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TTT #669: Zeige uns deine zehn liebsten Buchtipps von Selfpublish…

  Zeige uns deine 10 liebsten Buchtipps von Selfpublishern

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Mein SuB kommt zu Wort – März 2024

  Die Temperaturen schwanken zwar immer noch regelmäßig zu "sehr kalt", aber die Blütenpracht und erste grüne Bäume machen es ganz deutlich: der Frühling ist da! Ich liebe die Aufbruchsstimmung, die diese Jahreszeit mit sich bringt und all die intensiven Farben. Da will man automatisch raus in die Natur - dank Hörbüchern heißt das aber zum Glück nicht, dass man auf die üblichen Lesestunden verzichten muss ;-) Neben vielen schönen Spaziergängen steht für mich auch die Leipziger Buchmesse endlich mal wieder auf dem Programm. Bevor ich dafür meine Tasche packe, lasse ich aber vorher noch meinen SuB ( = Stapel ungelesener Bücher) zu Wort kommen. Alle Informationen zu dieser Aktion find...

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Mein SuB kommt zu Wort – Februar 2024

  Die ersten zwei Monate des Jahres sind schon beinahe rum - kaum zu glauben, wie der Jahresanfang immer rennt :-) Lesetechnisch bin ich sehr gut ins neue Jahr gestartet. Ich hab viele tolle Bücher schon gelesen quer durch alle Genres, die mein SuB ( = Stapel ungelesener Bücher) so zu bieten hat. Ich werde auch gleich wieder zu meiner aktuellen Lektüre, "Das Lied von Vogel und Schlange", zurückkehren, aber vorher kommt noch mein SuB zu Wort. Alle Informationen zu dieser Aktion findet ihr hier und hier den letzmonatigen Beitrag. Ins Leben gerufen wurde die Aktion "Mein SuB kommt zu Wort" von der lieben Anna von Annas Bücherstapel. Mittlerweile haben Melli und Vanessa die Aktion übe...

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TTT #662: Zeige uns 10 Bücher, deren Titel mit dem Buchstaben T b…

  Zeige uns 10 Bücher, deren Titel mit dem Buchstaben T beginnt

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Mein SuB kommt zu Wort – Januar 2024

  Allen Leserinnen und Lesern auf diesem Weg noch alles Gute für das neue Jahr! Wie jedes Jahr starte ich immer mit viel Lese-Lust und Begeisterung für meine SuB-Bücher ins neue Jahr - ganze fünf Bücher konnte ich schon beenden und alle waren aus den Reihen meines SuB ( = Stapel ungelesener Bücher). Bevor ich mich gleich wieder der aktuellen Lektüre "The Atlas Paradox" widme, überlasse ich nun auch nochmal meinem SuB das Wort. Alle Informationen zu dieser Aktion findet ihr hier und hier den letzmonatigen Beitrag. Ins Leben gerufen wurde die Aktion "Mein SuB kommt zu Wort" von der lieben Anna von Annas Bücherstapel. Mittlerweile haben Melli und Vanessa die Aktion übernommen. ...

