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Hoch oben unter bedrohlichen Pyrenäengipfeln liegt das Dorf Monteperdido.
Hier, wo die Menschen noch eine Gemeinschaft bilden.
Hier, wo vor fünf Jahren die beiden Mädchen Ana und Lucia verschwunden sind.
Und nun taucht Ana wieder auf. Aber wo ist Lucia?

Fünf Jahre ist es her, seit zwei Elfjährige spurlos aus Monteperdido verschwunden sind, die Freundinnen Ana und Lucia. Da taucht völlig unerwartet die inzwischen sechzehnjährige Ana wieder auf, bewusstlos in einem Wagen, der in eine Schlucht vor Monteperdido gestürzt ist. Kommissarin Sara Campos von der Bundespolizei lässt sofort die Straßen sperren; eine verzweifelte Suche nach dem zweiten Mädchen beginnt. Doch die Berge um Monteperdido schweigen, trügerisch rauschen die Pappelwälder, gefährlich schwillt der reißende Fluss Esera an. Unter den Bewohnern von Monteperdido greifen Verdächtigungen um sich.

 

Monteperdido 

Originaltitel: Monteperdido
Autor: Augustín Martínez
Übersetzer: Lisa Grüneisen
Verlag: FISCHER Taschenbuch
Erschienen: März 2017
ISBN: 978-3596036585
Seitenzahl: 496 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Lügen, Mühen und Machenschaften: Augustín Martínez schildert in „Monteperdido“ die verschlossene Welt eines Bergdorfes in den Pyrenäen, aus der Ana und Lucia fünf Jahre zuvor entführt wurden. Es beginnt mit dem Auftauchen eines der beiden entführten Mädchen, Ana, und endet mit einer erschütternden Sprachlosigkeit. Zwischen diesen beiden Polen entwickelt der Drehbuchautor seine Geschichte einer verschlossenen Dorfgesellschaft, die zusammenhält und keinen Außenstehenden in ihre Gemeinschaft lässt. Selbst die Touristen, die diese herrliche Bergwelt, die für die Bewohner eher bedrohliche Kulisse ist, bewundern und gerne dort Ski fahren, werden aus dem Dorfleben ausgeschlossen. Die Dörfler haben ein eigenes Restaurant, in das keine Fremden hineindürfen.

Die beiden Kommissare der Bundespolizei aus Madrid, die zur Suche nach Lucia und dem Entführer in die Provinz geschickt wurden, dringen in diese eingeschworene Gemeinschaft ein und müssen den Fehlern, die die örtliche Polizei vor fünf Jahren beging, auf den Grund gehen. War die Dorfpolizei damals nur überfordert oder wurde absichtlich etwas vertuscht?


Stil und Sprache
Augustín Martínez ist in seiner Heimat ein erfolgreicher Drehbuchautor, unter anderem für Krimiserien. Er weiß um die Kunst, bildhafte Spannung zu erzeugen. Aber kann es einem Drehbuchautor gelingen, die Bildhaftigkeit in Sprache zu verwandeln? Leider glückt die Umsetzung nicht vollkommen. Martínez gelingt es nicht, die Gewohnheiten eines Drehbuchautors bei seinem Debüt abzustreifen. Er schildert die Topographie Monteperdidos bildhaft und versucht, das Nebeneinander dörflicher Eindrücke in das Nacheinander von Sprache zu überführen, indem er eine Begebenheit nach der anderen solange aufeinander schichtet, bis das Geschehen nur noch aus Äußerlichkeiten besteht.

Ein fast unübersichtliches Figurentableau und unzählige Verstrickungen, sortiert in eine Art Haupthandlung mit etlichen kurzen Nebensträngen, erschweren es, den Überblick zu behalten. Der auktoriale Erzähler springt in schnellem Wechsel in das Personal, sodass dieses, inklusive der Protagonistin, zum Leser auf Distanz bleiben. Falsche Fährten reihen sich wie Perlen aneinander und relativieren sich gleich wieder. Der Suche nach dem Entführer fehlt dadurch der nötige Spannungsbogen.

Martínez verharrt in einem nüchtern-beschreibenen Ton. Die Geschichte wirkt wie durch eine dicke Glaswand erzählt. Zwei Drittel des Romans bleiben diffus und seltsam unterkühlt. Das letzte Drittel gewinnt endlich an Fahrt und steuert auf ein temporeiches Finale zu, das einen sprachlos zurücklässt. Es führt vor Augen, wie schnell eine Situation entgleisen kann.


