzuladen: http://www.dschunibert.wordpress.com


Haben Sie bestimmte Rituale, die Sie beim Schreiben einhalten, beispielsweise eine feste Schreibzeit oder eine festgelegte Seitenzahl pro Tag?

Um Gottes Willen! Ich bin Schriftsteller geworden, um mir meine Zeit frei einteilen zu können. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Jeder Zwang beeinflusst die Kreativität auf eine negative Art und Weise. Sollte ich einmal meinen erfolgreichen Schreibstil gefunden und schon im Voraus meine Manuskripte oder Drehbücher verkauft haben, dann könnte ich mir gut vorstellen, dass ich mir Schreibzeiten auferlege. Besonders kreativ werde ich dann wohl nicht sein. Aber das wird dann auch nicht mehr von mir erwartet.


Planen Sie Ihre Romane erst bis ins kleinste Detail, bevor Sie mit dem Schreiben beginnen oder schreiben Sie einfach drauflos?

Zu allererst braucht es eine Inspiration. Das klingt ein wenig althergebracht, ist aber so. Ein Bild, ein Satz, eine Idee, ein Gefühl. Daraus setzt sich ein kleiner Film zusammen, der in meinem Kopf abgespult wird. Anfänglich reicht es vielleicht gerade mal für eine halbe Seite. Aber in dieser halben Seite ist schon alles da. Man könnte sagen: es ist die DNA des Manuskripts. Danach geht es an die Rohfassung.


Wie kann man sich einen Tag in Ihrem Leben vorstellen, wenn Sie an einem Roman arbeiten?

Hmm?! Darauf weiß ich gar keine rechte Antwort. Ich sitze vor dem PC und tippe munter darauf los. Manchmal geht es besser, manchmal schleppender. Am schönsten sind jene Momente, wenn ich völlig in die Geschichte abtauchen kann, wenn ich mich mit den Protagonisten freue, mit ihnen trauere oder über eine bestimmte Situation lache. Das geschieht freilich nicht so oft, wie ich es gerne hätte. Jedenfalls arbeite ich nur am Tage. Spät abends eher selten. Des Nächtens überhaupt nicht.


Wie wichtig sind Ihnen Lesungen? Welche Erfahrungen haben Sie mit Lesungen gemacht?

Bis dato habe ich drei Lesungen "gemacht". Das heißt, ich habe Schauspieler engagiert, die aus meinem Buch gelesen haben. Da ich selber nicht besonders gut lesen kann, jedenfalls nicht so gut, wie ein trainierter Sprecher, lasse ich dahingehend anderen den Vortritt. Jeder sollte das tun, was er am besten kann. Und ich kann nun mal am besten Schreiben. Meine Erfahrungen in Bezug auf Lesungen sind durchaus positiv. Freilich, wenn man von anderen abhängig ist, dann geht das ganz schön aufs Nervenkostüm. Dafür kann sich das Endergebnis aber durchaus sehen und hören lassen.


Wie gehen Sie mit Kritik an Ihren Werken um?

Generell bin ich mal beleidigt. Weil ich immer davon ausgehe, dass der andere vor Begeisterung auf die Knie fällt. Tja. Das geschieht natürlich äußerst selten. Deshalb ist meine erste Reaktion: der hat keine Ahnung. Nach einer Weile, wenn ich wieder einigermaßen klar denken kann, dann überlege ich mir das Gesagte natürlich. Man könnte sagen: je gekränkter meine Eitelkeit, desto richtiger und wichtiger die Kritik. Freilich, es gilt, eine gesunde Mischung zu finden, zwischen Kritik widerspruchslos anzunehmen und sie widerspruchslos abzulehnen.


Was lesen Sie selbst gerne?

Um ehrlich zu sein, ich finde nur ganz selten Bücher, die mich faszinieren und die ich unbedingt lesen möchte. Autobiographien und Tagebücher von interessanten Menschen stehen ganz oben auf meiner Liste. Überhaupt locken mich Aufzeichnungen und Geschichten aus dem realen Leben mehr, als alles Erfundene. Aber natürlich bestätigen Ausnahmen diese Regel.


Gibt es etwas, dass Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?

Jetzt dachte ich mir, ich knalle hier noch ein hübsches Zitat rein. Das wirkt nämlich weltmännisch und belesen. Dummerweise aber auch eitel und selbstgefällig. Vielleicht der gutgemeinte Ratschlag, ein Tagebuch zu führen? Unsere Nachfahren sollen schließlich einmal wissen, wie wir unser Leben gelebt haben. Oder?


Ich danke Ihnen für das Interview.

Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.

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