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Seit zwei Tagen war sie nun schon allein hier draußen und jagte dieser verfluchten Bärkatze hinterher, die den halben Viehbestand des Nomadenstammes, mit dem sie zog, gerissen hatte. Das Tier musste krank sein, denn es hatte kaum etwas von den Kadavern gefressen. Hatte sie nur getötet. Das war mehr als ungewöhnlich. Die Frauen jammerten über den Verlust der Schafe und Rinder, die Männer berieten sich noch immer, was zu tun sei. Nur Charleene hatte sich entschieden, zu handeln, statt zu lamentieren. Diese Bärkatze war eine Gefahr für jedes Lebewesen in diesem Gebirge. Vielleicht würde sie es sogar verlassen und näher an die Siedlungen ziehen, getrieben von irgendetwas, das ihre Seele verwirrt und sie zu einem Killer statt einem Jäger hatte werden lassen. Also musste die Katze sterben. Je schneller desto besser. Sie wusste, die Männer zögerten, weil eine Bärkatze alles andere als ungefährlich war. Mit einer Schulterhöhe von bis zu 170 Zentimetern, einer Länge von bis zu 380 Zentimetern und einem Gewicht zwischen 500 und 700 Kilo, waren es keine Schmusetiere. Doch Charleene hatte sich die Spuren genau angesehen. Es war ein einzelnes Tier, der Größe und Tiefe der Pfotenabdrücke nach zu urteilen, ein Jungtier, das kaum mehr als 350 Kilo wiegen konnte. Vermutlich war es noch nicht lange von der Mutter getrennt, noch nicht so geübt im Beuteschlagen und suchte sich daher als leichte Beute das zahme Vieh, statt das viel wehrhaftere und flüchtigere Wild zu jagen.
Charleene hatte ihren Bogen und Dolch geschnappt, Zypriona gesattelt und sich gemeinsam mit Tikrit, ihrem Wolfsmischling, auf die Jagd begeben. Die Spuren waren bisher leicht zu verfolgen gewesen und sie hatte bei ihrem elbischen Ziehvater eine gute Schule gehabt, was das Fährtenlesen anbelangte. Außerdem entging Tikrits Nase nichts. Der Rüde hatte unentwegt den Kopf am Boden. Dort, wo harter Fels die Spur unterbrach, übernahm der Wolf die Führung, bis sie wieder in Bereiche kamen, wo der Boden weicher und erdiger wurde, oder Gestrüpp und Grashalme zeigten, welchen Weg die Katze genommen hatte.
In den höheren Gebirgslagen lag bereits Schnee, was die Spurensuche noch einfacher machte. Aber es war auch sehr kalt hier oben und die Luft dünner. Zypriona rutschte einige Male auf eisglatten Passagen aus, bis sich Charleene schließlich entschied, die Stute zurückzulassen und stattdessen zu Fuß weiterzugehen. Sie nahm ihren dicken Fellumhang vom Sattel und legte ihn sich um die Schultern, dann stapfte sie durch den Schnee davon. Sie wusste, sie konnte sich darauf verlassen ihr Reittier bei der Rückkehr an genau der Stelle wiederzufinden, wo sie es zurückgelassen hatte. Ein Ruf und die Stute würde sofort aus einem sicheren Versteck herankommen. Praktisch, wenn man ein Elbenpferd hatte.
Tikrit trabte hechelnd voran, ab und zu blieb er stehen und lauschte, winselte leise, setzte seinen Weg wieder fort.
Urplötzlich war die Spur zu Ende. Beide, Kriegerin und Wolf, blieben überrascht stehen. Kein Abdruck war mehr im Schnee zu sehen, und eine Fährte schien Tikrit auch nicht mehr in der Nase zu haben.
„Das gibt es doch nicht“, schimpfte Charleene. „Sie kann sich doch nicht in Luft auflösen.“
Plötzlich sträubte Tikrit sein Nackenfell, knurrte mit gefletschten Zähnen in Richtung einer kleinen Felsengruppe und spurtete im nächsten Moment auch schon los. Ein Fluch kam über Charleenes Lippen und sie rannte dem Rüden hinterher, der schon um die Biegung verschwand. Sekundenbruchteile später hörte sie ein lautes Fauchen, gefolgt von dem Aufheulen ihres Mischlings. „Tikrit!“, schrie sie, doch um ihm zu Hilfe zu kommen, blieb keine Zeit. Mit einem gewaltigen Satz landete die Bärkatze, deren Spur sie seit Tagen verfolgte, vor ihr auf dem schneebedeckten Boden. Es war tatsächlich ein junges Männchen mit gerade Mal einem Meter Schulterhöhe. Sein zottiges Fell hatte die Farbe von modrigem Holz – ein dunkles Graubraun. Das Tier fletschte die Zähne, Geifer troff von seinen langen Zähnen. Es brüllte und setzte sogleich zum Sprung an. Die Kriegerin wich der Attacke geschickt aus, versetzte der Raubkatze einen Stoß mit dem Dolch, der einen langen Schnitt an ihrer Flanke hinterließ, doch die Raubkatze war schneller, als Charleene gedacht hatte und zu zornig, um noch Schmerz zu registrieren. Schon drehte sie sich wieder um und erwischte Charleene mit der riesigen Pranke an der linken Schulter, zerfetzte den Fellumhang an dieser Stelle und hinterließ blutende Risse in ihrem Fleisch. Schmerz durchzuckte ihren Arm, die Wunden waren nicht gefährlich, aber dennoch tief. Dunkles Blut rann ihren Arm hinab, durchtränkte die Bluse und das Lederwams, tropfte in den Schnee.