Figuren
Monteperdido – ein abgeschiedenes Dorf in einer unwirtlichen Bergwelt. Hier in diesem versteckten Winkel der Welt funktioniert das Zusammenleben. Die Bruderschaft, in der fast jeder Mann Mitglied ist, der Dorfpolizist ebenso wie der Waffenverkäufer oder die Jäger, kümmert sich um die Belange des Dorfes. Sie räumt jedes Jahr den Fluss auf, damit er nicht, wie Jahre zuvor, über die Ufer tritt und weitere Menschenleben fordert und sorgt auch sonst für Ordnung in dem Dorf.
 
Die Bewohner helfen sich gegenseitig, stehen zueinander, denn ohne den anderen ist man in dieser Wildnis verloren. Als die beiden Mädchen fünf Jahre zuvor entführt wurden, kämmte das ganze Dorf zusammen mit der örtlichen Polizei die Gegend durch. Aber bei der Polizei wurden viele Fehler begangen. Zu spät fing sie mit der Suche an, fokussierte sich schnell auf den Vater eines der beiden Mädchen als Verdächtigen, und - obwohl kurze Zeit später von jedem Verdacht erhaben - die Suche nach den Mädchen kam schnell zum Erliegen. Die Bewohner befürchteten, es könne einer aus ihren Reihen sein, der die Mädchen entführt hat. Da war Anas Vater, ein Zugezogener, ein willkommener Verdächtiger.

In der ersten Zeit nach der Entführung gingen die Dorfbewohner regelmäßig zu den Mahnwachen, die Lucias Vater abhielt. Nach fünf Jahren aber kommen nur noch die engsten Freunde und Verwandten und das auch nur aus einem Pflichtgefühl heraus. Anas Mutter hat nach den Jahren der Trauer und der Trennung von Anas Vater angefangen, sich in einem Leben ohne ihre Tochter einzurichten und eine neue Liebe gefunden. Das Dorf hält zusammen – bis Ana unvermittelt wieder auftaucht. Wie durch ein Wunder hat sie einen schweren Autounfall überlebt und konnte so zu ihrer Mutter, ihrem Vater und in das Dorf zurückkehren.

Die hinbeorderten Kommissare Sara Campos und Santiago Baín müssen den Fall wieder aufrollen und die Suche nach Lucia und ihrem Entführer aufnehmen. Ana ist auch Wochen nach ihrem Auftauchen verstört und gibt den beiden nur diffuse Hinweise über ihren Aufenthalt und den Entführer. Sara fragt sich, ob Ana ihren Entführer, mit dem sie ein Drittel ihres Lebens verbracht hat, beschützt. Die beiden Polizisten tauchen in das Dorfleben ein, verhören die Dorfbewohner und ermitteln auch gegen die Dorfpolizei. Schnell merken sie, die heile Fassade im Dorf ist nur Schein und unter der Oberfläche brodelt es mächtig, denn ein jeder hat etwas zu verbergen.

Martínez nimmt sich nichts geringeres vor, als ein Psychogramm der verschworenen Dorfgemeinschaft und der beiden entführten Mädchen zu erstellen. Es hätte eine spannende Sozialstudie werden können. Leider bleibt Martinez bei den Bewohnern und auch bei Ana sehr vage, sie bleibt ebenso blass und eindimensional, trotz ihres Martyriums, wie ihre Eltern oder die Eltern von Lucia. Es fehlt die Empathie gegenüber der verstörten Ana, die Freude der Mutter, die verhaltene Freude von Lucias Eltern – warum Ana und nicht ihre Tochter Lucia? Der Leser bleibt bei allen Figuren auf Distanz.


Aufmachung des Buches
Das broschierte Buch zeigt auf dem Cover die Silhouetten der beiden elfjährigen Mädchen, in denen sich der Pappelwald spiegelt. Das Buch ist in sehr lange sieben Kapitel geteilt.


Fazit
Eine ausgezeichnete Idee wurde leider nur mäßig umgesetzt. Es fehlt an Wendepunkten und Tiefe einiger wichtiger Figuren, die dem Krimi Spannung verliehen hätten.


2 5 Sterne


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