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„Du musst dich erinnern, Jenny. Du musst dich erinnern, was in jener Nacht im Wald geschehen ist.“
Jenny´s Erinnerung wurde ausgelöscht. Künstlich, durch ein Medikament. Damit sie weiterleben kann, trotz der furchtbaren Ereignisse jener Nacht. Und ohne die Bilder für das Schreckliche im Kopf. Aber ihr Körper hat nicht vergessen. Er weiß noch immer, was ihm angetan wurde. Mit ihrem Therapeuten rekonstruiert Jenny Stück für Stück die Ereignisse jener Nacht. Aber ist das, was zu Tage tritt, wirklich das, was passiert ist? Und kann sie denen, die ihr helfen wollen, vertrauen? 

 

Dark Memories 

Originaltitel: All Is Not Forgotten
Autor: Wendy Walker
Übersetzer: Verena Kilchling
Verlag: Fischer Scherz
Erschienen: 06/2016
ISBN: 978-3-651-02542-4
Seitenzahl: 381 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Jenny Kramer ist auf brutalste Weise vergewaltigt worden. Dank einer umstrittenen Behandlung kann sie sich an nichts mehr erinnern. Aber ihr Körper erinnert sich noch allzu gut an jene schreckliche Stunde und wehrt sich vehement gegen die auferzwungene Ruhe und die Gedächtnislücke. Als sie aus lauter Verzweiflung einen Selbstmordversuch unternimmt, schalten ihre Eltern den Psychologen Dr. Allan Forrester ein. Ihm gelingt mit einer sehr unkonventionellen Methode, die Erinnerungen wieder ans Tageslicht zu befördern. Und damit auch Einzelheiten, die bislang nicht bekannt waren. Und als er in Jenny´s Akte ein weiteres Detail liest, das der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, wird ihm klar: Hier geht es um weit mehr als eine brutale Vergewaltigung eines Teenagers. Weit mehr …

Klar, direkt und mit einer unglaublichen Brillanz hat Wendy Walker diesen Roman verfasst.


Stil und Sprache
Der Roman wird aus der Sicht des behandelnden Psychologen Dr. Allan Forrester erzählt und liest sich so, wie wenn man mit ihm bei einer Tasse Kaffee zusammensitzt und er rückblickend die Ereignisse schildert. Auf diese Weise behält der Leser, trotz aller grausamen Dinge, eine gewisse Distanz. Die in diesem Falle aber alles andere als störend ist.
Der Leser taucht in eine Welt ein – eine idyllische Kleinstadt – und in das scheinbar perfekte Familienleben einiger Familien, die alles andere als das sind.

Die Autorin hat einen sehr vielfältigen Wortschatz und erklärt die fachlichen Dinge durch die Figur des Psychologen auf sowohl eindrucksvolle als auch leicht verständliche Weise. Trotzdem ist dem Leser von Beginn an klar, dass das Hauptthema keines ist, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Das eine Vergewaltigung, egal wem sie passiert und wie, ein uneingeschränkt grausamer Einbruch in die menschliche Würde ist und entsprechende Spuren hinterlässt.

Wendy Walker geht äußerst feinfühlig, aber auch deutlich mit der Thematik um. Zeigt auf spannende und sehr packende Weise, wie sich die Dinge entwickeln, wie Familien um den Erhalt selbiger kämpfen, wie sich Menschen gegen den Einfluss von außen wehren und dabei alles tun, um das eigene Heim, den eigenen Nachwuchs zu schützen. Da gibt es lange gehegte Geheimnisse, Anklagen, falsches Verhalten auf allen Seiten und uralte Geschichten, die sich nach und nach ihren Weg ans Licht bahnen. Als Leser weiß man bis zum Schluss nicht, wer der wirkliche Schuldige ist. Man erlebt die unglaublichsten Wendungen, begreift die Logik dahinter und wird am Schluss dennoch total überrascht.


Figuren
Der Mensch ist sich selbst und seinen Kindern am nächsten. Das ist eine der wohl prägnantesten Erkenntnisse, die der Leser am Ende der Lektüre von diesem Roman bekommt. Anders ist der Kampf der Figuren, um den Erhalt und Schutz ihrer Familie wohl nicht zu erklären. Dabei erschafft Wendy Walker äußerst tiefgründige und vielschichtige Charaktere, die mehr oder weniger von innerer Kraft und Selbsterhaltungstrieb und ihrer Kindheit geprägt sind. Da werden Familiendramen offenbart, Sehnsüchte und Süchte an den Tag gelegt und der Kampf dreier Menschen um ihren innerlichen Seelenfrieden auf beeindruckende Weise gezeigt.

Jenny hat das wohl traumatischste Erlebnis durchlitten, das ein Mensch je erleiden kann. Und dennoch ist sie stark, sieht die Dinge aus einer Perspektive und stellt Fragen, die auf den ersten Blick für einen Außenstehenden ungewöhnlich und vollkommen unangebracht erscheinen. Denn Jenny legt nicht das als typisch bezeichnete Verhalten einer Vergewaltigten an den Tag. Wie auch? Ihr wurde durch die Verabreichung bestimmter Substanzen jegliche Erinnerung genommen. Doch was von der Mutter als Segen für ihre Tochter gemeint war und auch so empfunden wird, ist für Jenny ein unbeschreibliches stilles Martyrium. Denn auch wenn sie keine bewussten Erinnerungen hat, ihr Körper erinnert sich nur zu gut und sucht nun nach einem Weg, damit fertig zu werden.

Dr. Allan Forrester ist auf den ersten Blick ein Mann, der nicht nur eine vollkommen andere Ansicht über bestimmte Behandlungsmethoden und Therapien vertritt als seine meisten Kollegen, er arbeitet auch auf äußerst unkonventionelle Weise. Als studierter Mediziner weiß er um die Vorgänge im menschlichen Körper nur zu gut Bescheid. Er ist offen, ehrlich, steht zu seinen differenzierten Ansichten und sieht die Dinge praktisch und ohne rosarote Brille. Seine Ehe ist glücklich, mit klar verteilten Rollen und auch sein wohlgehütetes Geheimnis ist Antrieb für ihn, den Menschen zu helfen. Seine persönliche Enthüllung am Ende hat mich mehr als nur überrascht.


Aufmachung des Buches
Diese Klappenbroschur ist farblich wie eine Wespe gehalten. Gelb und schwarz, mit etwas Weiß. Bedrohlich wirkt das Ganze jedoch nicht, eher düster. Ein Teil des Titels glänzt, hält man das Buch leicht schräg. Auf der Rückseite stehen einige Worte zum Inhalt. Nicht unbedingt mein Geschmack.


Fazit
Ein brillanter Roman, der ein brisantes Thema auf ungewöhnlich fantastische Weise behandelt und mit grandios angelegten Figuren bereichert ist. Am Ende lässt einen die Autorin nicht nur mit mehreren absolut unerwarteten Wendungen und Offenbarungen zurück, sie gibt einem auch das Gefühl, trotz der Thematik, glänzend unterhalten worden zu sein. Lesen!


5 Sterne


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