Angestachelt durch den Geruch des Blutes zögerte ihr Gegner nicht lange, sondern stürzte sich sofort erneut auf Charleene. Sie fiel nach hinten, der massige Körper des Tieres über ihr, sein stinkender Atem betäubte ihr fast die Sinne. Gerade noch konnte sie mit beiden Händen die Kehle des Tieres packen und sein aufgerissenes Maul von ihrem Gesicht wegdrücken. Doch ihren Dolch hatte sie bei dem Sturz verloren.
Tief bohrten sich die Krallen der Katze ihn ihr Fleisch. Warmes Blut strömte an ihren Armen und Beinen hinab. Charleene keuchte schwer. Mühsam konnte sie das Maul mit den rasiermesserscharfen Zähnen gerade so weit von sich weggedrückt halten, dass das Tier ihr nicht die Kehle aufriss. Aber lange würde sie diese Kraft nicht mehr aufbringen. Sie spürte, wie die Muskeln in ihren Armen zu zittern begannen, die verletzte Schulter pochte, unaufhörlich floss Blut in dünnen Rinnsalen aus den Wunden und schwächte sie mehr und mehr. Die Bärkatze merkte das auch. Zwar sah Charleene, dass die Flanke des Tieres blutgetränkt war, doch was auch immer dieses Vieh antrieb, es schaltete jedes Gefühl von Schmerz und Schwäche aus. Stattdessen positionierte es seine Hinterläufe neu, grub die Klauen in den Boden und drückte sich fester nach vorne, um sein Opfer weiter zu schwächen. Aus den Augenwinkeln sah Charleene die Klinge ihres Dolches schimmern. Vielleicht konnte sie ihn erreichen. Aber dazu musste sie eine Hand von der Kehle der Bestie nehmen. Sie hätte nur Sekunden, um die Klinge zu ergreifen und zuzustoßen. Sonst würde der Jäger ihr die Kehle aufreißen, wie den Rindern und Schafen im Lager. Es war eine sehr geringe Chance, aber die Einzige, die sie hatte. Sona, gib mir die Kraft. Lass deine Chaosmagie in mir wirken und gib mir Kraft, betete sie still. Ruckartig spannte sie die Muskeln an. Die Bärkatze war darauf nicht vorbereitet, die heftige Bewegung überraschte sie völlig. Charleene gelang es, den Kopf des Tieres zur Seite zu drücken, ihren eigenen Körper ein winziges Stück näher an die Waffe zu schieben, den Griff zu fassen und der Katze die Klinge tief in die Seite zu stoßen, noch ehe ihr Maul zuschnappen konnte. Die Bestie brüllte auf und machte einen Satz nach vorn. Charleene nutzte diesen Vorteil, rollte sich über den Boden und kam auf die Füße, gerade als die Katze zum Sprung ansetzte. Die Hand mit der Klinge schnellte ihr entgegen, aber Gewicht und die Kraft des Absprungs waren stärker. Der Körper prallte gegen Charleenes Brustkorb, der Dolch drang tief in den Torso, traf das Herz, Blut rann über Charleenes Finger. Sie strauchelte, mit dem Gewicht des sterbenden Körpers in ihren Armen, ihr linker Fuß knickte ein, sie schrie auf, als der Knöchel brach, dann verlor sie vollends das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Aber dort war kein Felsboden, der ihren Sturz zwar unsanft, aber immerhin sicher aufgefangen hätte. Als sie aufschlug, krachte es unter ihr. Berstende Eissplitter flogen umher, als das Siegel aus Schnee und Eis brach und die Öffnung in einen bodenlosen Abgrund frei gab, in den beide, Katze und Kriegerin, eng umschlungen wie Liebende, hinabstürzten. Eines der letzten Dinge, die Charleene noch bewusst wahrnahm, war das Erschlaffen des schweren Tierkörpers, in dessen Herz die Spitze ihres Dolches steckte und der ihren Fall durch sein Gewicht noch beschleunigte. Dumpf kam das ungleiche Paar auf dem Boden auf und mit dem Geräusch ihrer brechenden Knochen wurde um Charleene herum alles schwarz, kalt und leer.

 

Sie erwachte in einem Raum aus Fels, Silberstaub und Eis. Es war kalt, der Boden unter ihr hart und überall um sie herum flimmerten unwirkliche Lichter.
„Na? Aufgewacht?“, erklang eine dunkle, ruhige Stimme rechts von ihr.
Charleene drehte erschrocken den Kopf. Viel zu schnell für ihren noch benebelten Geist. Ihr wurde schwindlig, schwarze Punkten tanzen vor ihren Augen und sie musste diese erst einmal wieder schließen, damit der Kreisel in ihrem Geist aufhörte, sich zu drehen. Langsam öffnete sie die Lider, blinzelte und zuckte dann zurück, was ihr Gegenüber mit einem amüsierten Lachen und Kopfschütteln zur Kenntnis nahm.
„Ich fress dich nicht. Wenn ich Appetit auf eine Kriegerin hätte, wärst du schon längst in meinem Magen, statt mit Verbänden und Kräutern versorgt seit einer Woche hier auf dem Krankenlager.“
Vor Charleene lag ein großer, blauschimmernder Drache mit spitzen Hörnern auf dem Kopf und einer wallenden Mähne, die sein Haupt umgab und in einem Bart an seinem Kinn endete.
Seine Schuppen leuchteten wie Bergkristall und Aquamarin, die mächtigen, dunkelblauen Schwingen hatte er sorgfältig auf seinem Rücken zusammengefaltet. Die spitzen Zähne schimmerten wie Elfenbein. Aber tatsächlich wirkte er nicht bedrohlich. Er blieb völlig ruhig an seinem Platz und beobachtete die Kriegerin. Seine Vorderbeine hatte er elegant übereinandergeschlagen, die Zehen mit den langen Krallen am Ende seiner Pranken waren entspannt.
„Du musst dich wirklich nicht fürchten, Charleene von Huntington. Der Tod war dir nahe, oh ja. Doch jetzt ist alles gut. Deine Wunden sind verheilt und du bist stärker denn je.“
„Hast du mich geheilt?“ Sie kam langsam wieder näher gekrochen, stand dann auf und wagte es, eine Hand auszustrecken und das edle Geschöpf zu berühren. Sein Kopf war in etwa so groß, wie Charleene im Ganzen. Als sie ihre Finger in die blauschimmernde Mähne grub, seufzte der Drache wohlig auf und schloss halb die Lider.
„Ah, das tut gut.“
Charleene musste schmunzeln. So hatte sie sich Drachen nicht vorgestellt. Überhaupt, war ja immer die Rede von ihrer List und Verschlagenheit und davon, wie böse und gefährlich sie seien. Doch dieser hier hatte ihr zweifellos das Leben gerettet und war ebenso friedlich wie freundlich.
„Man muss nicht alles glauben, was erzählt wird“, antwortete ihr neuer Freund, indem er ihre Gedanken las. „Vieles wird erzählt, aber nicht immer ist es auch die Wahrheit. Mir und meinen Brüdern wurde großes Unrecht getan. Doch dies ist eine Geschichte, die zu lang ist, um sie jetzt zu erzählen. Doch du siehst, die Verleumdungen entsprechen nicht den Tatsachen.“
Sie nickte und kraulte den Drachen weiter, da ihm dies zu gefallen schien. Glatt, weich und kühl fühlte sich seine Haut an. Sie hätte gedacht, dass sie heiß wäre, weil Drachen Feuer spien.
„Manche von uns speien Feuerflammen, manche Eisflammen. Ich bin ein Eisdrache. Mein Feuer kann zwar auch wärmen, doch im Kampf sind die Flammen kalt, so wie meine Energie die von Eis und Wasser, von Kälte und Starre ist. Eine ruhige Kraft, besänftigend und heilend, doch auch wild und zerstörerisch, wenn die Umstände es erfordern.“
Charleene hörte ihm aufmerksam zu. Wann hatte man schon mal die Möglichkeit etwas über Drachen aus erster Hand zu erfahren? Ihr Bild von diesen Geschöpfen änderte sich innerhalb weniger Augenblicke völlig. Sie vertraute diesem Drachen, in dessen Höhle sie sich befand.
„Wie hast du mich gerettet? Ich bin sehr tief gefallen, das weiß ich noch. Und die Bärkatze hatte mich bereits schwer verletzt. Ich fiel in den Tod, doch nun stehe ich hier und lebe. Es ist kaum möglich, und doch ist es so.“
„Du hast recht, du warst sehr schwer verletzt“, sagte der Drache sanft. „So schwer, dass deine Lebensflamme zu verlöschen drohte. Kräuter allein konnten da nicht mehr helfen. Ich musste etwas tun, um dein Sterben aufzuhalten. Und das habe ich getan. Dies hat etwas verändert, was eigentlich nicht hätte verändert werden dürfen. Andererseits ...“
Er ließ den Satz unvollendet. Charleene stellte ihr Kraulen ein, was der Drache mit einem enttäuschten Laut zur Kenntnis nahm. Die Kriegerin trat einen Schritt zurück und sah ihn fragend an.
„Was? Was wurde verändert? Und warum durfte das nicht sein? Warum hast du es überhaupt getan, wenn dadurch jetzt etwas Schlimmes geschehen ist?“
Der Drache grinste und legte den Kopf schief. Irgendwie sah das komisch aus. Langsam schüttelte er sein Haupt. „Ich habe nicht gesagt, dass deshalb etwas Schlimmes geschieht. Es war nur anders vorgesehen, aber das ist jetzt egal. Ich habe meine Entscheidung getroffen und du lebst. Die anderen werden es schon verstehen. Nichts geschieht ohne Grund. Also sollte auch unsere Begegnung wohl so sein.“
„Warum hast du mich gerettet?“
„Ich bin ein Drache. Wir verfügen über großes Wissen. Über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es gibt Bestimmungen, die du zu erfüllen hast. Aufgaben, die für dich vorgesehen sind. Ich wusste das, als ich dich sah. So wie ich wusste, wer du bist. Mir blieb die Wahl, dich sterben zu lassen oder dich zu retten, mit allem, was mir zur Verfügung stand. Im Grunde war es gar keine Frage, wie ich entscheiden sollte, denn du musstest unter allen Umständen weiterleben. Deine Zeit ist noch nicht gekommen, deine Pflicht auf dieser Welt noch nicht erfüllt.“
Charleene schüttelte verwirrt den Kopf. Ihr war immer noch etwas schwindlig, ob von dem Sturz oder ihrem langen Schlaf, und seine Worte machten sie noch benommener.
„Was redest du da? Was für Bestimmungen, was für eine Pflicht? Und wer hat sie für mich vorgesehen?“
Der Drache legte den Kopf in den Nacken und lachte laut. So laut, dass die Wände zitterten und die Eiskristalle fremdartige Klänge erzeugten. Charleene war sicher nicht ängstlich, aber das hier beunruhigte sie doch. Es war so unwirklich. Vielleicht war sie ja doch schon tot und dies hier ein Traum in der Totenwelt.
„Nein, kleine Charleene. Du lebst, glaube mir. Aber du hast zu viele Fragen.“ Er schüttelte abermals sein Haupt. „Das Schicksal hat eine Bestimmung für dich. Du wirst es erfahren. Alles zu seiner Zeit.“
Dann drehte sich der Drache um, wobei seine Schritte die Erde erzittern ließen. Sein langer Schwanz mit den eisblauen Stacheln sah gefährlich aus, doch er achtete sorgsam darauf, Charleene damit nicht unnötig nahe zu kommen. So befand sie sich zu keiner Zeit in Gefahr.
„Komm mit, Charleene“, sagte er über die Schulter. „Übrigens, ich heiße Mandracoras. Merk dir diesen Namen gut.“ „Warum?“, wollte Charleene wissen und stellte im selben Moment beschämt fest, dass sie schon wieder eine Frage stellte.
Mandracoras kicherte, sein massiger Körper wackelte dabei. „Alles zu seiner Zeit“, wiederholte er. „Für’s Erste nur, damit du mich rufen kannst. Wenn du mich brauchst, werde ich nämlich da sein. Du trägst nun ein Stück von meiner Seele in dir. Meinen Drachenatem. Mit der Zeit wirst du erfahren, was das bedeutet und lernen, den Drachenatem zu beherrschen.“
Drachenatem beherrschen? Charleene konnte sich gerade noch verkneifen, erneut zu fragen. Aber was meinte er damit? Sie streckte einen Arm aus und betrachtete ihn. Alles sah noch normal aus. Sie hatte sich nicht verändert. Auch als sie in sich hinein horchte, konnte sie keine Veränderungen feststellen. Sie war dieselbe, die sie vor dem Sturz gewesen war. Drachenatem hin oder her.
Abrupt blieb Mandracoras stehen und drehte sich halb zu ihr um. Sein Kopf näherte sich ihr bis auf wenige Zentimeter, sein aquamarinblaues Auge direkt vor ihrem Gesicht. „Nein, das bist du nicht. Das wirst du nie wieder sein. Du spürst es noch nicht, doch es ist da. In dir steckt nun ein Drache. Mein Geist, meine Kraft. Aber sie schlummert noch. Sie hat dich geheilt und wartet nun auf den richtigen Zeitpunkt, zu erwachen.“
Wann würde dieser Zeitpunkt wohl sein? Doch Charleene fragte nicht und Mandracoras schien auch sonst nichts dazu sagen zu wollen. Stattdessen führte er Charleene in eine zweite Höhle, näher an der Außenwelt. Welche Freude, als sie Zypriona und Tikrit, beide wohlauf, an einem blauleuchtenden Feuer fand. Zypriona kaute gelassen und mit entspannt hängendem Kopf auf ein paar Heuhalmen herum, und Tikrit leckte sich gerade zufrieden die Pfoten sauber. Dem Blut nach zu schließen, hatte er frisches Fleisch bekommen.
„Zu irgendwas musste diese Bärkatze schließlich noch taugen“, meinte Mandracoras pragmatisch. Mit dem Kopf deutete er an die hintere Wand der Höhle, wo das Fell der Katze bereits trocknete. Charleene würde es mitnehmen und dem Stamm zeigen. Zum Beweis, dass die Bestie unschädlich gemacht worden war.
Nachdem sie ihre tierischen Gefährten begrüßt und sich von ihrer Unversehrtheit überzeugt hatte, wurde es Zeit, von dem freundlichen Drachen Abschied zu nehmen. Es tat Charleene leid, ihn verlassen zu müssen. Sie fühlte sich ihm verbunden, auf eine ganz besondere Art und Weise. Und sie hatte das sichere Gefühl, viel von ihm lernen zu können. Wie alt mochte er sein? Was hatte er schon alles erlebt und gesehen? Sie wäre gern geblieben, um mit ihm am Feuer zu sitzen und all die tausend Fragen zu stellen, die ihr im Kopf herumschwirrten. Doch das würde wohl nicht gehen.
„Ich bin stets bei dir. Wenn du mich brauchst, dann rufe. Wir werden uns sicher wiedersehen – dann und wann. Und irgendwann wird einer kommen, der ihn erweckt, den Drachen in dir. Einer, der auch einen Drachen in sich trägt. Wenn das geschieht, werde ich dich bald aufsuchen. Und dir sagen, was du wissen musst. Bis dahin ...“
„Ja?“ Charleene schaute staunend in Mandracoras’ Iris, die ernst und nachdenklich auf ihr ruhte. Eine Weile schien er zu überlegen, dann lächelte er breit, wobei er scharfe, lange Zähne entblößte. Trotzdem wirkte es kein bisschen bedrohlich.
„Hoffen wir einfach, dass es der Richtige sein wird. Und schweigen über das, was in dieser Höhle geschehen ist, ja?“ Sein Blick wurde eindringlich.
Charleene nickte. „Ich werde niemandem von dir erzählen. Oder dem, was hier geschehen ist. Du hast mein Wort.“
„Ich weiß“, sagte Mandracoras. „Es wird Zeit. Du musst zurück zu deinem Stamm. Nicht mehr lange und du wirst dich der ersten Prüfung stellen müssen. Schmerz ist ein guter Lehrmeister. Also fürchte ihn nicht. Geh deinen Weg.“


Anmerkungen:
23. Okt. 2008


Veröffentlichung auf www.leser-welt.de mit freundlicher Genehmigung von LITERRA.

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